Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2004
5. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die HRRS nimmt mit der Mai-Ausgabe erstmals auch Rezensionen zu strafrechtlich relevanten Publikationen auf. Die Rezensionen dieser Ausgabe wurden dabei von Prof. Dr. Hans Kudlich, RA Dr. Thorsten Junker und RA Markus Rübenstahl (mag. iur.) verfasst. Die Ausgabe umfasst darüber hinaus unter anderem eine Entscheidung des EGMR (Puhk v. Estland), die Ihnen die Auslegung des Art. 7 EMRK (nulla poena sine lege) näher bringt. Hinzuweisen ist auch auf zwei Entscheidungen des BVerfG, von den sich eine mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Beweiswürdigung und eine andere mit dem verfassungsrechtlichen Schutz gegen (Mit-)Hörfallen auseinandersetzt.
Zum laufenden Anfrageverfahren des dritten Strafsenates zur Auslegung des Handeltreibens im BtMG bietet Ihnen die Mai-Ausgabe einen HRRS-Praxishinweis. Überdies stellt Ihnen Frau Oberassistentin Dr. Daniela Demko (LLM) anhand der Amuur-Entscheidung die Auslegung des Begriffs der Freiheitsentziehung (Art. 5 EMRK) dar. Der Beitrag befasst sich dabei insbesondere mit der Anwendung des Art. 5 EMRK auf so genannten Transitzonen in Flughäfen.
Sie sind auch in diesem Monat von der Redaktion eingeladen, auf die Ausgabe ausgiebig zuzugreifen.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Karsten Gaede
Wiss. Ass.
1. Der Schutz des Art. 7 EMRK beschränkt sich nicht darauf, die dem Angeklagten nachteilige Anwendung des Strafrechts zu untersagen. Art. 7 EMRK umfasst auch das Prinzip, dass nur das Gesetz eine Straftat definieren und eine Strafe vorsehen darf (nullum crimen, nulla poena sine lege). Ebenso umfasst der Schutz des Art. 7 EMRK das Prinzip, dass das Strafrecht nicht zu lasten des Angeklagten extensiv ausgelegt werden darf.
2. Eine Straftat muss durch das Gesetz klar definiert werden. Dem ist genügt, wenn der Einzelne auf Grund der Formulierung der relevanten Vorschriften und gegebenenfalls mit Hilfe der Auslegung der Rechtsprechung vorhersehen kann, welche Handlungen und Unterlassungen zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen.
3. Das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 7 EMRK ist ein grundlegendes Element der rule of law. Es ist so auszulegen und anzuwenden, dass ein effektiver Schutz gegen willkürliche Strafverfolgungen, Verurteilungen und Strafzumessungen besteht.
4. Art. 7 EMRK gilt auch bei Dauerdelikten. Wird die Strafbarkeit eines Dauerdelikts eingeführt, darf infolge Art. 7 EMRK keine Bestrafung des dem Einführungszeitpunkt vorangegangenen Verhaltens erfolgen, selbst wenn dieses dem jeweiligen Dauerdelikt begrifflich unterfällt. Die vergleichsweise kurze Dauer einer rückwirkenden Anwendung des Strafrechts schließt eine Verletzung nicht aus. Die Dauer der rückwirkenden Anwendung ist kein für die Entscheidung gemäß Art. 7 EMRK relevantes Kriterium.
1. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) erstreckt sich auf die von Privaten betriebenen Telekommunikationsanlagen. (BVerfG)
2. Art. 10 Abs. 1 GG begründet ein Abwehrrecht gegen die Kenntnisnahme des Inhalts und der näheren Umstände der Telekommunikation durch den Staat und einen Auftrag an den Staat, Schutz auch insoweit vorzusehen, als private Dritte sich Zugriff auf die Kommunikation verschaffen. (BVerfG)
3. Die Gewährleistung des Rechts am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt vor der Nutzung einer Mithöreinrichtung, die ein Gesprächsteilnehmer einem nicht an dem Gespräch beteiligten Dritten bereitstellt. Art. 10 Abs. 1 GG umfasst diesen Schutz nicht. (BVerfG)
4. Auf das Recht am gesprochenen Wort kann sich auch eine juristische Person des Privatrechts berufen. (BVerfG)
5. Zur Verwertung von Zeugenaussagen im Zivilverfahren, die auf dem rechtswidrigen Mithören von Telefongesprächen Dritter beruhen. (BVerfG)
6. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses dient der freien Entfaltung der Persönlichkeit durch einen Kommunikationsaustausch mit Hilfe des Fernmeldeverkehrs. Es ist unerheblich, um welche Inhalte es sich handelt und ob sie privater, geschäftlicher oder politischer Art sind (vgl. BVerfGE 100, 313, 358). Der Schutz ist nicht auf die früher von der Deutschen Bundespost genutzten Technologien und angebotenen Fernmeldedienste (wie Telefon, Telefax oder Teletext) beschränkt, sondern umfasst sämtliche mit Hilfe der verfügbaren Telekommunikationstechniken erfolgenden Übermittlungen von Informationen. Auf die konkrete Übermittlungsart (etwa über Kabel oder Funk, durch analoge oder digitale Vermittlung) und Ausdrucksform (etwa Sprache, Bilder, Töne, Zeichen oder sonstige Daten) kommt es nicht an. (Bearbeiter)
7. Erfasst von Art. 10 Abs. 1 GG sind alle Kommunikationsvorgänge, die sich der Telekommunikationstechnik unter Nutzung einer entsprechenden Anlage und der darauf bezogenen Dienstleistungen eines Dritten bedienen. Der Schutz richtet sich gegen Eingriffe in die durch die Telekommunikationsanlage übermittelte Kommunikation. Geschützt ist die Vertraulichkeit der Nutzung des zur Nachrichtenübermittlung eingesetzten technischen Mediums, nicht aber das Vertrauen der Kommunikationspartner zueinander. Risiken, die nicht in der telekommunikativen Übermittlung durch einen Dritten, sondern in Umständen aus dem Einfluss- und Verantwortungsbereich eines der Kommunizierenden begründet sind, werden daher von der Grundrechtsnorm nicht erfasst. (Bearbeiter)
8. Die Reichweite des Schutzes des Fernmeldegeheimnisses endet nicht am so genannten Endgerät der Telekommunikationsanlage. Dem Schutzanliegen des Art. 10 Abs. 1 GG wird eine solche rein technisch definierte Abgrenzung angesichts der technologischen Entwicklungen und insbesondere der durch sie bedingten vielfältigen Konvergenzen der Übertragungswege, Dienste und Endgeräte nicht gerecht. Eine Gefährdung der durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Vertraulichkeit der Telekommunikation kann auch durch Zugriff am Endgerät erfolgen. Ob Art. 10 Abs. 1 GG Schutz vor solchen Zugriffen bietet, ist mit dem Blick auf den Zweck der Freiheitsverbürgung unter Berücksichtigung der spezifischen Gefährdungslage zu bestimmen. (Bearbeiter)
9. Das Recht am gesprochenen Wort gewährleistet die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen (vgl. BVerfGE 54, 148, 155). Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der Kommunikation nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. (Bearbeiter)
11. Die Schutzbedürftigkeit des Kommunikationsvorgangs hängt nicht davon ab, ob das Gespräch einen vertraulichen Inhalt oder ob der Anrufer erkennbar Wert auf Vertraulichkeit gelegt hatte. Auch ist unerheblich, ob eine Mithöreinrichtung als Abhörgerät im Sinne des § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB anzusehen ist. Zwar kann die Strafbarkeit ein Anhaltspunkt dafür sein, dass ein rechtlich besonders geschütztes Verhalten betroffen ist. Der verfassungsrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts richtet sich nicht danach, ob die Rechtsordnung einen zusätzlichen strafrechtlichen Schutz vorsieht. Das Selbstbestimmungsrecht des Gesprächsteilnehmers ist auch darüber hinaus geschützt. (Bearbeiter)
12. Der Schutzbereich des Rechts am gesprochenen Wort ist nicht beeinträchtigt, wenn jeder Gesprächsteilnehmer in das Mithören durch Dritte einwilligt. Die Einwilligung kann dabei nicht nur ausdrücklich, sondern auch still-
schweigend erklärt werden. Allein aus der tatsächlichen Verbreitung des Mithörens von Telefongesprächen kann jedoch keine stillschweigende Billigung des Mithörens angenommen werden. (Bearbeiter)
13. Allein das aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip abzuleitende allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege reicht nicht, um im Rahmen der Abwägung zwischen diesem Interesse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht des erstgenannten ausgehen zu können. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Im Strafverfahren kann dies etwa die Aufklärung besonders schwerer Straftaten sein (vgl. BVerfGE 34, 238, 248 ff.; 80, 367, 380). (Bearbeiter)
1. Prüfungsmaßstab für die Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrichterliche Aufklärungspflicht und Beweiswürdigung ist vornehmlich Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Die Grundsätze fairen Verfahrens haben insoweit Vorrang vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Willkürverbot, da sie die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt haben (vgl. BVerfGE 13, 290 296; 75, 348, 357).
2. Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG erfordert allgemein im Strafverfahren Beachtung. Sie ist eine der Wurzeln des Prozessgrundrechts auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfGE 57, 250, 274 f.), aus dem sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung im strafprozessualen Hauptverfahren ergeben (vgl. BVerfGE 57, 250, 275). Sie setzen u.a. Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208, 222) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE, a.a.O. 230). Das folgt letztlich aus der Idee der Gerechtigkeit, die wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit ist (vgl. BVerfGE 33, 367, 383) und an der sich jedwede Rechtspflege messen lassen muss.
3. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung stehen in vielfacher Verschränkung. So wie § 244 Abs. 2 StPO das Gericht verpflichtet, alle bekannten Beweismittel vollständig zu erheben, verpflichtet § 261 StPO, über alle auf der Grundlage des materiellen Rechts entscheidungserheblichen Beweisfragen eine vollständige Beweiswürdigung vorzunehmen und diese dem Urteil zu Grunde zu legen. Dabei müssen nicht nur die unmittelbaren Beweise erhoben, sondern auch die zu ihrer Würdigung erforderlichen Umstände (u.a. zur Glaubwürdigkeit der Zeugen und Glaubhaftigkeit ihrer Angaben) ihrerseits im Rahmen der Beweisaufnahme aufgeklärt und zum Gegenstand der nachfolgenden Würdigung gemacht werden.
4. Die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestellten Anforderungen an die freie richterliche Beweiswürdigung als Grundlagen einer Entscheidung über die Schuld des Angeklagten konkretisieren den Maßstab, der sich aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG für das faire, rechtsstaatliche Verfahren ergibt. Der Bundesgerichtshof hat damit der durch empirische psychologische Untersuchungen gewonnenen Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell, aber auch und gerade in den genannten Beweissituationen, in denen die Verurteilung wesentlich von der Aussage und dem Wiedererkennen einer einzelnen Person abhängt, Rechnung getragen und die besondere Verantwortung der Tatgerichte bei der Sachaufklärung und Beweiswürdigung verdeutlicht.
5. Nicht jeder Verstoß gegen § 244 Abs. 2 oder § 261 StPO und die hierzu vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze rechtfertigt das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts. Voraussetzung eines solchen ist, dass sich das Tat- und gegebenenfalls das Revisionsgericht so weit von der Verpflichtung entfernt haben, in Wahrung der Unschuldsvermutung bei jeder als Täter in Betracht kommenden Person auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Freiheitsentziehung sein kann.
1. Die bloße Möglichkeit oder auch die erklärte Absicht des Bundesministeriums der Justiz, im Rahmen des Bewilligungsverfahrens eine Zusicherung des ausländischen Staates zu einer den völkerrechtlichen Mindeststandards genügenden Haftunterbringung des Beschwerdeführers einzuholen und die Einhaltung der Zusicherung durch konsularische Maßnahmen zu überprüfen, vermag die verfassungsrechtlich geforderte Aufklärungs- und Prüfungspflicht des Oberlandesgerichts nicht einzuschränken oder die unterlassene Prüfung und Würdigung zu heilen. Der Beschwerdeführer kann nicht auf eine Prüfung der Haftbedingungen im Bewilligungsverfahren verwiesen werden kann.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die deutschen Gerichte bei der Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung von Verfassungs wegen gehalten zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zu Grunde liegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 63, 332, 337; 75, 1, 19).
3. Gegen den ordre public verstößt eine Rechtshilfehandlung, mit der der ersuchte Staat dazu beitragen würde, dass der Ausgelieferte der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde. Auch die Auslieferung zur Verhängung oder Vollstreckung einer an sich zulässigen Strafe kann gegen den ordre public verstoßen und unzulässig sein, wenn zu besorgen ist, dass die zu erwartende oder verhängte Strafe im ersuchenden Staat in einer den Erfordernissen des Art. 3 EMRK nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde.
1. Ob die Maßnahme oder Entscheidung eines Gerichts auf Willkür beruht, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Von Willkür kann nicht schon bei jeder fehlerhaften Anwendung einer Zuständigkeits- oder Verfahrensnorm des einfachen Rechts die Rede sein, sondern nur, wenn die Entscheidung sich so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil sie nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint und die Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG daher grundlegend verkannt worden ist (vgl. BVerfGE 29, 45, 49; 87, 282, 284 f.). Diese Grundsätze gelten bei der Anwendung nicht nur von Zuständigkeitsnormen, sondern auch von Bestimmungen über die Entscheidung über Ablehnungsgesuche (vgl. BVerfGE 31, 145, 164; 37, 67, 75).
2. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden, wenn der Bestimmung des § 27 Abs. 1 StPO entnommen wird, dass bei gleichzeitig angebrachten und auf gleiche oder im Wesentlichen ähnliche Gründe gestützte Ablehnungsgesuche gegen mehrere Richter diese sämtlich von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Gesuche ausgeschlossen sind, so dass sie alle durch die geschäftsplanmäßigen Vertreter zu ersetzen sind.
3. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn den Bestimmungen über das Ablehnungsverfahren entnommen wird, dass über mehrere gegen einen Richter vorgebrachte noch nicht erledigte Ablehnungsgesuche gleichzeitig zu entscheiden ist, so dass auch die einzeln vorgetragenen Ablehnungsgesuche Gegenstand der einheitlichen Entscheidung werden, die sich auch mit dem gemeinsam gegen alle Richter angebrachten Gesuch befasst.
1. Soweit nicht eine Freiheitsentziehung als solche bean-
standet wird, sondern die besonders einschneidende Art und Weise ihrer Durchführung, besteht jedenfalls dann ein Rechtsschutzinteresse an einer Überprüfung dieser Maßnahme wenn eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Betracht kommt oder wenn der Betroffene ein am Maßstab des einfachen Rechts so eklatant fehlerhaftes Vorgehen eines Hoheitsträgers geltend machen kann, dass objektive Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) nahe liegt.
2. Allein die überhastete Vollstreckung eines zu vollstreckenden Strafausspruch durch vorzeitigen Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls verletzt nicht die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Wert- und Achtungsanspruchs (vgl. BVerfGE 28, 386, 391; 72, 105, 116) wird ein Verurteilter nicht schon dann, wenn ihm die Möglichkeit des Selbststellens genommen wird. Im Einzelfall kann überhastete Vollstreckung jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen.
3. Die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit ziehen allen Hoheitsakten, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreifen, enge Grenzen (vgl. BVerfGE 63, 343, 356 f.; 76, 256, 349). Auch die Gestaltung des Strafverfahrens untersteht diesen Geboten, so dass es nicht von reinen Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt sein kann (vgl. BVerfGE 17, 108, 117 f.). Auch wenn für den Eingriff in ein Grundrecht eine verfassungsrechtlich zureichende Grundlage besteht, ist bei deren Anwendung und Durchsetzung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Das jeweils geschützte öffentliche Interesse ist gegen die Belange des Betroffenen abzuwägen (vgl. BVerfGE 35, 382, 400 f.; 50, 166, 174, 175).
Vor allem wenn die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung nicht mehr gebietet (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB), gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner freien Persönlichkeit zunehmendes Gewicht auch für die Anforderungen, die an die für die Prognoseentscheidung notwendige Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind (vgl. BVerfG NStZ 1998, 373, 374). Wegen der besonderen Bedeutung der Vollzugslockerungen für die Prognosebasis darf sich das Vollstreckungsgericht schließlich auch bei Entscheidungen über die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 57a StGB nicht damit abfinden, dass die Vollzugsbehörde ohne hinreichenden Grund Vollzugslockerungen versagt, welche die Entlassung vorbereiten können
Hat der Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen im Auslieferungsverfahren, noch die Möglichkeit, mit Hilfe eines Antrags nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs zu den von ihm als übergangen angesehenen Punkten zu erwirken, so kann die Verfassungsbeschwerde unter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) zulässigerweise erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeit erhoben werden (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2003 - 2 BvQ 14/03 -, m.w.N.).