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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 360

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 699/06, Beschluss v. 15.04.2006, HRRS 2006 Nr. 360


BVerfG 2 BvR 699/06 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 15. April 2006 (OLG Stuttgart/LG Heilbronn)

Einstweilige Anordnung im Verfassungsbeschwerdeverfahren (Subsidiarität; Untätigkeitsbeschwerde; fehlende Bescheidung von Eilanträgen; Antrag auf Aussetzung einer Maßnahme im Strafvollzug im Rechtsbeschwerdeverfahren); Nichtannahmebeschluss.

§ 32 BVerfGG; § 114 StVollzG

Leitsatz des Bearbeiters

Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist in der Regel nicht im Sinne von § 32 BVerfGG dringend geboten, wenn vorläufiger Rechtsschutz auch durch Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann (vgl. BVerfGE 37, 150, 151). Dies gilt auch für den Fall, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen eine Maßnahme im Strafvollzug eine Aussetzung dieser Maßnahme nach § 114 Abs. 2 StVollzG beantragt werden kann.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1. Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

a) Sie richtet sich im Wesentlichen gegen die - früheren und derzeitigen - Unterbringungsbedingungen des Beschwerdeführers in der Justizvollzugsanstalt H. und den diesbezüglichen Beschluss des Landgerichts vom 31. Januar 2006. Insoweit ist aber der Rechtsweg nicht erschöpft. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 22. Februar 2006 hat das Oberlandesgericht nur über die gegen die Untätigkeit des Landgerichts gerichteten Beschwerden vom 9. September 2003 und vom 27. September 2005 entschieden, nicht dagegen, wie der Beschwerdeführer irrtümlich annimmt, auch über seine Rechtsbeschwerde gegen die vom Landgericht inzwischen getroffene Sachentscheidung. Angesichts der danach fehlenden Rechtswegerschöpfung ist die Verfassungsbeschwerde auch insoweit unzulässig, als sie sich mittelbar gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 201 StVollzG wendet.

b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Februar 2006 richtet, wird eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert geltend gemacht. Die Feststellung, die Untätigkeitsbeschwerde sei infolge der Entscheidung des Landgerichts erledigt, wird durch die pauschale Behauptung des Gegenteils nicht in Frage gestellt. In der Nichtberücksichtigung des Vorbringens der Rechtsbeschwerde vom 22. Februar 2006 liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch offensichtlich kein Gehörsverstoß, da der Beschluss über dieses - beim Oberlandesgericht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch gar nicht eingegangene - Rechtsmittel nicht entschieden hat. Auch gegen den weiteren Inhalt des Beschlusses, der sich ausschließlich mit einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch überlange Verfahrensdauer befasst, erhebt die Verfassungsbeschwerde keine substantiierten Einwände.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Beschwerdeführer sinngemäß eine umgehende anderweitige Unterbringung (insbesondere mit abgetrennten sanitären Einrichtungen und größerem Lichteinfall) sowie ein Rauchverbot in den Gemeinschaftsräumen begehrt, erledigt sich im vorliegenden Fall nicht mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde. Bei verständiger Würdigung zielt der Antrag auf die vorläufige Sicherung eines Anspruchs, der noch nicht Gegenstand der - vom Beschwerdeführer missverstandenen, tatsächlich allein seine Untätigkeitsbeschwerde betreffenden - Entscheidung des Oberlandesgerichts war; er verfolgt ein von der vorliegenden Verfassungsbeschwerde unabhängiges Anliegen und ist als der Sache nach isolierter Antrag nach § 32 BVerfGG gesondert zu bescheiden. Der Antrag hat indes keinen Erfolg. Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist in der Regel nicht im Sinne von § 32 BVerfGG dringend geboten, wenn vorläufiger Rechtsschutz auch durch Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann (vgl. BVerfGE 37, 150 <151>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 1999 - 2 BvR 2039/99 -, NStZ 2000, S. 166 f.). Davon ist hier auszugehen. Zwar hat der Beschwerdeführer bereits am 18. Oktober 2003 und 5. August 2005 beim Landgericht Eilrechtsschutz beantragt, ohne dass das Gericht darüber entschieden hätte. Das Landgericht hat vielmehr erst mit Beschluss vom 31. Januar 2006 auf die Eilanträge hin eine Hauptsacheentscheidung getroffen. Nachdem der Beschwerdeführer gegen die das erstinstanzliche Verfahren abschließende Entscheidung des Landgerichts aber unter dem 22. Februar 2006 Rechtsbeschwerde eingelegt hat, ist die Sache beim Oberlandesgericht anhängig, welches als Gericht der Hauptsache nunmehr auch für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 114 Abs. 2 StVollzG zuständig ist (vgl. AK-StVollzG-Feest/Volckart, 4. Auflage, § 114 Rn. 10; Schuler, in: Schwind/Böhm (Hrsg.), StVollzG, 3. Auflage, § 114 Rn. 11; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 114 Rn. 5, § 116 Rn. 7 a.E.; Ullenbruch, NStZ 1993, S. 517 f.). Ob in der Entscheidung des Landgerichts zur Hauptsache eine stillschweigende Ablehnung auch der Eilanträge zu sehen ist, wie das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 22. Februar 2006 annimmt (vgl. zur Behandlung von zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung noch nicht beschiedenen Eilanträgen BVerwGE 39, 229 <230>; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 80 Rn. 142), ist hier nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit, beim Oberlandesgericht einen neuen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu stellen. Davon hat er bisher keinen Gebrauch gemacht.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 360

Bearbeiter: Stephan Schlegel