HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2007
8. Jahrgang
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II. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

711. BGH 1 StR 312/07 - Beschluss vom 17. Juli 2007 (LG Freiburg)

Sukzessive Beihilfe nach Sicherstellung; Strafzumessung (Ermittlungsverhalten und Zugriffsverzögerungen).

Art. 6 EMRK; § 46 StGB; § 27 StGB

Es bestehen rechtliche Bedenken dagegen, im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Ermittlungsbehörden aus ermittlungstaktischen Erwägungen nicht schon früher eingegriffen haben. Einen Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern, gibt es nicht; insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 172).


Entscheidung

657. BGH 2 StR 209/07 - Urteil vom 25. Juli 2007 (LG Aachen)

Sicherungsverwahrung; Hang zu erheblichen Straftaten (mehrere Straftaten; mehrere Tatopfer); Gefährlichkeitsprognose.

§ 66 StGB

1. Ein „Hang zu erheblichen Straftaten“ im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, oder der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.

2. Der Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt nicht voraus, dass Straftaten zum Nachteil einer Mehrzahl von Tatopfern begangen wurden. Der Hang zur Begehung erheblicher Straftaten kann sich vielmehr auch in mehreren und wiederholten Straftaten gegen ein und dasselbe Tatopfer manifestieren.


Entscheidung

689. BGH 3 StR 242/07 - Beschluss vom 10. Juli 2007 (LG Oldenburg)

Vergewaltigung (strafmildernde Berücksichtigung einer früheren Intimbeziehung; Umstände des Einzelfalls).

§ 177 Abs. 2 StGB; § 46 StGB

Frühere Intimbeziehungen mögen in vielen Fällen dazu führen, dass ein Opfer einen sexuellen Übergriff als weniger beeinträchtigend empfindet, was eine strafmildernde Berücksichtigung zu rechtfertigen vermag, doch hängt dies von den Umständen des Einzelfalls ab.


Entscheidung

754. BGH 5 StR 279/07 - Beschluss vom 18. Juli 2007 (LG Frankfurt)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Begriff des Hanges: Entbehrlichkeit der körperlichen Abhängigkeit; Erörterungsmangel).

§ 64 StGB

Zur Annahme eines Hanges i.S. des § 64 StGB ist eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit nicht Voraussetzung, sondern es genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ohne dass diese den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (BGH, Beschluss vom 18. August 1998 - 5 StR 363/98).


Entscheidung

744. BGH 5 StR 215/07 - Beschluss vom 26. Juni 2007 (LG Berlin)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Verhältnismäßigkeit; Schwere der Anlasstat; Betreuung).

§ 63 StGB; § 62 StGB; § 1896 BGB

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn - im Blick auf § 62 StGB - die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten.