HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2025
26. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH


I. Materielles Strafrecht - Allgemeiner Teil


Entscheidung

1277. BGH 2 StR 268/25 – Beschluss vom 12. August 2025 (LG Kassel)

Versuchte sexuelle Nötigung (Versuchsbeginn: Drohung mit Verbreitung intimer Fotos).

§ 22 StGB; § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB; § 177 Abs. 3 StGB

Der Versuch der sexuellen Nötigung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (§ 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB) beginnt jedenfalls mit Verwirklichung eines der Tatbestandsmerkmale des zweiaktigen Delikts, also bereits mit der Drohung.


Entscheidung

1305. BGH 4 StR 277/25 – Beschluss vom 9. September 2025 (LG Bielefeld)

Mittäterschaft (bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Abgrenzung zur Beihilfe, von Bandenmitgliedschaft unabhängige Beurteilung, Hilfstätigkeiten bei Laborbetrieb).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 27 Abs. 1 StGB; § 30a Abs. 1 BtMG

1. Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, so hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem Bandenmitglied begangene Tat einem anderen Bandenmitglied ohne Weiteres als gemeinschaftlich begangene Tat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Zwar kann Mitglied einer Bande auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Die Frage, ob die Beteiligung an einer Bandentat als Mittäterschaft oder als Beihilfe einzuordnen ist, ist aber auch beim bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts zu beantworten.

2. Mittäterschaftlich handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last.

3. Ob die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe anzusehen ist, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände zu beurteilen, bei denen das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu besondere Bedeutung haben und insbesondere maßgeblich ist, welches Gewicht dem Tatbeitrag im Rahmen des auf Umsatz gerichteten Gesamtgeschäfts zukommt. Mittäterschaftliches Handeltreiben wird hierbei vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Beteiligte über bloße Hilfstätigkeiten hinaus am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder an dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll.


II. Materielles Strafrecht – Besonderer Teil


Entscheidung

1326. BGH 5 StR 335/25 – Beschluss vom 10. September 2025 (LG Hamburg)

Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse durch Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht während der Corona-Pandemie.

§ 278 StGB

1. Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 278 StGB sind schriftliche Erklärungen, in denen der Gesundheitszustand eines Menschen beschrieben wird. Ihr Gegenstand kann auch eine frühere Erkrankung oder eine Prognose über die künftige gesundheitliche Entwicklung sein, ebenso die Bescheinigung therapeutischer Maßnahmen.

Erfasst sind ferner Bescheinigungen über das Ergebnis einer Einzeluntersuchung etwa eines bestimmten Körperteils oder -organs sowie die ärztliche Beurteilung des Untersuchungsergebnisses, insbesondere nach seinen Wirkungen auf das Gesamtbefinden des Untersuchten. Diese Voraussetzungen können erfüllt sein bei der Erklärung, dass der Inhaber eines Attests aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann.

2. Das in § 278 StGB a. F. enthaltene Merkmal „zum Gebrauch bei einer Behörde“ war regelmäßig erfüllt, wenn der Aussteller eines unrichtigen Attests zur Befreiung von der Maskenpflicht während der Corona-Pandemie billigend in Kauf nahm, dass dieses auch gegenüber Polizeibeamten oder in Schulen vorgelegt werden würde.


Entscheidung

1320. BGH 5 StR 262/25 – Beschluss vom 12. August 2025 (LG Hamburg)

Computerbetrug (unbefugtes Handeln bei durch Täuschung erlangter ec-Karte).

§ 263a StGB

„Unbefugt“ im Sinne von § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB handelt nicht schon derjenige, der Daten entgegen dem Willen des Berechtigten verwendet oder die verwendeten Daten rechtswidrig erlangt hat. Das Tatbestandsmerkmal erfordert vielmehr eine betrugsspezifische Auslegung. Die missbräuchliche Benutzung der vom Berechtigten mitsamt der Geheimnummer erlangten Debitkarte durch den Täter bei Abhebungen am Geldautomaten stellt deshalb nur dann einen Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 StGB dar, wenn die Abhebung am Bankschalter rechtlich als Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB zu würdigen wäre. Das Merkmal der unbefugten Verwendung der Daten gilt mithin nicht für denjenigen, der die Debitkarte und die Geheimnummer vom Berechtigten jeweils mit dessen Willen erlangt, mag die Überlassung auch auf einer Täuschung beruhen.


Entscheidung

1306. BGH 4 StR 280/25 – Beschluss vom 29. Juli 2025 (LG Bonn)

Versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (Tatentschluss: natürlicher Vorsatz; Stoßen eines Fußgängers auf die Straße: Hindernis, verkehrsspezifische Gefahr, anderer Mensch); versuchte gefährliche Körperverletzung (Stoßen eines Fußgängers auf die Straße; Tatentschluss: natürlicher Vorsatz; mittels eines gefährlichen Werkzeugs: Kfz als Werkzeug, spezifisches Unmittelbarkeitserfordernis; mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung: spezifisches Unmittelbarkeitserfordernis); Rücktritt (Rücktrittshorizont: Darstellungsanforderungen, Stoßen eines Fußgängers auf die Straße; Auswirkungen eines Rücktritts auf die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus); Beweiswürdigung (Täterschaft des Angeklagten: Zeugenbeweis, Täterbeschreibung, Wiedererkennen durch Polizeibeamte, Darstellungsanforderungen).

§ 15 StGB; § 24 Abs. 1 StGB; § 63 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB; § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 261 StPO

1. Unter einem Hindernisbereiten im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jede Einwirkung im Verkehrsraum zu verstehen, die geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu hemmen oder zu verzögern. Tatbestandlich erfasst werden auch solche Einwirkungen, die erst durch die psychisch vermittelte Reaktion des Fahrzeugführers zu einer Beeinträchtigung des Verkehrsablaufs führen, etwa weil sie Brems- oder Ausweichvorgänge mit den damit verbundenen Gefahren zur Folge haben. Daher kann es sich bei einem auf die Straße gestoßenen Menschen um ein Hindernis im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB handeln.

2. Der Tatbestand des § 315b StGB ist dreistufig aufgebaut und erfordert, dass die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten Schutzobjekte verdichtet. Demgemäß ist der Tatbestand nur erfüllt, wenn die konkrete Gefahr auf einen infolge der Einwirkung des Täters regelwidrig ablaufenden Verkehrsvorgang zurückzuführen ist. Bei Außeneinwirkungen, die nicht durch eine vom Täter ausgenutzte Eigendynamik eines Fahrzeugs gekennzeichnet sind, ist eine verkehrsspezifische Gefahr nur dann zu bejahen, wenn der Fortbewegung des von dem Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht.

3. Die auf die Straße gestoßene Person, die das vom Täter dem Straßenverkehr bereitete Hindernis bildet, kann deshalb nicht zugleich der „dadurch“ gefährdete „andere“ Mensch im Sinne von § 315b Abs. 1 StGB sein. Für die Erfüllung des Tatbestands ist in Fällen der vorliegenden Art vielmehr erforderlich, dass der Täter eine Gefährdung der Insassen des von dem Hindernis betroffenen Fahrzeugs oder anderer Personen, etwa durch eine Notbremsung oder eine abrupte Ausweichbewegung, in seinen Tatentschluss aufgenommen hat. Ein auf die Gefährdung der auf die Straße gestoßenen Person beschränkter Vorsatz genügt nicht.

4. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Art der Behandlung des Geschädigten durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls (generell) geeignet wäre, das Leben zu gefährden. Eine Lebensgefahr, die sich erst aus weiteren äußeren Umständen ergibt, reicht dafür nicht aus.

5. Ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ist in der Regel als ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, muss die Verletzung aber bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst und auf einen Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen sein. Der innere Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist daher nur dann erfüllt, wenn sich der Täter wenigstens mit der Möglichkeit abgefunden hat, dass die betroffene Person angefahren oder überfahren wird und unmittelbar hierdurch eine Körperverletzung erleidet. Da es für den Tatbestand ohne Bedeutung ist, ob das Werkzeug gegen den Menschen oder der Mensch gegen das Werkzeug bewegt wird, kann eine (versuchte) gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch dann vorliegen, wenn der Täter das Opfer gezielt vor ein herannahendes Fahrzeug stößt.

6. Für die Frage, ob der Versuch einer Straftat fehlgeschlagen, beendet oder unbeendet ist, kommt es auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (sog. Rücktrittshorizont).

7. Ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Zurücktretende schuldunfähig war. Die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung kann auch mit natürlichem Vorsatz geschehen.

8. Besondere Darlegungsanforderungen bestehen in schwierigen Beweislagen, zu denen auch Konstellationen zählen, in denen der Tatnachweis im Wesentlichen auf einem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen beruht. Der Tatrichter ist hier regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese Täterbeschreibung zu dem Äußeren und dem Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen. Er hat diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf denen seine Folgerung beruht, dass insoweit tatsächlich Übereinstimmung besteht, und die Umstände wiederzugeben, die zur Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen geführt haben.

9. Kann die Willensrichtung dafür entscheidend sein, ob sich die Handlung des Täters als eine die Unterbringung gemäß § 63 StGB begründende Verhaltensweise darstellt oder nicht, muss insbesondere der innere Tatbestand erörtert werden, soweit dies nach dem psychischen Zustand des Täters möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass es der Annahme eines natürlichen Tatvorsatzes nicht entgegensteht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte. Vorstellungsausfälle, die auf der psychischen Erkrankung beruhen, beeinträchtigen zwar die Verantwortlichkeit des Täters, führen aber nicht dazu, dass die sonst vorhandenen inneren Tatbestandsmerkmale verneint werden müssten.


Entscheidung

1311. BGH 4 StR 363/25 – Beschluss vom 26. August 2025 (LG Zweibrücken)

Beischlafähnlichkeit (schwerer sexueller Missbrauch von Kindern; Vergewaltigung; Einführen eines mit Ejakulat benetzten Fingers in den Mund).

§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F.; § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F.; § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB

1. Beischlafähnlichkeit setzt nicht unbedingt äußerliche Ähnlichkeit mit dem Bewegungsablauf beim Vollzug des Beischlafs voraus. Eine Ähnlichkeit mit dem Beischlaf liegt vielmehr regelmäßig schon dann vor, wenn die sexuelle Handlung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des primären Geschlechtsteils geschieht. Sie ist aber vor allem an dem Gewicht der Rechtsgutverletzung zu messen. Entscheidend ist, dass das Ausmaß der insoweit zu besorgenden Rechtsgutverletzung mit einem Beischlaf vergleichbar ist und diese Rechtsgutverletzung von einem Eindringen in den Körper herrührt.

2. Zwar besitzt das bloße Einführen eines Fingers in den Mund des Opfers mangels Einbeziehung eines primären Geschlechtsteils kein dem Beischlaf vergleichbares Gewicht. Anders liegt es jedoch, wenn der Fingerpenetration durch ein damit verbundenes Einbringen von Ejakulat in den Mund eine Eingriffsintensität zukommt, die anerkannten Fällen der Beischlafähnlichkeit entspricht, und wenn es sich um den Endpunkt einer sexuell motivierten Handlungsfolge handelt, in die bei dem unmittelbar vorangegangenen Handverkehr auch das Geschlechtsteil des Angeklagten einbezogen war.


Entscheidung

1330. BGH 5 StR 423/25 – Urteil vom 24. September 2025 (LG Berlin I)

Mord (Heimtücke; Arglosigkeit bei dauernden Konfliktsituationen; niedrige Beweggründe bei Tötung als Machtdemonstration).

§ 211 StGB

1. Heimtückisch handelt, wer eine zur Tatzeit beim Opfer bestehende Arg- und Wehrlosigkeit bewusst zur Tat ausnutzt. Arglos ist, wer sich eines Angriffs nicht versieht. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers steht der Annahme von Arglosigkeit nicht entgegen. Denn es kommt darauf an, ob es gerade im Tatzeitpunkt mit Angriffen auf sein Leben gerechnet hat. Bei Opfern, die auf Grund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, kann ein Wegfall der Arglosigkeit daher allenfalls in Betracht gezogen werden, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorstehe.

2. Tötungen zur Bestrafung von Kontrahenten, zur Machtdemonstration oder zur Ausübung von Selbstjustiz rechtfertigen aber regelmäßig die Annahme niedriger. Dem steht nicht von vornherein entgegen, wenn der Täter handelt, um einem ihm verbundenen Tatbeteiligten zu Gefallen und zu Hilfe zu sein.


Entscheidung

1308. BGH 4 StR 308/25 – Beschluss vom 13. August 2025 (LG Essen)

Räuberischer Diebstahl (Zueignungsabsicht: Aneignungsabsicht, Wegnahme eines Mobiltelefons zur Löschung oder Überprüfung gespeicherter Daten, Einstecken als Indiz, Beweiswürdigung).

§ 242 Abs. 1 StGB; § 252 StGB; § 261 StPO

1. Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will. Das setzt nicht notwendig voraus, dass er sie auf Dauer behalten will. Unerheblich ist etwa der Vorbehalt, sich der Sache nach Gebrauch zu entledigen. Desgleichen kann die Zueignungsabsicht auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei. Dagegen fehlt es an dieser Voraussetzung in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseitezuschaffen oder zu beschädigen, wie ferner bei bloßer

Gebrauchsanmaßung, also in der Regel dann, wenn er schon bei der Wegnahme den bestimmten Willen hat, die Sache dem Berechtigten unverändert zurückzugeben und so den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen.

2. Entsprechend verhält es sich in Fällen, in denen der Täter ein Mobiltelefon lediglich in der Absicht wegnimmt, dort abgespeicherte Bilder zu löschen oder anzusehen. Eine Zueignungsabsicht ist in solchen Konstellationen nur dann zu bejahen, wenn der Täter das Mobiltelefon zum Zeitpunkt der Wegnahme – wenn auch nur vorübergehend – über die für die Löschung oder das Ansehen der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten will.

3. Das Einstecken des Mobiltelefons hat ohne zusätzliche stützende Erwägungen keine Aussagekraft im Hinblick auf einen weiter reichenden Aneignungswillen, wenn es auch allein mit einem anderen Tatmotiv (z. B. Ermöglichung einer Überprüfung von gespeicherten Daten) erklärbar ist.


Entscheidung

1292. BGH 2 StR 613/24 – Beschluss vom 28. Juli 2025 (LG Bonn)

Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (Hinweis auf Strafbewehrung einer Weisung im Führungsaufsichtsbeschluss: Abstinenzweisung, mündliche Belehrung, Blanketttatbestand); Bedrohung (bedingter Vorsatz: Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels, Verhältnis zu versuchter Nötigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung und Rücktritt diesbezüglich).

§ 145a Satz 1 StGB; § 241 Abs. 1 StGB; § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO; § 453a StPO; § 463 Abs. 1 StPO

Ein unmissverständlicher schriftlicher Hinweis auf die Strafbewehrung einer Weisung ist erforderlich, damit der Führungsaufsichtsbeschluss in Ausfüllung des Blankettstraftatbestandes des § 145a Satz 1 StGB die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes begründen kann. Eine Information über die Strafbarkeit von Weisungsverstößen allein im Rahmen einer (mündlichen) Belehrung über die Führungsaufsicht nach § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO beziehungsweise §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO genügt nicht.


Entscheidung

1307. BGH 4 StR 306/25 – Beschluss vom 27. August 2025 (LG Landau in der Pfalz)

Konkurrenzen (Urkundenfälschung: Weiterveräußerung gestohlener Kfz, Manipulation von Fahrzeugidentifikationsnummern, Verklammerung mitverwirklichter Delikte); Hehlerei (Absetzen: Handeln im Interesse des Vortäters; Ankaufen oder Sich-Verschaffen; Konkurrenzen: mehrere Hehlereitaten, Verhältnis zu durch die Veräußerung verwirklichten Delikten).

§ 52 StGB; § 53 StGB; § 259 StGB; § 260 StGB; § 267 StGB

1. Der mehrfache Gebrauch derselben falschen Urkunde führt, wenn er einem von vornherein bestehenden Gesamtvorsatz folgt, zu einer einheitlichen Tat des § 267 StGB.

2. Unter der Tathandlung des Absetzens im Sinne des § 259 Abs. 1 Alt. 3 StGB ist die im Einvernehmen mit dem Vortäter, im Übrigen aber selbständig vorgenommene wirtschaftliche Verwertung einer bemakelten Sache durch ihre rechtsgeschäftliche Weitergabe an gut- oder bösgläubige Dritte gegen Entgelt zu verstehen. Der Absetzende muss mithin „im Lager“ des Vortäters stehen und zumindest auch in dessen Interesse handeln. Die Urteilsgründe müssen ergeben, ob die Weiterveräußerung der Sache auch für Rechnung oder im sonstigen wirtschaftlichen Interesse des Vortäters geschieht oder ob dieses sich im Erhalt der Kaufpreise für die Veräußerung erschöpft. Im letzteren Fall kommen allerdings die Begehungsformen des Ankaufens oder sonstigen Sich-Verschaffens in Betracht, neben der für eine Strafbarkeit wegen Absetzens ohnehin kein Raum bliebe.