HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 421
Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 332/05, Beschluss v. 12.05.2005, HRRS 2005 Nr. 421
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Voraussetzungen von Anordnung und Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft bei jugendlichen Beschuldigten.
1. Der Beschwerdeführer, ein 17-jähriger Jugendlicher, wurde auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 17. November 2004 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird die Beteiligung an Planung und Ausführung eines Bankraubes zur Last gelegt. Zur Begründung für die Annahme von Fluchtgefahr führt der Haftbefehl aus, dass beim Jugendschöffengericht noch drei weitere Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer anhängig seien, die Staatsanwaltschaft darüber hinaus ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen einer gemeinschaftlich begangenen Raubtat führe. Die letztlich zu erwartende Verhängung einer hohen Haftstrafe sowie die griechische Abstammung des Vaters des Beschwerdeführers begründeten die Gefahr, dass er sich zu Vewandten nach Griechenland absetzen und damit dem Strafverfahren entziehen werde. Angesichts der aus der Vielzahl der begangenen Straftaten ablesbaren kriminellen Energie sowie einer daraus resultierenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten erweise sich die Anordnung von Untersuchungshaft auch als verhältnismäßig.
Den Haftbefehl hat der nach der Geschäftsverteilung zuständige Ermittlungsrichter M. des Amtsgerichts Mönchengladbach erlassen, dem über die Zuständigkeit "in Gs-Sachen in Straf- und Bußgeldverfahren betreffend Jugendliche und Heranwachsende (als Jugendrichter)" hinaus keine weiteren jugendrichterlichen Geschäfte im Jahr 2004 zugewiesen waren.
2. Mit Haftbeschwerde vom 1. Dezember 2004 rügte der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei Erlass des Haftbefehls. Nach § 34 Abs. 1 JGG in Verbindung mit § 162, § 125 Abs. 1 StPO sei hiermit zwingend ein Jugendrichter zu betrauen. Demgegenüber habe der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Mönchengladbach für das Jahr 2004 die Aufgaben des Ermittlungsrichters bei Strafverfahren gegen Jugendliche keinem Jugendrichter zugewiesen. Durch den Geschäftsverteilungsplan lasse sich im Übrigen bei einem ansonsten nur im Bereich des Erwachsenenstrafrechts tätigen Ermittlungsrichter die Funktion eines Jugendrichters nicht begründen. Schließlich sei fälschlich vom Vorliegen von Fluchtgefahr beim Beschwerdeführer ausgegangen worden.
3. Das Landgericht Mönchengladbach verwarf die Haftbeschwerde mit Beschluss vom 8. Dezember 2004 als unbegründet. Der Beschwerdeführer sei seinem gesetzlichen Richter nicht entzogen worden, da den Haftbefehl der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Mönchengladbach zuständige Jugendrichter erlassen habe. In Strafverfahren, die sich gegen Jugendliche richteten, werde der zuständige Ermittlungsrichter "als Jugendrichter" tätig. § 34 Abs. 1 JGG enthalte insoweit keine zwingende gesetzliche Vorgabe. Darüber hinaus sähen § 102 JGG, § 120 GVG gesetzliche Ausnahmen zu § 34 Abs. 1 JGG vor. Schließlich verfüge der zuständige Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Mönchengladbach auf Grund der Vielzahl der von ihm bearbeiteten Haftsachen bei Jugendlichen über die notwendige Sachkunde und Erfahrung. Dringender Tatverdacht und Fluchtgefahr lägen beim Beschwerdeführer weiterhin vor.
4. Die gegen diesen Beschluss am 24. Dezember 2004 erhobene weitere Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 2. Februar 2005 als unbegründet. Der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Mönchengladbach verstoße zwar gegen § 34 Abs. 1 JGG und sei daher unwirksam. Der Beschwerdeführer sei mithin seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Eine Heilung des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erlaube auch nicht § 22d GVG, da die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ihrerseits das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Geschäftsverteilungsplans voraussetze. Zu einer Aufhebung des Haftbefehls führe der Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters vorliegend allerdings nicht. Einerseits schließe die Rechtsnatur eines gerichtlichen Geschäftsverteilungsplans dessen Anfechtbarkeit aus. Andererseits sei das Amtsgericht beim Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan nur durch das Willkürverbot gebunden gewesen. Anhaltspunkte für Willkür seien auf Grund der organisatorischen Überlegungen, die das Gericht zur Verteilung der richterlichen Geschäfte angestellt habe, nicht ersichtlich. Nach wie vor bestehe beim Beschwerdeführer der Haftgrund der Fluchtgefahr.
5. Nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde hat die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach am 7. März 2005 gegen den Beschwerdeführer Anklage zur Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach erhoben, vor der am 9. März 2005 ein mündlicher Haftprüfungstermin stattfand, bei dem der Haftbefehl des Amtsgerichts Mönchengladbach aufrechterhalten und Haftfortdauer angeordnet wurde. Eine gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2. Februar 2005 erhobene Gegenvorstellung wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14. März 2005 als nunmehr gegenstandslos zurück, da die weitere Beschwerde durch die neuerliche Haftentscheidung der Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach prozessual überholt und nur die jeweils letzte, den Bestand des Haftbefehls betreffende Haftentscheidung anfechtbar sei.
Mit der am 28. Februar 2005 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 4 EMRK.
Wie bereits das Oberlandesgericht im Beschluss vom 2. Februar 2005 im Hinblick auf § 34 Abs. 1 JGG zu Recht festgestellt habe, sei der Beschwerdeführer bei Erlass des Haftbefehls seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Wenn das Oberlandesgericht dagegen weiter annehme, dass nur bei einer willkürlichen Fassung des Geschäftsverteilungsplans des Amtsgerichts ein zur Aufhebung des Haftbefehls führender Verstoß gegen den gesetzlichen Richter vorliege, verkenne es Inhalt und Reichweite der Garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ebenso habe das Landgericht im Rahmen der Entscheidung über die Haftbeschwerde § 34 Abs. 1 JGG falsch interpretiert und dabei den Bedeutungsgehalt von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt. Weiter hätte zur Begründung der beim Beschwerdeführer vorliegenden Fluchtgefahr die Tatsache nicht berücksichtigt werden dürfen, dass gegen ihn weitere Strafverfahren anhängig seien, da sein Verteidiger entgegen Art. 5 Abs. 4 EMRK und dem Grundsatz des fairen Verfahrens in deren Akten keine Akteneinsicht erhalten habe. Dies stelle gleichzeitig einen Verstoß gegen Art. 104 GG dar.
Zugleich beantragt der Beschwerdeführer, ihn im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Verfassungsbeschwerde sei weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Im Rahmen der anzustellenden Folgenabwägung spreche zu seinen Gunsten, dass er nur im Falle der unverzüglichen Entlassung aus der Untersuchungshaft die Möglichkeit besäße, dieses Schuljahr mit dem Hauptschulabschluss abzuschließen.
In Ergänzung der ursprünglichen Verfassungsbeschwerde beantragte der Beschwerdeführer am 11. März 2005 nunmehr die Haftfortdauerentscheidung der Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 9. März 2005 in die Verfassungsbeschwerde einzubeziehen. Die verfassungsrechtlichen Mängel der vorausgegangenen Haftentscheidungen schlügen auch auf den neuerlichen Beschluss durch. Bereits der ursprüngliche Haftbefehl verletze die Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Damit scheide eine Heilung durch zeitlich nachfolgende Haftentscheidungen aus. Dem Vollzug der Untersuchungshaft fehle es nach wie vor an einer rechtlichen Grundlage.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und hat daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>).
1. Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist die Erhebung der Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtsweges zulässig. Bezogen auf den letzten, ausdrücklich mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss der Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 9. März 2005 im Verfahren der mündlichen Haftprüfung nach § 117 Abs. 1 StPO sind die von der Strafprozessordnung eröffneten Rechtsbehelfe der Beschwerde und der weiteren Beschwerde gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2, § 304, § 310 StPO vom Beschwerdeführer bislang nicht ausgeschöpft worden. Mithin ist dem Gebot der Rechtswegerschöpfung - jedenfalls bislang - nicht Genüge getan.
2. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus auch den Haftbefehl vom 17. November 2004 sowie die diesen bestätigenden Beschlüsse des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. Dezember 2004 und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2005 mit der Verfassungsbeschwerde angreift, ist durch den nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde ergangenen Beschluss der Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 9. März 2005 prozessuale Erledigung eingetreten. Ausschließlich die zeitlich letzte Haftentscheidung bildet die Grundlage für den Vollzug der Untersuchungshaft, während die vorangegangenen Haftentscheidungen die Haftfortdauer beim Beschwerdeführer nicht mehr zu beeinflussen vermögen (zum Grundsatz der Anfechtbarkeit nur der zeitlich letzten, den Bestand des Haftbefehls betreffenden gerichtlichen Entscheidung, vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 117 Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, § 117 Rn. 8, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung). Dem Beschwerdeführer fehlt für die Aufhebung vorangegangener Haftentscheidungen sonach in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis.
Ausnahmsweise besteht das Rechtsschutzbedürfnis trotz des Eintritts prozessualer Überholung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren allerdings in denjenigen Fällen fort, in denen andernfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe und der gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend wirken würde, wenn eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen wäre oder wenn die gegenstandslose Maßnahme den Beschwerdeführer auch weiterhin beeinträchtigte (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 2004 - 2 BvR 785/04 -, EuGRZ 2004, S. 437 ff. und vom 24. September 2002 - 2 BvR 66/01 -, NJW 2003, S. 1175; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2000 - 2 BvR 1730/99 - <juris>, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die genannten Voraussetzungen liegen indes im vorliegenden Verfahren nicht vor, soweit Verstöße gegen Art. 104 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 5 Abs. 4 EMRK gerügt werden. Im Übrigen kann die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde dahin gestellt bleiben, weil sie in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat.
a) Der Beschwerdeführer begründet die behauptete Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen in erster Linie mit einer Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
aa) Seinem Gewährleistungsinhalt nach möchte Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG mit der Garantie des gesetzlichen Richters der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst werden kann, gleichgültig von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht (BVerfGE 95, 322 <327> m.w.N.; stRspr). Die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters erfordert daher, dass im einzelnen durch gesetzliche Regelung und gerichtliche Geschäftsverteilung bestimmt werden muss, wer im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG "gesetzlicher" Richter ist. Zugleich besteht ein Verbot, von Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, abzuweichen (BVerfG, a.a.O.).
Adressat der Garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist neben den Organen der Legislative und der Exekutive auch die Judikative selbst. Die Schutzfunktion des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entfaltet sich daher auch nach "innen", mit der Folge, dass niemand durch gerichtliche Maßnahmen dem in seiner Sache gesetzlich berufenen Richter entzogen werden darf (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 82, 286 <298>; stRspr).
Während bei gezielten Einmischungen der Legislative oder der Exekutive eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters zumeist offenkundig vorliegt, ist dies bei Entscheidungen der rechtsprechenden Gewalt, in denen normative Zuständigkeitsregeln angewandt werden, nicht ohne weiteres der Fall. Denn nicht jede fehlerhafte Anwendung derartiger Regeln stellt zugleich auch eine Verfassungsverletzung dar. Wäre dies anders, würde die Anwendung einfachen Rechts auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben. Ein Verfassungsverstoß ist bei Zuständigkeitsentscheidungen der Judikative folglich nur dann gegeben, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm willkürlich erfolgt oder offensichtlich unhaltbar ist, ferner wenn die Gerichte bei ihrer Entscheidung Inhalt und Reichweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennen (BVerfGE 82, 286 <299> m.w.N.). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bietet somit nur Schutz gegen Willkür, nicht hingegen gegen Irrtum (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 1995 - 2 BvR 1406/94 -, NJW 1995, S. 2913 f.).
bb) Für Strafverfahren gegen Jugendliche legt § 34 Abs. 1 JGG fest, dass die Aufgaben, die im Bereich des Erwachsenenstrafrechts dem Richter beim Amtsgericht zukommen, dem Jugendrichter obliegen. Damit ist gemäß § 125 Abs. 1, § 162 Abs. 1 StPO nur der Jugendrichter für den Erlass von Haftbefehlen gegen Jugendliche sowie für weitere richterliche Untersuchungshandlungen zuständig. Gemäß § 37 JGG sollen Jugendrichter über spezifische Befähigung und Erfahrung in der Erziehung von Jugendlichen verfügen. Ziel der gesetzlichen Regelung ist es, das gesamte Jugendgerichtsverfahren beginnend bereits mit dem Ermittlungsverfahren bei einem Richter mit besonderer Sachkunde und Erfahrung zu konzentrieren (vgl. Eisenberg, JGG, 10. Aufl. 2004, § 34 Rn. 7). Hiervon bestehen jedoch von Gesetzes wegen verschiedene Ausnahmen. So fehlt es an der Entscheidungskonzentration auf einen Jugendrichter dann, wenn bei bestimmten schweren Straftaten die Jugendkammer gemäß § 41 JGG zur erstinstanzlichen Entscheidung berufen ist. Ferner sieht § 72 Abs. 6 JGG die Möglichkeit der Übertragung die Untersuchungshaft betreffender richterlicher Entscheidungen auf einen anderen Jugendrichter aus wichtigem Grund vor. Schließlich ist in den Fällen der § 102 JGG, § 120 GVG die jugendrichterliche Zuständigkeit insgesamt zugunsten der allgemeinen Strafgerichtsbarkeit aufgehoben.
cc) Ausgehend von dem jugendstrafrechtlichen Grundgedanken der Verfahrenskonzentration (vgl. Eisenberg, a.a.O.) wird in der Literatur die Auffassung vertreten, § 34 Abs. 1 JGG schließe eine gerichtliche Geschäftsverteilung aus, bei der einem Richter ausschließlich jugendrichterliche Geschäfte im Ermittlungsverfahren übertragen werden, er folglich als "Jugendermittlungsrichter" tätig wird (Brunner/Dölling, JGG, 11. Aufl. 2002, § 34 Rn. 2; Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 2 f.; Eisenberg, JGG, 10. Aufl. 2004, § 34 Rn. 5 f.; Ostendorf, JGG, 6. Aufl. 2003, § 34 Rn. 2). Diesem Ansatz folgt auch die zu § 34 Abs. 1 JGG ergangene Rechtsprechung (LG Göttingen, NdsRPfl 1977, S. 218 f.; OLG Köln, Zbl 1981, S. 34; VG Schleswig, NVwZ-RR 1992, S. 111 f.).
b) Ob und inwieweit § 34 Abs. 1 JGG angesichts der aufgezeigten gesetzlichen Ausnahmeregelungen und eines fehlenden gesetzlichen Verbots des "Jugendermittlungsrichters" zwingend eine gerichtliche Geschäftsverteilung ausschließt, bei der ein Richter ausschließlich mit jugendrichterlichen Tätigkeiten im Ermittlungsverfahren betraut wird, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Jedenfalls bestehen, worauf das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 2. Februar 2005 zu Recht hingewiesen hat, im vorliegenden Verfahren keine Anhaltspunkte dahingehend, dass das Präsidium des Amtsgerichts Mönchengladbach beim Beschluss über die Geschäftsverteilung des Jahres 2004 willkürlich gehandelt hat. Da Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerade den Schutz vor manipulativer Einflussnahme auf die gerichtliche Zuständigkeit im Einzelfall bezweckt, vorliegend mit der Bestimmung des Richters M. als Ermittlungsrichter in Jugendsachen ohne konkreten Bezug zum Strafverfahren des Beschwerdeführers eine an abstrakten Kriterien orientierte, im vorhinein getroffene Zuständigkeitsentscheidung vorliegt, hat das Amtsgericht überdies auch Inhalt und Reichweite der Garantie des gesetzlichen Richters nicht grundlegend verkannt. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist deshalb nicht verletzt.
3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 421
Externe Fundstellen: NStZ 2005, 643; NStZ-RR 2005, 279
Bearbeiter: Stephan Schlegel