Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2007
8. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die HRRS-Ausgaben August und September erscheinen auch in diesem Jahr als Doppelausgabe. Den Inhalt machen insbesondere aus: Zum einen der Aufsatz von Buermeyer zu verfassungsrechtlichen Grenzen der „Online-Durchsuchung“, zum anderen die Entscheidungsrezension von Neuling, welche die Zulassung des staatlichen Zugriffs auf Kontostammdaten durch das BVerfG kritisch beleuchtet.
Der EGMR hat in einer Entscheidung seine Rechtsprechung zur Unverwertbarkeit erfolterter Beweise ausgebaut. Weitere interessante Entscheidungen kommen in dieser Ausgabe besonders vom BGH, der zum Beispiel im Anschluss an den EGMR die Verwertbarkeit von Beweisen eingeschränkt hat, welche in Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit durch Verdeckte Ermittler erlangt worden sind.
Vor allem eine ganze Reihe strafprozessualer Entscheidung regen dazu an, die gesamte Ausgabe einzusehen.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Dr. Karsten Gaede
1. Die Verwertung einer in Verletzung des Art. 3 EMRK gewonnenen Aussage in einem Strafverfahren verstößt auch dann gegen Art. 6 EMRK, wenn das Schuldurteil in dem betroffenen Strafverfahren nicht auf ihrer Verwertung beruht.
2. Ob sich infolge der Verletzung anderer Konventionsrechte bei der Erhebung von Beweismitteln ein Verwertungsverbot für die gewonnenen Beweise gemäß Art. 6 EMRK ergibt, hängt von einer Gesamtbetrachtung ab, in der insbesondere die Natur des begangenen Konventionsverstoßes maßgeblich ist.
3. Beweismittel, die durch Folter erlangt worden sind, dürfen - ungeachtet ihres Beweiswerts - egal ob es sich um Aussagen oder sachliche Beweismittel handelt, niemals zum gesetzlichen Schuldbeweis herangezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn die erzwungenen und verwerteten Aussagen nicht gegenüber den Folternden gemacht und später von den Aussagenden bestätigt worden sind, solange sich eine Fortwirkung der früheren Folter (insbesondere: Furcht vor weiteren Beeinträchtigungen) nicht ausschließen lässt.
1. Die Rüge einer fehlenden Sachaufklärung anlässlich eines Strafverfahrens, sowie die unzureichende Beweisaufnahme und fehlerhafte Beweiswürdigung unter Verkennung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ durch das Gericht, ist an den Grundsätzen des fairen Verfahrens zu messen. Diese haben insoweit Vorrang vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Willkürverbot, da sie die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt aufweisen (vgl. BVerfGK 1, 145, 149).
2. Nicht jeder Verstoß gegen § 244 oder § 261 StPO und die hierzu von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze stellt eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts dar. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich die Fachgerichte - in Wahrung der Unschuldsvermutung der als Täter in Betracht kommenden Person - so weit von der Verpflichtung entfernt haben, auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Strafe sein kann (vgl. BVerfGK 1, 145, 152; stRspr).
3. Die Annahme, dass ein zum Tatzeitpunkt vierjähriges Kind einen geringeren Beweiswert hat, als ein zum Tatzeitpunkt bereits achtjähriges Kind, dessen Aussage ein Sachverständiger als glaubhaft bewertet hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Der bloße „vollumfängliche“ Verweis auf vorangegangene Schriften des Beschwerdeführers im Instanzenweg genügt den Anforderungen an substantiiertes Vorbringen anlässlich einer Verfassungsbeschwerde nicht. Zumindest die tatsächlichen Umstände, aus denen die Grundrechtsverletzung abgeleitet wird, müssen in der Beschwerdeschrift selbst genannt sein (vgl. BVerfGE 80, 257, 263).
2. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes richtet sich auch an den die Verfahrensordnung anwendenden Richter (vgl. BVerfGE 97, 298, 315). Das Gericht darf ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leer laufen“ lassen (vgl. BVerfGE 78, 88, 99; 96, 27, 39).
3. Es begegnet im Hinblick auf die Garantie des effektiven Rechtsschutzes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Vorlage von Aktenbestandteilen in der Revisionsbegründungsschrift gefordert wird, auf die in einem als rechtswidrig gerügten Beschluss (Fehlen einer Katalogtat i.S.d. § 100a StPO) über Verweisung Bezug genommen wird.
1. Grundrechtsverletzungen, zu denen es außerhalb der Hauptverhandlung kommt, führen nicht zwingend dazu, dass auch das auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhende Strafurteil gegen Verfassungsrecht verstößt (vgl. BVerfGK 4, 283, 285).
2. Macht der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung durch eine verfassungswidrige Verwertung von Beweisen geltend, so muss er sich in der Begründung der Verfassungsbeschwerde damit auseinandersetzen, welche Folgerungen sich aus dem geltend gemachten Verfahrensverstoß für die Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse im Urteil ergeben und er muss darlegen, warum ein Verwertungsverbot verfassungsrechtlich geboten und eine anderweitige Kompensation des Verfahrensfehlers verfassungsrechtlich nicht ausreichend sei (vgl. BVerfGK 4, 283, 285 f.).
Bei der Geltendmachung der Verletzung des Beschleunigungsgebots hat der Beschwerdeführer im Einzelnen die nach dem jeweiligen Verfahrensstand gebotene Maßnahme und die damit mutmaßlich zu erzielende Beschleunigung des Verfahrens darzulegen, sofern sich dies nicht aus den sonstigen Umständen des Falles erschließt.
1. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf gerichtliche Kontrolle (BVerfGE 35, 382, 401 f.; 101, 397, 407). Der Zugang zu den Gerichten darf nicht in einer Weise erschwert werden, die sich aus Sachgründen nicht rechtfertigen lässt. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird.
2. Art. 19 Abs. 4 GG kann auch dadurch verletzt sein, dass ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in zeitlicher Hinsicht nicht in einer der Dringlichkeit entsprechenden Weise behandelt wird. Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn keine Vorkehrungen zur Prüfung und Sicherung des fristgerechten Eingangs einer Stellungnahme für das entsprechende Verfahren getroffen werden.