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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2007
8. Jahrgang
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Es bestehen rechtliche Bedenken dagegen, im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Ermittlungsbehörden aus ermittlungstaktischen Erwägungen nicht schon früher eingegriffen haben. Einen Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern, gibt es nicht; insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 172).
1. Ein „Hang zu erheblichen Straftaten“ im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, oder der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.
2. Der Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt nicht voraus, dass Straftaten zum Nachteil einer Mehrzahl von Tatopfern begangen wurden. Der Hang zur Begehung erheblicher Straftaten kann sich vielmehr auch in mehreren und wiederholten Straftaten gegen ein und dasselbe Tatopfer manifestieren.
Frühere Intimbeziehungen mögen in vielen Fällen dazu führen, dass ein Opfer einen sexuellen Übergriff als weniger beeinträchtigend empfindet, was eine strafmildernde Berücksichtigung zu rechtfertigen vermag, doch hängt dies von den Umständen des Einzelfalls ab.
Zur Annahme eines Hanges i.S. des § 64 StGB ist eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit nicht Voraussetzung, sondern es genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ohne dass diese den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (BGH, Beschluss vom 18. August 1998 - 5 StR 363/98).
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn - im Blick auf § 62 StGB - die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten.