HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 8
Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2520/07, Beschluss v. 04.09.2009, HRRS 2010 Nr. 8
Der Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 14. November 2006 - 37 XIV 2060 B - zu Nr. 1 des Tenors und der Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 22. Oktober 2007 - 5 T 354/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, der Beschluss des Landgerichts darüber hinaus in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.
Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen an die gerichtliche Überprüfung einer nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden vorläufigen Festnahme.
1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste 2000 in das Bundesgebiet ein und führte erfolglos ein Asylverfahren durch. Seit 2002 war er für die deutschen Behörden nicht mehr erreichbar. Die Ausländerbehörde schrieb ihn zur Festnahme aus. Nach seinen Angaben reiste der Beschwerdeführer im Juni 2006 ohne Visum wieder in das Bundesgebiet ein, um seine hier ansässige Verlobte zu heiraten und in Deutschland zu bleiben. Am Samstag, dem 17. Juni 2006, wurde er gegen 23.30 Uhr von der Polizei bei der Überprüfung einer Gaststätte angetroffen. Er führte Papiere mit, die auf unterschiedliche Namen ausgestellt waren. Als im Rahmen der Identitätsprüfung die Wohnanschrift aufgesucht werden sollte, äußerte der Beschwerdeführer, dass er gelogen habe und vor kurzem eingereist sei. Die Polizei nahm ihn am 18. Juni 2006 um 0.05 Uhr fest. Der Cousin des Beschwerdeführers erschien eine halbe Stunde später auf der Wache und teilte den Namen des Beschwerdeführers mit. Am Morgen des Festnahmetages um 10.00 Uhr gab der Beschwerdeführer seinen Namen an. Seine Fingerabdrücke konnten zugeordnet werden. Am Montag, dem 19. Juni 2006, beantragte die Ausländerbehörde um 12.33 Uhr Abschiebungshaft. Das Amtsgericht ordnete einige Stunden später die einstweilige Freiheitsentziehung an.
2. Der Beschwerdeführer beantragte die Feststellung, dass die Ingewahrsamnahme vom 17. Juni 2006, 23.30 Uhr, bis zum Erlass des Haftbeschlusses des Amtsgerichts vom 19. Juni 2006 rechtswidrig gewesen sei. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen sei, sei nicht beachtet worden.
Das Amtsgericht stellte durch Beschluss vom 14. November 2006 fest, dass der Feststellungsantrag unbegründet sei. Die Festnahme sei am 18. Juni 2006, 0.05 Uhr, die Vorführung vor den Richter am darauffolgenden Tag erfolgt. Die Voraussetzungen des § 13 FrhEntzG lägen somit vor. Die Ausländerbehörde habe die richterliche Entscheidung unverzüglich, hier am 19. Juni 2006, herbeigeführt. Die Freiheitsentziehung sei bis zum Ablauf des ihr folgenden Tages durch richterliche Entscheidung angeordnet worden. Der Beschwerdeführer sei am 17. Juni 2006 von 23.30 Uhr an nicht festgenommen, sondern zunächst polizeirechtlich überprüft worden.
3. Der Beschwerdeführer erhob sofortige Beschwerde. Ob der Beschwerdeführer vor oder nach Mitternacht festgenommen worden sei, sei unerheblich. Die richterliche Entscheidung sei nicht unverzüglich herbeigeführt worden. Eine Vorführung hätte spätestens am 18. Juni 2006 in den Mittagsstunden erfolgen müssen.
Durch Beschluss vom 22. Oktober 2007 wies das Landgericht die sofortige Beschwerde zurück. Die Festnahme sei am 18. Juni 2006 erfolgt, habe der Verhinderung der Fortsetzung einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gedient und sei gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Nds. Gefahrenabwehrgesetz (gemeint: Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG) rechtmäßig gewesen. Nach Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG sei der Beschwerdeführer spätestens am Tage nach der Festnahme, also am 19. Juni 2006, dem Richter vorzuführen gewesen. Die Vorschrift sei für den Fall der vorläufigen Festnahme wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung gegenüber Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG die speziellere Regelung, so dass es für die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung nicht darauf ankomme, dass am 18. Juni 2006 keine richterliche Entscheidung herbeigeführt worden sei.
4. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde und erhob zugleich dieses Rechtsmittel. Das Oberlandesgericht verwarf die sofortige weitere Beschwerde durch Beschluss vom 27. November 2007, weil das Landgericht eine Maßnahme nach Polizei- und Ordnungsrecht angenommen und die sofortige weitere Beschwerde nicht zugelassen habe. Dass das Oberlandesgericht die Auffassung des Landgerichts nicht teile, ändere daran nichts. Ob der Rechtsbehelf als außerordentliche Beschwerde statthaft sei, könne dahinstehen. Zwar erscheine es nicht ausgeschlossen, dass gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstoßen worden sei. Eine willkürliche, bar jeder gesetzlichen Grundlage erlassene oder schlichtweg nicht hinnehmbare und somit greifbar gesetzwidrige Entscheidung liege aber nicht vor.
5. Mit der gegen die Beschlüsse vom 14. November 2006 und vom 22. Oktober 2007 gerichteten Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die nachträgliche richterliche Entscheidung über eine Freiheitsentziehung sei unverzüglich, das heißt ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lasse, herbeizuführen. Das gelte auch bei einer Ingewahrsamnahme auf polizeirechtlicher Grundlage. Der Beschwerdeführer hätte dem Richter am 18. Juni 2006 vorgeführt werden können. An diesem Tag sei seine Identität geklärt gewesen.
6. Das Niedersächsische Justizministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Die Kammer ist für die Entscheidung zuständig, da das Bundesverfassungsgericht die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Sie nimmt die Verfassungsbeschwerde, die sich nicht auf die Entscheidung des Amtsgerichts über das Prozesskostenhilfegesuch erstreckt, zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
Das Landgericht hat das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, Amtsgericht und Landgericht haben sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.
1. Das Landgericht hat die Befugnis der Polizei zur Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers unter Verkennung der Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben, bejaht.
a) Die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>; 29, 312 <316> ). Geschützt wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor Eingriffen wie Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs (vgl. BVerfGE 22, 21 <26>; 94, 166 <198>; 96, 10 <21> ). Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes beschränkt werden. Das Grundrecht schließt es nicht aus, dass sich die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung aus der Ermächtigungsgrundlage in Verbindung mit weiteren Vorschriften ergibt (vgl. BVerfGE 96, 68 <97>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 2009 - 2 BvR 1537/08 -, InfAuslR 2009, S. 203 <204>).
Bei der Gesetzesanwendung haben die Fachgerichte auch in Haftsachen einen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum (vgl. BVerfGE 96, 68 <99>). Ihr Verantwortungsbereich für die ihnen anvertraute Anwendung des einfachen Rechts ist hingegen verlassen, wenn ihre Gesetzesauslegung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruht und auch in ihrer materiellen Auswirkung für den konkreten Rechtsfall von Gewicht ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <93> ). Nicht anders als beim strafrechtlichen Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) ist jede Rechtsanwendung ausgeschlossen, die über den Inhalt des gesetzlichen Hafttatbestandes hinausgeht. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 2009 - 2 BvR 1537/08 -, InfAuslR 2009, S. 203 <204>).
b) Die Gesetzesanwendung des Landgerichts wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es hat als Ermächtigungsgrundlage § 18 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG herangezogen, wonach eine Person unter anderem dann in Gewahrsam genommen werden kann, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. Ob diese Bestimmung überhaupt, etwa in Verbindung mit § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Festnahme spontan aufgegriffener Ausländer ohne Aufenthaltsrecht darstellt, kann offen bleiben.
Das Landgericht hat in nicht mehr verständlicher Weise eine Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG angenommen. Danach wird bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen oder einen so beschafften Aufenthaltstitel wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung; nach der im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung waren dieselben Handlungen auch mit Bezug auf eine Duldung mit Strafe bedroht). Dieser Straftatbestand lässt sich mit dem vorliegenden Sachverhalt auf keine denkbare Weise in Verbindung bringen, seine Anwendung überschreitet die Wortlautgrenze.
Da das Landgericht nicht zu erkennen gegeben hat, welches Verhalten des Beschwerdeführers es als Straftat ansieht - der bloße Verweis auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle genügt insoweit nicht -, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es liege nur ein Schreibfehler vor. Selbst wenn man annimmt, das Landgericht habe § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, nach dem bestraft wird, wer sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält, vollziehbar ausreisepflichtig ist und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist, heranziehen wollen, fehlten Ausführungen dazu, ob der Gewahrsam die Fortsetzung der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftat - ihr Vorliegen unterstellt - hätte verhindern können. Es kann demnach nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gekommen wäre.
2. Das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts beruhen auf einer falschen Vorstellung von dessen Bedeutung und Reichweite.
a) Die Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG gilt auch dann, wenn Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG zur Anwendung kommt.
Für den schwersten Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen) Gesetzes den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht. Der Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird (BVerfGE 105, 239 <248> m.w.N.). Diese praktische Wirksamkeit wird nur erreicht, wenn in jedem Fall, in dem die Freiheitsentziehung ohne vorherige richterliche Entscheidung ausnahmsweise zulässig ist, diese Entscheidung unverzüglich nachgeholt wird, wie es Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG fordert. Die Höchstfrist des Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG tritt nur als äußerste Grenze für das Festhalten ohne richterliche Anordnung zu der Verpflichtung, eine richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen, hinzu; die Vorschrift befreit aber nicht von dieser Verpflichtung (vgl. BVerfGE 105, 239 <249>).
Nichts anderes gilt für die Frist des Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Vorschrift besagt lediglich, dass die Freiheitsentziehung bei Personen, die wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommen worden sind, unzulässig wird, wenn sie nicht spätestens am Tag nach der Festnahme dem Richter vorgeführt werden. Das gilt selbst dann, wenn die Verzögerung unvermeidbar ist und gegen das Unverzüglichkeitsgebot nicht verstoßen wird. Damit lässt Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG die Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung unberührt. In Art. 104 Abs. 3 GG handelt es sich um Spezialbestimmungen für besondere Tatbestände, nämlich um die Sicherung einzelner Grundsätze des Strafrechts im Verfahren bei Freiheitsentziehungen. Diese Bestimmungen können es nicht rechtfertigen, den Wirkungsbereich der vorangestellten allgemeinen Regeln einzuschränken (vgl. BVerfGE 10, 302 <321 f.> ). Dass Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG mit Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG zusammenwirkt, ergibt sich auch daraus, dass das Grundgesetz die Vorschriften der Strafprozessordnung für den Fall der vorläufigen Festnahme durch die Polizeiorgane übernimmt (vgl. BVerfGE 9, 89 <100> ); in § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO ist aber seit dem Erlass der Strafprozessordnung die unverzügliche Vorführung vor den Amtsrichter angeordnet.
"Unverzüglich" ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (BVerfGE 105, 239 <249>). Nicht vermeidbar sind zum Beispiel Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind (vgl. BVerfGE 103, 142 <156>; 105, 239 <249>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2007 - 2 BvR 1206/04 -, NVwZ 2007, S. 1044 <1045>).
b) Das Landgericht verkennt die Bedeutung des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG, wenn es meint, die Vorschrift werde durch Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG als speziellere Regelung verdrängt, und deswegen nicht prüft, ob die richterliche Entscheidung unverzüglich herbeigeführt worden ist. Ob die Ansicht des Landgerichts zutrifft, Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG könne in Fällen präventivpolizeilicher Eingriffe gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG anwendbar sein, bedarf keiner Entscheidung.
c) Das Amtsgericht hat angenommen, dass die richterliche Entscheidung unverzüglich herbeigeführt worden sei. Dabei hat es jedoch lediglich darauf abgestellt, dass die richterliche Entscheidung spätestens am Tag nach der Festnahme erfolgt sei. Ob eine nicht sachlich begründete Verzögerung vorgelegen habe, untersucht es nicht. Dem Begriff "unverzüglich" ist damit ein verfassungsrechtlich unzutreffender Inhalt beigelegt worden.
Die Kammer hebt nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG den Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 22. Oktober 2007 auf und verweist die Sache an das Landgericht zurück.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 8
Bearbeiter: Stephan Schlegel