HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 123
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGer, 1P.61/2006, Urteil v. 25.04.2006, HRRS 2007 Nr. 123
Das Kreisgericht Alttoggenburg-Wil verurteilte X. am 24. August 2004 wegen mehrfacher grober Verletzung von Verkehrsregeln, Nötigung sowie einer hier nicht mehr interessierenden Widerhandlung gegen das ANAG zu 6 Monaten Gefängnis unbedingt und einer Busse von 150 Franken. Es hielt - im Wesentlichen auf Grund der Aussagen von zwei im Verfahren als "x1" und "x2" bezeichneten Zeugen - für erwiesen, dass X. am 22. August 2002 am Steuer seines "Jaguar Sovereign" auf der A1 von Aarau nach Wil fuhr und dabei auf der Umfahrung Winterthur Verkehrsregeln in krasser Weise missachtete, indem er bei Tempo 100 km/h bis auf 2 Meter auf einen vor ihm fahrenden BMW aufgeschlossen, diesen dann überholt und ausgebremst habe. Er habe seinen "Gegner" mit erhobener Faust und einer obszönen Geste bedroht und ihm durch das Beifahrerfenster eine PET-Flasche auf den Kühler geworfen.
Das Kantonsgericht St. Gallen wies die Berufung von X. am 9. November 2005 ab.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 30. Januar 2006 wegen Verletzung von Art. 9 und Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BV sowie von Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK beantragt X., diesen kantonsgerichtlichen Entscheid aufzuheben. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Staatsanwaltschaft und Kantonsgericht verzichten auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Beim angefochtenen Entscheid des Kantonsgerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten ist.
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beweiswürdigung sei willkürlich und der Einsatz anonymer Zeugen im Strafverfahren gegen ihn sei unzulässig gewesen. Selbst wenn aber dieser gerechtfertigt gewesen wäre, so hätte das Kantonsgericht die Regeln des fair trial nach Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK verletzt, weil es unterlassen habe, die vom Europäischen Gerichtshof für diesen Fall geforderten Massnahmen zur Kompensation der Einschränkung der Verteidigungsrechte zu treffen.
Nach den Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK hat der Beschuldigte ein Recht darauf, den Belastungszeugen zu befragen. Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen, in denen eine Konfrontation aus objektiven, von den Strafverfolgungsbehörden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich war, ist eine belastende Zeugenaussage grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte den Belastungszeugen wenigstens einmal während des Verfahrens in direkter Konfrontation befragen konnte. Um sein Fragerecht wirksam ausüben zu können, muss der Beschuldigte in die Lage versetzt werden, die persönliche Glaubwürdigkeit des Zeugen zu prüfen und den Beweiswert seiner Aussagen zu hinterfragen. Ersteres kann der Beschuldigte nur, wenn er die Identität des Zeugen kennt; diese ist ihm daher grundsätzlich offen zu legen.
Dies schliesst allerdings nicht aus, die Identität des Zeugen ausnahmsweise geheimzuhalten und von einer direkten Konfrontation des Zeugen mit dem Beschuldigten abzusehen, wenn dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen erforderlich ist. Als solche anerkannt sind namentlich die Gewährleistung der persönlichen Sicherheit des Zeugen und, im Falle von verdeckten Ermittlern, die Wahrung ihrer beruflichen Integrität, um ihnen die Fortführung ihrer Tätigkeit im Dienst der Polizei zu ermöglichen. Lässt das Gericht zu, dass ein Zeuge anonym bleibt und bei seiner Befragung sichergestellt wird, dass er weder optisch noch an seiner Stimme erkannt werden kann (indirekte Konfrontation), muss es die dadurch bewirkte Einschränkung der Verteidigungsrechte möglichst kompensieren (Fall Kok c. Niederlande, Recueil CourEDH 2000-VI S. 629). Es hat sich namentlich davon zu überzeugen, dass die Identität des Zeugen feststeht und ausgeschlossen werden kann, dass ein anderer an seiner Stelle Zeugnis ablegt (BGE 125 I 127 E. 6c/ff und d S. 137 ff.; 121 I 306 E. 2b S. 309).
Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes ist die Zulassung anonymer Belastungszeugen mit der Folge, dass dadurch das Recht des Beschuldigten beschnitten wird, ihm in direkter Konfrontation Fragen zu stellen, ausgeschlossen, wenn dem streitigen Zeugnis eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, es mithin den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt (Darstellung der Praxis der Strassburger Organe in BGE 125 I 127 E. 6c). Dies hat dem Gerichtshof die berechtigte Kritik eingetragen, anonyme Zeugen nur in Verfahren zuzulassen, in denen sie für die Beweisführung letztlich überflüssig sind (Muriel Guerrin, Le témoignage anonyme au regard de la jurisprudence de la Cour Européenne des droits de l'homme, Revue trimestrielle des droits de l'homme, 13/2002, Nr. 49 S. 55; in Verfahren wegen Kindsmissbrauchs scheint der Gerichtshof diese Einschränkung für die Zeugnisse der Opfer allerdings nicht zu machen, S.N. c. Schweden, Recueil CourEDH 2002-V S. 169). Entscheidend für die Zulassung anonymer Zeugen kann indessen letztlich nicht das formale Kriterium sein, ob dem dadurch erlangten Beweis eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt oder nicht. Vielmehr ist im Lichte der konventions- und verfassungsmässigen Verfahrensgarantien in einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob die durch die Zulassung des anonymen Zeugen bewirkte Beschneidung der Verteidigungsrechte durch schutzwürdige Interessen gedeckt ist und, wenn ja, ob sich der Beschuldigte trotzdem wirksam verteidigen konnte, er mithin einen fairen Prozess hatte.
3. Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht im Wesentlichen auf den Aussagen von "x1" und "x2", welche die Polizei per Natel auf den umstrittenen Vorfall aufmerksam gemacht hatten.
3.1 "x1" wurde am 26. August 2002 von Untersuchungsrichter Hangartner in Anwesenheit von Untersuchungsrichter Gemperli als Zeuge einvernommen. Auf seine Ankündigung hin, aus Angst vor Racheakten nur anonym aussagen zu wollen, sicherte ihm der Untersuchungsrichter Hangartner die Wahrung seiner Anonymität zu. Dabei sagte der Zeuge u.a. aus, dass er zum fraglichen Zeitpunkt auf der A1 in Richtung St. Gallen gefahren sei. Bei der mittleren Ausfahrt Winterthur sei links vor ihm ein grauer BMW gefahren. Der violette Jaguar des Beschwerdeführers habe bis auf zwei Meter zum grauen BMW aufgeschlossen, habe diesen rechts überholt, sei vor dem BMW wieder eingebogen und habe fast eine Vollbremsung gemacht. Nach dem Abbremsen auf ca. 60 - 70 km/h hätten beide Fahrzeuge wieder beschleunigt. Als der BMW fast die gleiche Höhe des Jaguars erreicht habe, habe der Jaguarfahrer das Beifahrerfenster hinuntergelassen, eine PET-Flasche auf den Kühler des BMWs geworfen und anschliessend stark beschleunigt. Auf der Höhe der Abzweigung Frauenfeld sei dann der Jaguar gestanden, und dessen Fahrer habe die Automobilisten - in erster Linie den Fahrer des BMWs - mit der Faust bedroht.
Gemäss Aktennotiz des Untersuchungsrichters Hangartner vom 23. Dezember 2002 wurde er von "x1" wegen der bevorstehenden Konfrontationseinvernahme mit dem Beschwerdeführer angerufen. "x1" habe ihn inständig darum gebeten, von einer Konfrontation abzusehen. Er habe Angst vor dem Beschwerdeführer und glaube nicht daran, dass bei einer Konfrontation seine Anonymität gewahrt werden könnte. Daraufhin habe er auf eine direkte Konfrontation verzichtet.
3.2 "x2" wurde von Untersuchungsrichter Hangartner in Anwesenheit des Untersuchungsbeamten Plavec am 2. September 2002 als Zeuge einvernommen. Auch er erklärte, auf Grund des äusserst aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers sei er nur bereit, anonym auszusagen. Auch ihm wurde die Wahrung seiner Anonymität zugesichert. Er sagte aus, er sei zur fraglichen Zeit auf der A1 in Richtung St. Gallen unterwegs gewesen. Bei der Ausfahrt Winterthur Wülflingen sei er auf der linken Spur unterwegs gewesen, als er im Rückspiegel einen dunkelroten Jaguar gesehen habe, der mit einem Schwenker von der Überhol- auf die Mittelspur eingebogen sei. Dann habe er "in einem Affenzahn" 4 oder 5 Autos rechts überholt und sei - sehr knapp - zwischen zwei silbergrauen BMWs wieder in die Überholspur eingebogen; der zweite BMW habe recht bremsen müssen. Der Jaguarfahrer habe dann begonnen, mit den BMWs "ein Spiel" zu treiben, er habe richtiggehend Terror gemacht, indem er zwischendurch auf die Bremse getreten habe, sich nicht habe überholen lassen, langsamer gefahren sei. Er habe dann die Ausfahrt Frauenfeld West genommen. Dabei sei der Jaguar auf der Überholspur auf gleicher Höhe gewesen und habe einen Vollstopp, einen "Schlirggen", gerissen. Es sei nur deshalb nichts passiert, weil die folgenden Fahrzeuge auf der Hut gewesen seien. Die Situation sei unglaublich bedrohlich gewesen, der Typ im Jaguar habe gestikuliert, die Faust geballt und Drohgebärden gemacht.
Untersuchungsrichter Hangartner führte am 14. Februar 2003 auf Verlangen des Verteidigers des Beschwerdeführers eine Konfrontationseinvernahme mit dem Zeugen "x2" durch, zu welcher der Beschwerdeführer nicht erschien. Dessen Verteidiger konnte dem Zeugen Ergänzungsfragen stellen.
3.3 Der Präsident und der Gerichtsschreiber des Kreisgerichts Alttoggenburg-Wil befragten "x1" am 5. August 2004 als Zeugen zum Vorfall und legten ihm dabei einen Fragenkatalog des Verteidigers des Beschwerdeführers vor. In einer Vorbemerkung gab "x1" folgende Erklärung zu Protokoll: Er müsse zunächst etwas loswerden, was ihn ausserordentlich belaste. Als er damals der Polizei den Vorfall geschildert habe, hätten diese in Bezug auf den Beschwerdeführer sinngemäss festgestellt: "Endlich haben wir ihn." Zusammen mit dem, was er erlebt habe und der späteren Thematik der Anonymität hätte sich in ihm eine derartige Angst aufgebaut, dass er keinen anderen Ausweg gesehen habe, als das Vorgefallene so zu schildern, wie wenn der Beschwerdeführer nicht ihn, sondern einen anderen Fahrer bedrängt und mit einer PET-Flasche beworfen habe. In Tat und Wahrheit sei er bedrängt worden, nicht ein anderer BMW-Fahrer. Abgesehen von diesem Rollentausch entspreche seine Schilderung indessen der vollen Wahrheit, und er werde die Fragen des Verteidigers nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.
4.
4.1 Das Kantonsgericht hat im angefochtenen Entscheid (E. 3a S. 4 f.) erwogen, der Untersuchungsrichter könne nach Art. 83 Abs. 1 der St. Galler Strafprozessordnung vom 1. Juli 1999 (StPO) einem Zeugen Anonymität zusichern, "wenn wichtige Interessen, insbesondere die körperliche oder psychische Integrität des Zeugen" es erforderten. Mit dieser Regelung sollten nach den Materialien Zeugen in Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels oder der Milieukriminalität vor Repressalien aus dem Umfeld des Beschuldigten geschützt werden. Nach dem Gesetzeswortlaut könne Art. 83 Abs. 1 StPO indessen auch bei weniger schweren Delikten angewendet werden. Dem Beschwerdeführer seien mehrfache grobe Verkehrsregelverletzungen und Nötigung, mithin keine Bagatelldelikte, vorgeworfen worden. Es erscheine daher keineswegs von vornherein unverhältnismässig, den Zeugen Anonymität zuzusichern. Im Weiteren falle in Betracht, dass beide Zeugen erklärt hätten, der Beschwerdeführer habe sich beim umstrittenen Vorfall derart aggressiv verhalten, dass sie Angst vor ihm hätten. Dieser habe sich denn auch bei der polizeilichen Anhaltung sehr aggressiv verhalten und sei laut Strafregister seit 1993 insgesamt siebenmal verurteilt worden, unter anderem wegen mehrfacher Gefährdung des Lebens, Nötigung, mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Beamte, schwerer Brandstiftung, Vergewaltigung, Drohung, Landfriedensbruchs und versuchter Körperverletzung. Der Therapiebericht vom 11. Dezember 2002 diagnostiziere ihm eine "emotionale Instabilität, eine unverhältnismässige Impulsivität und eine mangelhafte Selbstkontrolle". Auf Grund dieser Umstände erscheine die Geheimhaltung der Identität der Zeugen geboten.
4.2 Der Beschwerdeführer hat offensichtlich grosse Mühe, sich zu beherrschen und an Regeln zu halten. Er kommt deswegen immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt; nach seinen eigenen Angaben verbrachte er die Jahre zwischen 1989 und 2000 zum grössten Teil im Strafvollzug. Aus dem Vorstrafenregister und dem Therapiebericht lässt sich zudem ableiten, dass er schon bei geringfügigem Anlass zu Gewaltausbrüchen neigt. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass sich die beiden Zeugen, die gesehen haben, wie der Beschwerdeführer am Steuer seines Wagens die Selbstkontrolle verlor und mit seiner Fahrweise die Verkehrsregeln grob verletzte, die Verkehrssicherheit massiv gefährdete und die Verkehrsteilnehmer bedrohte, vor allfälligen Repressalien fürchten.
Auch wenn der Gesetzgeber den Einsatz anonymer Zeugen nach den Materialien in erster Linie für Verfahren gegen Mitglieder krimineller Organisationen und Terroristen vorgesehen haben mag, aus deren Umfeld regelmässig eine Gefahr für Leib und Leben der Belastungszeugen ausgeht, so schliesst dies nicht aus, ihn auch in anderen Strafverfahren zuzulassen, in denen die im Wesentlichen gleiche konkrete Gefahr besteht, dass die Belastungszeugen Racheakten des Angeschuldigten ausgesetzt sein könnten. Dies konnten die Strafverfolgungsbehörden im vorliegenden Fall ohne Verfassungsverletzung annehmen. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen ungewöhnlich gewaltbereiten Einzeltäter, bei dem auf Grund seiner Vorstrafen und des Therapieberichtes damit gerechnet werden muss, dass er sich an den beiden Belastungszeugen, die ihn bei der Polizei "verpfiffen" haben, rächen könnte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass ihnen Anonymität zugesichert wurde.
4.3 Wird in einem Strafverfahren den Zeugen um ihrer Sicherheit Willen Anonymität zugesichert, so muss die dadurch bewirkte Einschränkung der Verteidigungsrechte so weit wie möglich kompensiert werden (oben E. 2). Dies kann etwa durch eine indirekte Konfrontation geschehen, wie sie in Bezug auf "x2" hätte durchgeführt werden sollen. Der Beschwerdeführer erschien nicht zum Termin und liess sich durch seinen Verteidiger vertreten, der "x2" offenbar direkt befragen konnte. Damit hat der Beschwerdeführer in Bezug auf diesen Zeugen sein eigenes Konfrontationsrecht verwirkt, weshalb dessen Aussagen ohne weiteres verwertet werden durften.
Dem Zeugen "x1" hat der Untersuchungsrichter auf dessen Bitte hin eine (auch indirekte) Konfrontation mit dem Beschwerdeführer von vornherein erspart. Der Verteidiger konnte "x1" zwar durch den Gerichtspräsidenten vorher eingereichte Fragen stellen lassen, und das Gericht vergewisserte sich in Bezug auf beide Zeugen, dass diese über einen einwandfreien allgemeinen und automobilistischen Leumund verfügen und den Beschwerdeführer nicht kennen. Indessen hatten weder der Beschwerdeführer noch sein Verteidiger Gelegenheit, "x1" in einer wenigstens indirekten Konfrontation zu befragen, obwohl der Beschwerdeführer bzw. sein Verteidiger dies in rechtsgültiger Weise verlangten. Die Verwertung dieser Aussage ist mit den Garantien von Art. 32 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 6 Ziff. 1 und Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK nicht vereinbar, die Rüge ist begründet.
4.4 Das Kantonsgericht stützt die Verurteilung des Beschwerdeführers auf beide Zeugenaussagen und damit auch auf die unverwertbare von "x1". Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wird bei seinem neuen Entscheid zu prüfen haben, ob es die Verurteilung gestützt auf die Aussagen von "x2" allein aufrechterhalten kann, ob es "x1" unter Wahrung seiner Anonymität mit dem Beschwerdeführer konfrontieren will oder letzteren, sofern dies nicht möglich sein sollte, ganz oder teilweise freisprechen muss.
5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 OG), und der Kanton St. Gallen hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 OG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung gegenstandslos.
1. Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 9. November 2005 aufgehoben.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
3. Der Kanton St. Gallen hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'800.-- zu bezahlen.
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft, Untersuchungsamt Gossau, und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
[Redaktioneller Hinweis: Vgl. zum Recht des Art. 6 I 1 i.V.m. III lit. d EMRK insbesondere auch unter Einbeziehung der schweizerischen Rechtsprechung im Übrigen, die oftmals früher als die deutsche Judikatur die Rechtsprechung des EGMR aufgreift und nicht selten fortentwickelt, Gaede, Fairness als Teilhabe - Das Recht auf konkrete und wirksame Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, Duncker & Humblot, 2007; siehe auch Haas v. Deutschland, JR 2006, 292 ff.]
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 123
Bearbeiter: Karsten Gaede