Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 411/00, Beschluss v. 14.12.2004, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Telekommunikationsgesetz.
1. Das Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120; TKG a.F.) stellte ebenso wie zuvor das Gesetz über Fernmeldeanlagen (zuletzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 1989 (BGBl I S. 1455) die Mitteilung einer geheimhaltungsbedürftigen Nachricht unter Strafe. § 95 TKG a.F. lautete:
Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 86 Abs. 1 oder 2 eine Nachricht abhört oder den Inhalt einer Nachricht oder die Tatsache ihres Empfangs einem anderen mitteilt.
§ 86 TKG a.F. hatte folgenden Wortlaut:
§ 86 Abhörverbot, Geheimhaltungspflicht der Betreiber von Empfangsanlagen
Mit einer Funkanlage dürfen Nachrichten, die für die Funkanlage nicht bestimmt sind, nicht abgehört werden. Der Inhalt solcher Nachrichten sowie die Tatsache ihres Empfangs dürfen, auch wenn der Empfang unbeabsichtigt geschieht, auch von Personen, für die eine Pflicht zur Geheimhaltung nicht schon nach § 85 besteht, anderen nicht mitgeteilt werden. ... Das Recht, Funkaussendungen zu empfangen, die für die Allgemeinheit oder einen unbestimmten Personenkreis bestimmt sind, sowie das Abhören und die Weitergabe von Nachrichten auf Grund gesetzlicher Ermächtigung bleibt unberührt.
Das Verbot der Mitteilung von Nachrichten, die für die betreffende Funkanlage nicht bestimmt sind, ist nunmehr in § 89 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juni 2004 (BGBl I S. 1189; TKG n.F.) geregelt. Den Straftatbestand enthält § 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG n.F.
2. Der Beschwerdeführer ist von Beruf Journalist und war zur Tatzeit freier Mitarbeiter beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB). Im Mai 1998 strahlte der ORB in der Fernsehsendung "Klartext" einen Beitrag aus, dessen Verfasser und Redakteur der Beschwerdeführer war. Er hatte erfahren, dass das Polizeipräsidium Potsdam angeblich bei Abschleppmaßnahmen bestimmte Unternehmen bevorzuge. Der Beschwerdeführer erstellte hierzu einen Sendebeitrag. Er filmte einen Abschleppunternehmer, wie er in seinem Abschleppfahrzeug heranfuhr und am Rand der Autobahn parkte. Im Sendebeitrag hieß es dazu: "Meist postiert er sich auf einem einsamen Parkplatz nahe dem Autobahnkreuz Werder. Dort wartet er auf einen aufgeschnappten Funkspruch, um rechtzeitig am Unfall- oder Pannenort zu sein." Im Anschluss daran ist aus dem Polizeifunk der Satz "Einstein an Einstein 3122 kommen" aus dem Inneren des Abschleppautos mit dem für Funksprüche üblichen Rauschen und einer gewissen Verzerrung zu hören und gleichzeitig dazu die Stimme des Abschleppunternehmers, der sagte: "Manchmal passiert viel, manchmal passiert gar nichts." Später heißt es dann in dem Beitrag: "Klartext liegt eine Polizeifunkaufnahme vor, die zeigt, wie Beamte dem ADAC zuweilen unter die Arme greifen." Es waren dann die Sätze zu hören: "Ich habe jetzt mit dem Bürger noch mal gesprochen. Er wäre bereit, vor Ort ADAC-Mitglied zu werden". In dem Filmbericht wurden diese Sätze als Polizeifunkaufnahmen angekündigt.
3. a) Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TKG a.F. zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 60 DM.
Der Beschwerdeführer habe als verantwortlicher Redakteur und Verfasser im Sinne des Pressegesetzes des Landes Brandenburg in einer Fernsehsendung unbefugt aus dem Polizeifunk abgehörte Sätze ausgestrahlt. Adressat des Abhörverbots nach § 86 Satz 1 TKG a.F. seien all diejenigen, für deren Funkanlage die Nachricht nicht bestimmt sei. Somit schütze § 86 TKG a.F. den hoheitlichen Polizeifunk gegen jegliches Abhören Unbefugter. Die Erstreckung des Geheimnisschutzes auf die Weitergabe illegal erlangter Nachrichten verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Der Kreis der Normadressaten sei bei § 86 Satz 4 TKG a.F. klar beschränkt.
Der Schutzzweck von § 95 TKG a.F. gebiete keine einschränkende Auslegung. § 95 TKG a.F. schütze das öffentlich gesprochene Wort der Hoheitsträger im Telekommunikationsbereich in erster Linie um der Funktionsfähigkeit der Hoheitsgewalt willen. Mit diesem Zweck sei vereinbar, dass § 95 TKG a.F. den geschützten Nachrichteninhalt zum Zweck eines optimalen Schutzes der Funktionsfähigkeit der Hoheitsgewalt nicht einschränke und ihn auch nicht auf solche Nachrichten beschränke, die die Hoheitsgewalt bei der rechtmäßigen Ausübung ihrer Befugnisse übermittele.
Das Handeln des Beschwerdeführers sei nicht gerechtfertigt. Es käme zwar eine analoge Anwendung von § 193 und § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB als Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Pressefreiheit in Betracht. Die für eine Analogie erforderliche Interessenidentität sei gegeben, doch scheitere eine sinngemäße Anwendung daran, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Das Telekommunikationsgesetz sei das jüngere Gesetz gegenüber § 201 StGB. Der Gesetzgeber habe mit den §§ 85 ff. TKG a.F. den Geheimnisschutz der Telekommunikation gegenüber den entsprechenden Vorschriften des Fernmeldeanlagengesetzes gerade erweitert. Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Geheimnisschutzes des Telekommunikationswesens bewusst auf die Schaffung derartiger Rechtfertigungsgründe verzichtet habe. Bei der Strafzumessung sei zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass er die Tat begangen habe, weil er sich als Aufklärungsjournalist dazu verpflichtet gefühlt habe, illegale Machenschaften des Polizeipräsidiums Potsdam ans Licht zu bringen.
b) Die Berufung des Beschwerdeführers verwarf das Landgericht. Das angefochtene Urteil sei sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere habe das Amtsgericht Rechtfertigungsgründe zutreffend abgelehnt. Um eine von dem Beschwerdeführer befürchtete Gefahr abzuwenden, sei eine Veröffentlichung der abgehörten Nachricht nicht erforderlich gewesen. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sei deutlich, dass ein Bericht über das Thema ohne einen Mitschnitt des Polizeifunks für den von dem Beschwerdeführer erstrebten Zweck ausgereicht hätte.
4. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 und Abs. 2 GG.
Neben der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sei auch die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk verletzt. Die fraglichen, Art. 5 Abs. 1 GG einschränkenden Normen des Telekommunikationsgesetzes seien verfassungswidrig und einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich. § 86 TKG a.F. sei nicht ausreichend bestimmt. Das Tatbestandsmerkmal "für die Funkanlage nicht bestimmt" in § 86 Satz 1 TKG a.F. bedürfe einer Ausfüllung. Maßgeblich sei allein die subjektive Bestimmung durch den Sendenden. Für den Abhörenden und für den einen abgehörten Inhalt Verbreitenden sei daher nicht erkennbar, wann sein Verhalten mit Strafe bedroht sei. Die Norm enthalte weder eine exakte Festlegung des strafbaren Verhaltens noch könne sie verhaltensdeterminierende Wirkung entfalten. Es sei zudem zweifelhaft, ob ein gesetzlicher Eingriff in Art. 5 Abs. 1 GG zum Schutz des hoheitlichen Funkverkehrs erforderlich und angemessen sei.
Die Gerichte seien außerdem ohne nähere Feststellungen davon ausgegangen, dass es sich um rechtswidrig beschaffte Informationen gehandelt habe. Die Verbreitung von rechtmäßig erlangten Informationen sei grundsätzlich immer von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Bei der Verbreitung von rechtswidrig erlangten Informationen sei eine Zweck-Mittel-Abwägung vorzunehmen. Es habe sich um einen Beitrag zur Kontrolle der Handlungsweise der Polizei gehandelt. Die Verbreitung von rechtswidrig erlangten Informationen sei gerechtfertigt, wenn - wie hier - ein überragend öffentliches Interesse zur Aufdeckung von Missständen bestehe.
Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Voraussetzungen des § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TKG a.F. im Verhältnis zu § 201 StGB deutlich geringer seien. Es fehle eine Bagatellklausel und zum anderen ein spezieller Rechtfertigungsgrund. Schließlich habe das Landgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Es habe bei der Entscheidung über die Annahme der Berufung einen zu strengen Maßstab angelegt. Es habe den Berufungsvortrag entstellt und nicht ausreichend berücksichtigt. Tatsachenfeststellung und Tatsachenwürdigung seien fehlerhaft.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die Frage, ob die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt, hat das Bundesverfassungsgerichts schon beantwortet (vgl. BVerfGE 66, 116 <137>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Entscheidungen greifen in die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein, ohne das Grundrecht jedoch zu verletzen.
a) Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, dass der Rundfunk frei von externer Einflussnahme entscheiden kann, wie er seine publizistische Aufgabe erfüllt (vgl. BVerfGE 97, 298 <310>; vgl. auch BVerfGE 107, 299 <329>). Auf die Rundfunkfreiheit können sich auch die Mitarbeiter des Rundfunkveranstalters berufen (vgl. BVerfGE 77, 65 <74>; 91, 125 <134>; 107, 299 <312, 329>). Die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der rundfunkmäßigen Verbreitung eines Beitrags, für den er als Verfasser und Redakteur verantwortlich war, ist ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit.
Der Schutz des Grundrechts entfällt nicht deshalb, weil Anlass der Verurteilung die Veröffentlichung des unbefugt mitgeschnittenen Polizeifunks war. Auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. - für die Pressefreiheit - BVerfGE 66, 116 <137>). Sie kann ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung der Allgemeinheit sein, etwa durch Information über Missstände von öffentlicher Bedeutung (vgl. BVerfGE 60, 234 <240 f.>; 66, 116 <137>). Die vom Bundesverfassungsgericht dazu für die Pressefreiheit angestellten Überlegungen gelten in gleicher Weise für die Rundfunkfreiheit. Angesichts der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen kann in solchen Fällen erst im Rahmen der Schrankenproblematik geklärt werden, ob die Verbreitung auch der rechtswidrig erlangten Information verfassungsgeschützt ist (vgl. BVerfGE 66, 116 <137 f.>).
b) Die Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG finden gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TKG a.F. gehört. Durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit diese Normen sind nicht ersichtlich.
aa) § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TKG a.F. ist ausreichend bestimmt.
Der in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene Grundsatz, dass eine Straftat vor Tatbegehung gesetzlich bestimmt sein muss, ist eine Ausprägung des allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes (vgl. BVerfGE 49, 168, 181; 78, 374 <381 ff.>). Der Einzelne soll von vornherein wissen, was strafrechtlich verboten ist und welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen das Verbot droht, damit er in der Lage ist, sein Verhalten danach einzurichten (vgl. BVerfGE 87, 363 <391 f.>; 105, 135 <153>). Nach Auffassung des Beschwerdeführers sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die Adressaten der Norm des § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TKG a.F. nicht entnehmen könnten, welches Verhalten strafbar sei. § 86 Satz 2 TKG a.F. verbiete die Mitteilung des Inhalts von Nachrichten, die für die Funkanlage nicht bestimmt seien, mithin von Nachrichten im Sinne von § 86 Satz 1 TKG a.F. Der Abhörende wisse aber letztlich nicht, ob er auf der jeweiligen Frequenz die dort verbreitete Nachricht empfangen dürfe oder nicht.
Es mag Fälle geben, in denen es für den Empfänger nur schwer feststellbar ist, ob die Nachrichten für die Funkanlage bestimmt sind. Deshalb berücksichtigen die fachgerichtliche Rechtsprechung und überwiegend auch die Literatur die Schwierigkeit der Erkennbarkeit und sehen nur solche Nachrichten als nicht für die Funkanlage bestimmt an, die sich erkennbar weder an den Inhaber der Anlage oder Empfänger als Einzelperson noch an ihn als Repräsentanten der Allgemeinheit oder eines unbestimmten Personenkreises richten (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, BayObLGSt 1999, 33 <34>; Amtsgericht Burgdorf, CR 1998, S. 223 <224>; vgl. Baumeister, ZUM 2000, S. 114 <116>; Ulmen, in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 2002, § 86 Rn. 5; vgl. auch Geppert/Ruhle/Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, 1998, Rn. 579; Schmidt/Königshofen/Zwach, Telekommunikationsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 6. Ergänzungslieferung, 2000, § 86 Rn. 3; Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 2001, § 86 Rn. 8).
bb) Die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Normen folgt auch nicht daraus, dass der Schutz des Funkverkehrs auch anders als durch ein strafbewehrtes Verbot des Abhörens gewährleistet werden könnte, etwa durch Nutzung der von dem Beschwerdeführer angeführten Verschlüsselungstechniken. Ein solcher technischer Schutz ist kein milderes Mittel gegenüber einem strafbewehrten Abhör- und Mitteilungsverbot, weil er begrenzter wirkt und deswegen nicht gleich geeignet ist.
cc) § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TGK a.F. verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht schon deshalb, weil diese Norm anders als § 201 Abs. 2 Satz 2, 3 StGB eine Bagatellklausel und einen besonderen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen nicht kennt.
Vergleichbare Sachverhalte liegen nicht vor. Schutzgegenstand bei § 201 StGB ist das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen. Diese Norm schützt die Eigensphäre des Menschen, in der die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation gesichert werden soll (vgl. Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 24. Aufl., 2001, § 201 Rn. 1; Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 52. Aufl., 2004, § 201 Rn. 2). Schutzgut des § 201 StGB ist daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Demgegenüber schützt § 95 in Verbindung mit § 86 TKG a.F. das öffentlich gesprochene Wort der Hoheitsträger im Telekommunikationsbereich um der Funktionsfähigkeit der Hoheitsgewalt willen. In diesem Zusammenhang geht es um den Schutz von Nachrichten, die in der Öffentlichkeit unter Zuhilfenahme technischer Mittel mitgehört werden und insofern ohne Willen des Teilnehmers zur Kenntnis eines Unbefugten gelangen können (vgl. Kalf, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Band 4, 152. Ergänzungslieferung, 2004, § 86 Rn. 1; Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 2001, § 86 Rn. 1). Die Unterschiedlichkeit des Schutzguts und Schutzanlasses rechtfertigen im Rahmen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit unterschiedliche Regelungen.
Im Übrigen gibt es auch im Zuge der Anwendung von § 95 in Verbindung mit § 86 Abs. 2 TKG a.F. Möglichkeiten der Rechtfertigung eines Abhörens und der Verbreitung des Abgehörten. So können Verstöße gegen die beiden Tatbestandsvarianten des § 95 TKG a.F. durch die allgemein anwendbaren Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt sein (vgl. Kalf, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 4, 152. Ergänzungslieferung, 2004, § 86 Rn. 8). Ob sie zum Schutz kollidierender Rechtsgüter ausreichen, lässt sich nicht abstrakt prüfen, sondern muss gegebenenfalls im konkreten Anwendungsfall geklärt werden.
c) Die Anwendung der Normen in den angegriffenen Entscheidungen begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) Es ist allgemein bekannt und daher für den Benutzer einer Funkanlage ohne weiteres erkennbar, dass der Inhalt von Polizeifunk nicht für die Allgemeinheit bestimmt ist. Besondere Schwierigkeiten der Erkennbarkeit des Verbots mussten die Fachgerichte daher nicht berücksichtigen.
bb) Das vom Landgericht gefundene Ergebnis der Abwägung zwischen dem Schutz des Funkverkehrs und der Rundfunkfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Journalisten können sich auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe berufen, die unter Berücksichtigung der Bedeutung der Rundfunkfreiheit für die Demokratie auszulegen und anzuwenden sind. Zu diesen Rechtfertigungsgründen gehört die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB (vgl. Bullinger in: Löffler, Presserecht, 4. Aufl., 1997, § 3 LPG Rn. 23). Allerdings kommt nach überwiegender Auffassung eine unmittelbare Anwendung des § 193 StGB nur dann in Betracht, wenn zugleich mit dem Tatbestand des Mitteilens nach § 86 Satz 2 TKG a.F. auch Beleidigungsdelikte verwirklicht werden (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl., 2001, § 193 Rn. 3 m.w.N.; Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 52. Aufl., 2004, § 193 Rn. 4 m.w.N.). Die Gerichte im Ausgangsverfahren haben dementsprechend eine sinngemäße Anwendung von § 193 StGB abgelehnt.
Es kann dahinstehen, ob diese restriktive Auslegung grundsätzlich hinreichend der Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf den Inhalt der Strafrechtsnormen Rechnung trägt. Selbst bei einer erweiternden oder analogen Anwendung von § 193 StGB könnte die ausnahmsweise Rechtmäßigkeit der Verbreitung des unbefugt abgehörten Wortes aber nur auf Grund einer Abwägung der betroffenen Interessen angenommen werden (zum Erfordernis einer Abwägung bei Eingriffen in die Äußerungsfreiheit vgl. BVerfGE 85, 248 <263>; 93, 266 <293 f.>). Eine solche Abwägung ist hier erfolgt und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu Lasten des Beschwerdeführers ausgegangen.
Das Landgericht hat die für eine Abwägung verfassungsrechtlich maßgeblichen Gesichtspunkte zwar nur kurz angedeutet, im Ergebnis aber die Rechtspositionen verfassungsrechtlich vertretbar bewertet. Dabei hat das Landgericht die Bedeutung der Geheimhaltung des Polizeifunks gewürdigt und diesem Interesse den Vorrang vor dem Öffentlichkeitsinteresse zuerkannt (vgl. auch BVerfGE 21, 239 <244>). Hierbei hat es darauf abgestellt, dass im vorliegenden Fall über den Missstand auch anders hätte berichtet werden können.
Zwar gehört zur Medienfreiheit grundsätzlich auch das Recht der Medien und ihrer Mitarbeiter selbst zu entscheiden, auf welche Weise sie eine Information mediengemäß aufbereiten und wie sie die Aufmerksamkeit der Hörer gewinnen wollen. Kollidiert die Art der Aufbereitung der Information aber mit anderen rechtlich geschützten Interessen, dürfen im Zuge der Abwägung die Folgen berücksichtigt werden, die einerseits von der Weitergabe des Funkverkehrs ausgehen und andererseits bei der Durchsetzung des Verbots für die journalistische Betätigung zu erwarten sind. Das Landgericht hat vorliegend angenommen, der Beschwerdeführer hätte über das Thema - hier die Zusammenarbeit der Polizei mit dem Abschleppunternehmen - berichten und "ohne einen Mitschnitt des Polizeifunks" den von ihm erstrebten Zweck erreichen können. Wird die Verbotsnorm des § 86 in Verbindung mit § 95 TKG a.F. so verstanden, führt ihre Anwendung zwar zur Beschränkung der Art der Aufmachung, nicht aber auch zur Unterdrückung der Information selbst. Ob diese Auslegung einfachrechtlich zutreffend ist, unterliegt nicht der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>). Wird sie zu Grunde gelegt, bleibt es dem Rundfunk möglich, den vom Journalisten angenommenen Missstand in der Öffentlichkeit anzuprangern. Wird diese Möglichkeit durch die Strafrechtsnorm nicht unterbunden, ist die vom Landgericht vorgenommene Abwägung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob und in welchem Umfang zusätzlich eventuell eine Gelegenheit für den Journalisten eröffnet sein muss, entsprechende Aufnahmen für den Fall eines Streits um die inhaltliche Richtigkeit eines Berichts zu Beweiszwecken zu machen, ist vorliegend nicht zu entscheiden, da es ausschließlich um die Verbreitung abgehörter Inhalte, nicht um die Richtigkeit ihrer Wiedergabe geht.
2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verstoßen die fachgerichtlichen Entscheidungen auch nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet es, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis nimmt und auf seine Erheblichkeit und Richtigkeit überprüft (vgl. BVerfGE 63, 80 <85>; 70, 288 <293>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen insbesondere nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann deshalb nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt, dass das Gericht einer hieraus resultierenden Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 47, 182 <187>; 86, 133 <146>; 96, 205 <216 ff.>; stRspr). Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt, etwa weil es unerheblich ist (vgl. BVerfGE 96, 205 <216>).
b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat die Gehörsrüge keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das Landgericht - wenn auch nur knapp - die Erwägungen der Berufungsschrift berücksichtigt; es ist seiner Rechtsauffassung aber nicht gefolgt. Es hat angenommen, dass § 86 TKG a.F. die Nachrichten schütze, die ohne Willen des Teilnehmers zur Kenntnis eines Unbefugten gelangt seien. Daher könne dahinstehen, ob der Beschwerdeführer die Nachrichten selbst abgehört oder erst die aufgezeichnete Nachricht zur Kenntnis genommen habe. Hieran wird deutlich, dass das Landgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers berücksichtigt hat, es hätte ermitteln müssen, wer den Polizeifunk abgehört habe.
Soweit der Beschwerdeführer meint, die Auffassung des Landgerichts sei unzutreffend, unter "Abhören" falle auch das Anhören aufgezeichneter Nachrichten, rügt er nicht einen Gehörsverstoß, sondern macht eine unrichtige Rechtsanwendung geltend. Auf diese Ausführungen kommt es zudem nicht an, weil Grundlage der strafrechtlichen Verantwortung des Beschwerdeführers nicht der Verstoß gegen § 86 Satz 1, sondern der gegen § 86 Satz 2 TKG a.F. gewesen ist.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2005, 119
Bearbeiter: Stephan Schlegel