Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2006
7. Jahrgang
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In dieser Ausgabe kein Eintrag.
1. Der objektive Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt voraus, dass das Tatopfer unter dem Eindruck seines schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet. Der subjektive Tatbestand setzt zumindest bedingten Vorsatz dahin gehend voraus, dass das Tatopfer in die sexuelle Handlung nicht einwilligt und dass es gerade im Hinblick auf seine Schutzlosigkeit auf möglichen Widerstand verzichtet (im Anschluss an BGHSt 45, 253). (BGHSt)
2. Es kommt für die Annahme einer objektiv schutzlosen Lage im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB darauf an, dass das Tatopfer nach einer ex-ante-Prognose möglichen nötigenden Gewalteinwirkungen des Täters schutzlos ausgeliefert wäre, d. h. ihnen weder mit Aussicht auf Erfolg körperlichen Widerstand entgegen setzen noch sich ihnen durch Flucht entziehen noch auf die Abwendung durch Hilfe dritter Personen hoffen könnte. Umstände in den äußeren Gegebenheiten, in der Person des Opfers oder des Täters können sich insoweit ergänzen, sich aber auch entgegen stehen oder einander ausschließen. Dies erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände durch das Tatgericht. (Bearbeiter)
3. Eine schutzlose Lage kann auch in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern nahe liegen. Sie ergibt sich aber nicht schon allein daraus, dass das betroffene Kind dem erwachsenen Täter körperlich unterlegen ist oder dass eine Missbrauchstat in einer Tatsituation begangen wird, in welcher das Opfer objektiv schutzlos ist. Vielmehr sind hier die deliktsspezifischen kriminologischen und psychologischen Bedingungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu berücksichtigen. Es ist im Einzelfall anhand einer umfassenden Würdigung der die Tat prägenden Umstände zu prüfen, ob der Täter aufgrund der missbräuchlichen Ausnutzung typischer kindlicher Unterlegenheit und Abhängigkeit zu seinem Ziel gelangt ist und gelangen wollte oder ob es sich um einen von § 177 Abs. 1 Nr. 3 erfassten Fall nötigender Ausnutzung einer konkretisierten Furcht des Kindes vor körperlicher Gewalteinwirkung gehandelt hat. (Bearbeiter)
1. Zum Verhältnis zwischen (leichtfertiger) Geldwäsche und Hehlerei. (BGHSt)
2. Zur europarechts- und völkerrechtskonformen Auslegung des Geldwäschetatbestands ("bestmögliche Entsprechung"). (Bearbeiter)
3. Leichtfertigkeit, die sich auch auf die Verkennung der gewerbsmäßigen Begehung der Vortaten beziehen muss, liegt vor, wenn sich die deliktische Herkunft im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Acht lässt (vgl. BGHSt 43, 158, 168). Dabei sind vor allem auch die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters zu berücksichtigen. (Bearbeiter)
4. Die vorsatzlose Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Hehlerei nach § 259 Abs. 1 StGB entfaltet keine Sperrwirkung für den Tatbestand der (leichtfertigen) Geldwäsche nach § 261 StGB. (Bearbeiter)
5. Für die Anwendbarkeit des § 261 StGB kommt es nicht darauf an, dass die verwirklichten Katalogtaten des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB im Einzelfall einen Bezug zur organisierten Kriminalität aufweisen. (Bearbeiter)
6. Das von § 259 StGB geschützte Rechtsgut ist das Vermögen; Hehlerei ist Aufrechterhaltung des durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenszustandes durch einverständliches Zusammenwirken mit dem Vortäter (vgl. BGHSt 27, 45 f.; 42, 196, 198). (Bearbeiter)
7. Unabhängig von dem im Schrifttum unterschiedlich umschriebenen Rechtsgut des § 261 StGB hat der Straftatbestand der Geldwäsche jedenfalls einen eigenständigen Unrechtsgehalt und stellt nicht nur eine besondere Form der Beteiligung an der Vortat dar (vgl. BGH NJW 1997, 3322, 3323). Er zielt auf die Gewährleistung des staatlichen Zugriffs auf Vermögensgegenstände aus besonders gefährlichen Straftaten und mithin auf die Abwendung besonderer Gefahren für die Volkswirtschaft und damit den Staat. (Bearbeiter)
8. Die Geldwäsche tritt hinter die Verurteilung wegen der Vortat der gewerbsmäßigen Hehlerei zurück. Beim handlungseinheitlichen Zusammentreffen von einfacher Hehlerei und Geldwäsche liegt hingegen Tateinheit vor. (Bearbeiter)
1. Das Motiv der "Blutrache" ist regelmäßig als niedriger Beweggrund anzusehen. Eine Ausnahme kann gelten, wenn dem Täter seinerseits durch das Opfer mit der Tötung eines nahen Angehörigen erhebliches Leid zugefügt wurde, das ihn zur Tatzeit noch gravierend belastete. (BGHR)
2. Ob ein durch Tötung naher Angehöriger zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten derart erheblich ist, dass der Beweggrund insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV 1998, 130), u. U. deren strafjustizielle Aufarbeitung, Näheverhältnis zum Getöteten, Grad fortdauernder persönlicher Betroffenheit und konkrete objektive Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). (Bearbeiter)
3. Zur Problematik wiederholten Nachfragens bei einem unverteidigten Angeklagten, der sich auf sein Schweigerecht beruft und seine Aussagebereitschaft von einer vorherigen Besprechung mit seinem Verteidiger abhängig macht. (BGHR)
4. Eine Frage, ob man nicht "miteinander sprechen" könne, nachdem sich der Angeklagte gerade nach Belehrung ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen und eventuelle Äußerungen von der vorherigen Konsultation eines Verteidigers abhängig gemacht hatte, kann bei einem Beschuldigten den fehlerhaften Eindruck hervorrufen, ein solches bloßes "Gespräch" unterscheide sich in seiner Verwertbarkeit von einer "förmlichen" Vernehmung. Darüber hinaus kann stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund das Schweigerecht des unverteidigten Beschuldigten entwerten. (Bearbeiter)
5. Nachfragen sind nach ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts dann gänzlich unproblematisch, wenn neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne verstrichen ist, in denen sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben kann. Jenseits solcher neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels darf das Schweigerecht jedenfalls bei einem unverteidigten Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der Sache zu bringen. (Bearbeiter)
6. Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt. Der Wunsch des Beschuldigten nach Rücksprache mit seinem Verteidiger zur Erörterung der Frage, ob eine Einlassung erfolgen soll oder nicht, darf nicht durch ständige Nachfrage missachtet werden, ohne dass dem Wunsch nach Benachrichtigung eines benannten Verteidigers zuvor nachgekommen wird. (Bearbeiter)
7. Über die Frage, ob von der Vernehmung in Anwesenheit der Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl eines kindlichen Zeugen zu befürchten ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht der kindliche Zeuge zu entscheiden. (Bearbeiter)
8. Die bisherige Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis von Mord und Totschlag ist problematisch. Ihr sind gewichtige Gegenargumente entgegen zu halten. (Bearbeiter)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Vermögensschaden vor, wenn durch die Täuschungshandlung das Gesamtvermögen des Verfügenden gemindert wird (BGHSt 16, 321, 325; 220, 221; 3, 99, 102; BGH NStZ 1997, 32). Bei Austauschverhältnissen ist der gebotene Vermögensvergleich aufgrund einer Saldierung von Leistung und Gegenleistung vorzunehmen. Dieser Grundsatz findet auch bei Subventionsleistungen Beachtung, weil dort in vergleichbarer Weise ein durch gegenseitige Pflichten geprägtes Leistungsverhältnis gegeben ist. Das Austauschverhältnis besteht bei der Subventionsgewährung darin, dass der Subventionsnehmer gegenüber dem Subventionsgeber die zweckgerichtete Verwendung der ihm zugewandten Subventionsgelder schuldet (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 48).
2. Diese Gegenseitigkeitsbeziehung wird gestört, wenn die Mittelverwendung nicht dem Subventionszweck entspricht. Deshalb fügt der jenige dem Staat als dem Subventionsgeber einen Schaden zu, der sich solche haushaltsrechtlich gebundenen Mittel erschleicht, obwohl er nicht zu der begünstigten Bevölkerungsgruppe zählt.
Ein Schaden ergibt sich für den Subventionsgeber dann daraus, dass die zweckgebundenen Mittel verringert werden, ohne dass der erstrebte sozialpolitische Zweck erreicht wird (BGHSt 31, 93, 95). Maßstab für die Schadensbestimmung ist deshalb der Subventionszweck, wie er durch die hierfür einschlägigen Rechtsgrundlagen umschrieben ist. Wird der Zweck erreicht, dann führt ein sonstiger Verstoß gegen haushaltsrechtliche Grundsätze nicht ohne weiteres zu einem Vermögensschaden (vgl. auch BGHSt 31, 93, 96; 19, 37, 45).
3. Eine Täuschung über Nachweise reicht für sich genommen für die Annahme eines Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB nicht aus (vgl. auch BGHSt 31, 93, 96). Der Betrug schützt nicht die Wahrheit und das Vertrauen im Geschäftsverkehr, sondern ist eine Vermögensstraftat. Nicht die Täuschung an und für sich, sondern die vermögensschädigende Täuschung ist strafbar (BGHSt 16, 220, 221).
1. Eine konkrete Gefahr kann, soll die Grenze zur abstrakten Gefahr nicht verwischt werden, nur dann angenommen werden, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt hat; in dieser Situation muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass "das noch einmal gut gegangen sei". Diese Erwägungen gelten auch für die von § 235 Abs. 4 StGB vorausgesetzte konkrete Gefahr. Danach kann die bloße Kindesentziehung, auch wenn sie mit einem Verbringen des Kindes in das Ausland verbunden ist, für die Annahme einer solchen Gefahr nicht ausreichen.
2. Das Verbringen in einen fremden Kulturkreis kann aber den Qualifikationstatbestand dann erfüllen, wenn eine konkrete Gefahr für die körperliche, seelische oder psychische Entwicklung des Minderjährigen damit verbunden ist, etwa wenn unter massivem Einfluss einer fremden Religion die Gefahr einer Entwicklungsschädigung droht.
3. Opfer im Sinne von § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist der von der Tat betroffene Minderjährige, nicht jedoch der Sorgeberechtigte.
4. Die Entziehung Minderjähriger ist eine Dauerstraftat. Bei einem Angeklagten, der den Aufenthalt der Kinder noch immer verheimlicht, erscheint es zum einen als zweifelhaft, dass der die Straftat fortsetzende Angeklagte vorzeitig aus der Strafhaft entlassen werden könnte. Zum anderen wird auch durch die Verurteilung wegen Entziehung Minderjähriger in dieser Sache die Straftat nicht beendet; bei weiter andauernder Entziehung wäre mithin eine erneute Verurteilung möglich (vgl. BGHSt 14, 280, 281).
1. Eine schutzlose Lage im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt voraus, dass das Tatopfer sich objektiv in einer Lage befindet, in welcher es nötigenden Gewalthandlungen des Täters schutzlos ausgeliefert wäre.
2. Eine Schutzlosigkeit in diesem Sinne ergibt sich nicht schon ohne Weiteres aus dem Vorliegen eines isolierten Umstands in der äußeren Tatsituation oder in der Persönlichkeit des Tatopfers oder des Täters. Der Begriff der Schutzlosigkeit beschreibt vielmehr ein konkretes Verhältnis zwischen den Möglichkeiten des Täters, seinen Willen gegebenenfalls mit Gewalt durchzusetzen, und den Möglichkeiten des Tatopfers, sich solchen Einwirkungen zu entziehen. Daher kommt es stets auf die Gesamtheit äußerer Umstände und persönlicher Voraussetzungen von Täter und Opfer im Einzelfall an. Weder einzelne äußere Umstände als solche (z. B. Abgeschiedenheit oder Belebtheit des Ortes, Tageszeit) noch einzelne Gegebenheiten in der Person von Täter oder Tatopfer (z. B. körperliche Verfassung und Leistungsfähigkeit, psychische Disposition) oder von dritten Personen erlauben für sich allein eine abschließende Beurteilung, ob die Lage des Opfers zum Tatzeitpunkt sich als "schutzlos" darstellt.
3. Der Senat lässt offen, ob es - wie im Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - 2 StR 351/03 = NStZ 2004, 440 entschieden - nicht darauf ankommt, ob das Opfer einer sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB selbst die Schutzlosigkeit seiner Lage erkennt und sich vor Zwangshandlungen des Täters fürchtet, sofern sich das Tatopfer nur objektiv in einer schutzlosen Lage befindet, welche der Täter bewusst zur Vornahme einer sexuellen Handlung ausnutzt, d.h. ob es tatsächlich ausreichend ist, dass das Opfer die sexuelle Handlung nicht will und der Täter dies erkennt oder mindestens billigend in Kauf nimmt (vgl. aber das Senatsurteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 345/05 -, in dem diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben wird).