HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2017
18. Jahrgang
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Strafrechtliche/strafverfahrensrechtliche Entscheidungen des BVerfG/EGMR/EuGH


Entscheidung

716. BVerfG 2 BvR 1381/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 4. Juli 2017 (OLG Dresden)

Einstweilige Anordnung gegen eine Auslieferung an die Russische Föderation zum Zwecke der Strafverfolgung (russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft; Asylgrundrecht; Schutz vor Auslieferung bei drohender politischer Verfolgung; Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat; Beiziehung der ausländischen Asylverfahrensakten).



Art. 16a GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 32 Abs. 1 BVerfGG; § 33 Abs. 1 IRG; Art. 2 EuAlÜbK

1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung stellt sich die Frage, welche Vorgaben sich aus dem Grundgesetz für die gerichtliche Aufklärungspflicht ergeben, wenn der Verfolgte geltend macht, im Zielstaat politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein, wenn er jedoch über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist ist.

2. Zur Wahrung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz ist es möglicherweise geboten, die Akten des Asylverfahrens aus dem sicheren Drittstaat – hier: Polen – beizuziehen oder die geltend gemachten Asylgründe anderweitig inhaltlich nachzuprüfen, wenn der Verfolgte, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft, geltend macht, im Zielstaat – der Russischen Föderation – bereits früher mit einem Strafverfahren überzogen und gefoltert worden zu sein, um die Preisgabe der Namen und Aufenthaltsorte tschetschenischer Kämpfer zu erzwingen.

3. Bis zur verfassungsgerichtlichen Klärung dieser Fragen überwiegt das Interesse des Verfolgten an einer vorläufigen Aussetzung der Auslieferung das Interesse an deren sofortiger Vollziehung.


Entscheidung

713. BVerfG 2 BvR 345/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 20. Juni 2017 (OLG München / LG Augsburg)

Verlegung eines Strafgefangenen in eine andere Justizvollzugsanstalt (Resozialisierungsanspruch und Recht auf Schutz intakter Familienbeziehungen; Anspruch des Gefangenen auf fehlerfreie Ermessensausübung; Verlegung in eine familiennähere Anstalt nicht nur in atypischen Ausnahmefällen; Verfassungsverstoß bei 600 km Distanz zwischen Anstalt und Familienwohnsitz; Bedeutung des familiären Zusammenhalts unabhängig von Aufenthaltsstatus und möglicher Ausreisepflicht; wiederholte kurzfristige Besuchsüberstellungen als unzureichender Ersatz für eine Verlegung).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 6 Abs. 1 GG; Art. 10 BayStVollzG

1. Für das Resozialisierungsziel, auf das der Strafvollzug von Verfassungs wegen auszurichten ist, haben die familiären Beziehungen des Gefangenen wesentliche Bedeutung. Außerdem schützt Art. 6 Abs. 1 GG die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern.

2. Der Bestand und die Stärkung der familiären Beziehungen des Strafgefangenen fördern regelmäßig dessen Chancen für eine Eingliederung. Von intakten Familienbeziehungen können mittelbar auch resozialisierungs- und freiheitserhebliche Entscheidungen abhängen, weil sie als Prognosefaktor für Vollzugslockerungen oder für die Frage einer Reststrafaussetzung zur Bewährung von Bedeutung sind.

3. Die Ausgestaltung des Strafvollzuges muss den Belastungen und Gefährdungen, die der Vollzug einer Freiheitsstrafe für familiäre Beziehungen naturgemäß bedeutet, nach Kräften entgegenzuwirken suchen. Bei Verlegungsentscheidungen haben Gefangene Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, die dem verfassungsrechtlichen Gewicht des Resozialisierungsziels Rechnung trägt.

4. Mit den Grundrechten eines Gefangenen ist es nicht vereinbar, wenn die Strafvollstreckungskammer für eine Verlegung in eine familiennähere Justizvollzugsanstalt verlangt, dass die persönlichen und familiären Umstände des Betroffenen von den im Durchschnittsfall auftretenden Erschwernissen des Besuchskontakts gravierend abweichen. Dies gilt erst recht, wenn solche besonderen Umstände selbst bei einer Distanz von über 600 Kilometern zwischen Vollzugsanstalt und familiärem Wohnsitz verneint werden.

5. Bei der Ermessensentscheidung über die Verlegung ist der familiäre Zusammenhalt für den Gefangenen nach seiner Haftentlassung unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus und seinem Verbleib in Deutschland für die Resozialisierung essentiell. Eine Verlegung darf daher nicht allein unter Verweis auf eine trotz Duldung des Gefangenen fortbestehende Ausreisepflicht versagt werden.

6. Demgegenüber sind – vom Gesetz nur im Ausnahmefall vorgesehene – wiederholte kurzfristige Besuchsüberstellungen des Gefangenen nicht geeignet, einen dem Resozialisierungsanspruchs genügenden Kontakt zu Familienangehörigen sicherzustellen. Dies gilt insbesondere, wenn es an nachvollziehbaren Gründen, die gegen eine Verlegung sprechen, gänzlich fehlt.


Entscheidung

712. BVerfG 1 BvR 2832/15 (3. Kammer des Ersten Senats) – Beschluss vom 13. Juni 2017 (LG Erfurt / AG Erfurt)

Schutz der Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung durch Verwendung des Akronyms „A.C.A.B.“ bei einer Demonstration (Schutzbereich der Meinungsfreiheit; Auseinandersetzung mit weiteren Deutungsmöglichkeiten einer Äußerung; hinreichende Individualisierung der angesprochenen Personengruppe; Überwiegen des Persönlichkeitsschutzes).

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; § 185 StGB

1. Das sichtbare Tragen eines Stoffbeutels mit dem Aufdruck „A. C. A. B.“ (als Abkürzung für die englische Parole „all cops are bastards“) bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck und stellt damit eine Meinungsäußerung dar.

2. Einer Verurteilung wegen Beleidigung wegen des Tragens des Beutels bei einer Demonstration steht nicht entgegen, dass auf dem Beutel auch ein Kätzchen und der Schriftzug „All CATS are BEAUTIFUL“ abgedruckt sind, wenn sich das Strafgericht hinreichend mit den weiteren Deutungsmöglichkeiten des Akronyms auseinandersetzt.

3. Für die Annahme, eine alle Angehörigen einer Gruppe – hier: alle Polizeibeamten – erfassende Äußerung beziehe sich tatsächlich nur auf eine abgegrenzte Personengruppe, reicht es zwar nicht aus, dass der Betroffene in der Erwartung an der Demonstration teilnimmt, dass dort auch Polizeibeamte präsent sein werden, und dass er vom Einsatzleiter aufgefordert wurde, den Beutel wegzustecken. Die angesprochene Personengruppe ist jedoch hinreichend individualisiert, wenn der Betroffene den Beutel „ostentativ“ und „nachgerade paradierend“ vor den anwesenden Polizeibeamten zur Schau stellt.

4. Die gebotene Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht führt angesichts des geringen Aussagegehalts einerseits und der erheblichen Ehrverletzung andererseits zu einem Überwiegen des Persönlichkeitsschutzes und damit zu einer Strafbarkeit wegen Beleidigung.


Entscheidung

711. BVerfG 1 BvR 180/17 (3. Kammer des Ersten Senats) – Beschluss vom 6. Juni 2017 (LG Gera / AG Gera)

Schutz der Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung (Werturteile; Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz; Äußerung zum Zwecke der Rechtsverfolgung; Wahrnehmung berechtigter Interessen; Recht auf polemische Zu-

spitzung; kritische Äußerung über eine bereits abgeschlossene strafrechtliche Hauptverhandlung im Zusammenhang mit einem Kostenfestsetzungsantrag; Diffamierung der Verhandlungsleitung als „Musikantenstadl“; geringe Außenwirkung einer Äußerung in einer Dienstaufsichtsbeschwerde).

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; § 185 StGB; § 193 StGB

1. Werturteile, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind, unterfallen der Meinungsfreiheit. Auch eine polemische und verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts.

2. Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Bei Stellungnahmen in einem gerichtlichen Verfahren, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienen, sind bei der Anwendung des § 193 StGB auch die Auswirkungen des Rechtsstaatsprinzips zu berücksichtigen.

3. Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist. Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Betroffenen auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen.

4. Äußert ein Rechtsanwalt mit Blick auf die schleppende Bearbeitung seines Kostenfestsetzungsantrags, bereits die zugrundeliegende Hauptverhandlung habe einem „Musikantenstadl“ geglichen, so verletzt eine darauf gestützte Verurteilung wegen Beleidigung die Meinungsfreiheit, wenn das Gericht nicht berücksichtigt, dass das Grundrecht auch die Kritik an beendeten Verfahren deckt und dass der Anwalt die Kritik angebracht hatte, um seinem Anliegen in Bezug auf das mit dem Erkenntnisverfahren im Zusammenhang stehende Kostenfestsetzungsverfahren Nachdruck zu verleihen.

5. Bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist es außerdem zu berücksichtigen, wenn eine Äußerung nicht öffentlich, sondern im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde gefallen ist und daher nur geringe Außenwirkung entfaltet.


Entscheidung

715. BVerfG 2 BvR 1313/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 13. Juni 2017 (AG Osterholz-Scharmbeck)

Erfolgloser Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Durchführung einer Hauptverhandlung (Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs; Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten; Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit; Interessenabwägung; Terminsaufhebung nur bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine konkrete Lebens- oder Gesundheitsgefahr).

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; § 32 Abs. 1 BVerfGG

1. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, sowie die Gleichbehandlung aller in Strafverfahren Beschuldigten erfordern grundsätzlich die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs.

2. Besteht die naheliegende, konkrete Gefahr, dass der Angeklagte bei Durchführung der Hauptverhandlung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen würde, so verletzt ihn die Fortsetzung des Strafverfahrens in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

3. Der Konflikt zwischen der Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Grundrecht des Beschuldigten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Abwägung der widerstreitenden Interessen zu lösen. Dabei können vor allem Art, Umfang und mutmaßliche Dauer des Strafverfahrens, Art und Intensität der zu befürchtenden Schädigung sowie Möglichkeiten, dieser entgegenzuwirken, Beachtung erfordern.

4. Nur eine hinreichend sichere Prognose über den Schadenseintritt kann die Einstellung des Verfahrens rechtfertigen. Die Durchführung einer Hauptverhandlung ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gericht ohne Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme eine konkrete Gesundheitsgefahr für den Angeklagten verneint hat, nachdem dieser sein Vorbringen, er leide seit langem an einer Herzerkrankung, nicht durch valide und aktuelle ärztliche Stellungnahmen belegt, sondern lediglich mehrere Jahre alte medizinische Unterlagen vorgelegt hat, ausweislich derer er zuletzt ohne Befund aus der Behandlung entlassen worden war.


Entscheidung

717. BVerfG 2 BvR 1453/16 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 22. Mai 2017 (OLG Köln)

Klageerzwingungsverfahren (Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung; vorheriger ablehnender Bescheid der Staatsanwaltschaft; Recht auf effektiven Rechtsschutz; Verstoß bei Forderung eines von der Staatsanwaltschaft verweigerten ausdrücklichen Bescheides; hinreichende stillschweigende staatsanwaltschaftliche Entscheidung durch Ablehnung von Ermittlungen); Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (Grundsatz der materiellen Subsidiarität; Erforderlichkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft in einem denselben Lebenssachverhalt betreffenden früheren Verfahren).

Art. 19 Abs. 4 GG; § 171 Satz 1 StPO; § 172 Abs. 2 StPO

1. Die Rechtsschutzgarantie wirkt über das gerichtliche Verfahren hinaus auch in ein vorgelagertes behördliches Verfahren hinein, wenn eine solche Vorwirkung für die Inanspruchnahme effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes erforderlich ist.

2. Mit der Rechtsschutzgarantie ist es nicht vereinbar, die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags von der gerichtlich nicht durchsetzbaren Sachbehandlung durch die Strafverfolgungsbehörden abhängig zu machen.

3. Art. 19 Abs. 4 GG ist verletzt, wenn das Oberlandesgericht einen Klageerzwingungsantrag aufgrund des Fehlens einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft als unzulässig behandelt und die gerichtliche Kontrolle der Nichtbescheidung prinzipiell ablehnt, ohne dabei die Möglichkeit einer stillschweigenden Entscheidung durch die Ablehnung von Ermittlungen erwogen zu haben (Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 5 AR (VS) 29/13 – [= HRRS 2014 Nr. 360]).

4. Eine insoweit erhobene Verfassungsbeschwerde ist allerdings wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der materiellen Subsidiarität unzulässig, wenn der Beschwerdeführer hinsichtlich eines früheren, auf denselben Lebenssachverhalt gestützten Strafverfolgungsverlangens von der Generalstaatsanwaltschaft bereits einen abschlägigen Bescheid erhalten hatte, gegen den er keine gerichtliche Entscheidung beantragt hatte.


Entscheidung

714. BVerfG 2 BvR 1160/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 12. Juni 2017 (Brandenburgisches OLG / LG Cottbus)

Haftraumdurchsuchungen im Strafvollzug (Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt; Zulässigkeit von Routinedurchsuchungen ohne konkreten Anlass; Recht auf effektiven Rechtsschutz; tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle; Ermessensausübung; Darlegung der Ermessenserwägungen; gerichtliche Sachaufklärungspflicht bei Widerspruch zwischen Vortrag des Gefangenen und der Anstalt); Absehen von der Begründung einer Rechtsbeschwerdeentscheidung (kein Leerlaufen des Rechtsmittels; erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit Grundrechten; Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Art. 19 Abs. 4 GG; § 119 Abs. 3 StVollzG; § 86 Abs. 1 BbgJVollzG

1. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem Rechtsschutzsuchenden Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle.

2. Auf der Grundlage einer strafvollzugsgesetzlichen Regelung, die zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt die Durchsuchung des Haftraums eines Strafgefangenen erlaubt, sind auch Routinedurchsuchungen ohne konkreten Anlass zulässig. Dies entbindet die Vollzugsbehörde allerdings nicht von der Ausübung des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessens.

3. Die Entscheidung einer Strafvollstreckungskammer, welche die Anordnung regelmäßiger Haftraumdurchsuchungen bestätigt, verletzt das Recht des betroffenen Strafgefangenen auf effektiven Rechtsschutz, wenn sich der Anordnung nicht entnehmen lässt, welche Ermessenserwägungen die Anstalt ihr zugrunde gelegt hat, und wenn das Gericht sich nicht damit auseinandersetzt, dass sich die Angaben des Strafgefangenen und der Anstalt zur Häufigkeit der Durchsuchungen offensichtlich widersprechen.

4. Sieht das Rechtsbeschwerdegericht nach § 119 Abs. 3 StVollzG von einer Begründung seiner Entscheidung ab, so ist dies mit Art. 19 Abs. 4 GG nur vereinbar, wenn dadurch das Rechtsmittel nicht leerläuft. Letzteres ist bereits dann anzunehmen, wenn erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der angegriffenen Entscheidung mit Grundrechten bestehen, etwa weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – hier: zur Sachaufklärungspflicht – abweicht.