Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2004
5. Jahrgang
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Jürgen Rath, Gesinnungsstrafrecht. Zur Kritik der Destruktion des Kriminalunrechtsbegriffs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2002, 70 S., broschiert, ISBN 3-8300-0843-0, EUR 49,00
I. Die Themen für (Kurz-)Monographien oder Aufsätze lassen sich grob gesagt in drei Kategorien einteilen: Die weitaus größte Gruppe von Arbeiten behandelt Fragestellungen, die - etwa auf Grund der Fokussierung auf ein Sachproblem oder einer aktuellen Entscheidung - mehr oder weniger auf der Hand liegen; die Behandlung dieser Themen ist uneingeschränkt sinnvoll, ihr Erblicken als "behandlungswürdig" oft aber noch keine große kreative Leistung. Eine glücklicherweise nur kleine Gruppe von Themen bilden diejenigen, deren Behandlungsnotwendigkeit spontan nicht ersichtlich ist und sich auch nach der späteren Lektüre nicht erschließt; hier mag die Themenwahl mehr oder weniger "kreativ", aber nicht stets sinnvoll sein. Der Idealfall einer Themenstellung ist jedoch diejenige, die einerseits nicht sofort auf der Hand liegt, deren Behandlung aber nach einigem Nachdenken bzw. nach der Lektüre des Beitrags/des Buches als ebenso angemessen wie plausibel erscheint. Ein solcher Glücksfall ist bei der Themenwahl für seine Kurzmonographie über "Gesinnungsstrafrecht" Jürgen Rath gelungen. Er untersucht drei - für sich betrachtet zwar jeweils durchaus in der Literatur zur Kenntnis genommene, aber selten in einen Zusammenhang miteinander gestellte - Entscheidungen des BGH, die völlig unterschiedliche Sachverhalte betreffen und mit ganz verschiedenen Strafvorschriften zu tun haben, in denen er aber ein gemeinsames Phänomen herausarbeitet und daraus eine (zumindest drohende) Tendenz in der Rechtsprechung ableitet.
II. Es geht grob gesprochen um die "Versubjektivierung von Merkmalen des objektiven Tatbestandes", worin Rath im Ergebnis (und wie in seinem Untertitel angedeutet) eine "Destruktion des Kriminalunrechtsbegriffs" sieht. Allen drei Entscheidungen ist gemein, dass der Bundesgerichtshof beim als solchem zweifelhaften Vorliegen von objektiven Tatbestandsmerkmalen dieses mit der Begründung (und auch teilweise auf solche Fälle beschränkt) bejaht hat, dass der Täter hinsichtlich der Schädigung des Opfers mit dolus directus 1. Grades gehandelt hat.
Konkret geht es um die Entscheidungen BGH 4 StR 90/99 (= NJW 1999, 3132 f. m. Anm. Kudlich, StV 2000, 24), BGH 4 StR 439/00 (= NJW 2001, 2187 m. Anm. Pawlik, StV 2003, 297; Geisler, NStZ 2002, 86; Krack, JZ 2002, 613) sowie BGH 5 StR 92/01 (=NJW 2001, 3275 ff. m. Anm. Kühl/Heger, JZ 2002, 201 sowie Wohlers/Gaede, GA 2002, 482). Im ersten Fall wurde der Täter wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b I StGB verurteilt, weil er ein äußerlich ordnungsgemäßes Verhalten im Straßenverkehr subjektiv nur zu dem Zweck durchgeführt hat, einen Unfall zu provozieren (Blinken und Abbiegen in eine kleine Einfahrt in der Hoffnung, der nachfolgende Fahrer würde davon ausgehen, dass Abbiegen würde erst an der nächsten größeren Kreuzung erfolgen, und deswegen auffahren). Im zweiten Fall hat der BGH bei der Übersendung eines ausdrücklich als Angebot bezeichneten Schreibens, das jedoch äußerlich wie eine Rechnung aufgemacht war, einen Betrug angenommen, weil der Täter nicht nur in Kauf genommen, sondern gerade darauf abgezielt hat, dass ein unaufmerksamer Leser das Schreiben für eine Rechnung hält und den entsprechenden Betrag überweist. Im dritten Fall hat der BGH eine Rechtsbeugung in einem Fall angenommen, in dem der Richter eine Rechtssache in zwar objektiv noch angemessener Zeit behandelt hat, dabei jedoch subjektiv mehr Zeit dafür aufgewendet hat, als erforderlich gewesen wäre, um dadurch den in Ordnungshaft befindlichen Beschwerdeführer zu schädigen:
1. Die Entscheidungen werden zunächst kurz skizziert ( S. 3 - 13) und die Berücksichtigung einer "bösen Absicht" als ein wesentliches Merkmal der Begründung in allen Entscheidungen herausgearbeitet (S. 14 - 16).
2. Im Anschluss beschreibt Rath, was für ihn den "Kernbereich des Kriminalunrechts" ausmacht (S. 17 ff.). Dabei wird zunächst in allgemeiner Form das "Recht" als "unbedingter Imperativ" verstanden, dem sich der Bürger nicht entziehen könne. Die Entwicklung der Gedanken in diesem Abschnitt samt ihren (rechts-)philosophischen Implikationen gerät nach meinem Empfinden ziemlich
komplex, was Rath auch selbst eingesteht (vgl. Fn. 20). Offenbar handelt es sich um eine stark "kondensierte" Fassung von Überlegungen, die Rath ausführlich in seiner Habilitationsschrift über "Das subjektive Rechtfertigungselement" entwickelt hat. Die extreme Verknappung derartiger grundlegender (und nicht immer ganz unkomplizierter) Überlegungen führt dazu, dass an den entsprechenden Passagen - wohlwollend ausgedrückt - ein hohes Konzentrationserfordernis für den Leser besteht und dass nach meinem Eindruck die Ausführungen dennoch zugleich relativ vage bleiben müssen. Dies spricht keinesfalls gegen die dort entwickelten bzw. postulierten Ergebnisse; der gewiss beabsichtigte Ableitungszusammenhang zu den späteren Überlegungen bzw. Betrachtungen der einzelnen Entscheidungen kann damit aber nicht immer im gewünschten Maße hergestellt werden.
Ein Gebot des o.g. unbedingten Imperativs ist auch die Bildung von Gemeinschaften, welche normativer Organisationsvorgaben bedürfen. Eine Legitimation für das Recht als einer solchen normativen Organisationseinheit bestehe aber nur "im äußeren Bereich", d.h. hinsichtlich der äußerlich erkennbaren Interaktion der Individuen (vgl. S. 22 f.), insbesondere dort, wo "institutionell nicht mehr hinnehmbare Gefahren" bestünden. Unberücksichtigt bleiben müssten (und eine rechtliche Sanktion nicht begründen könnten) dagegen reine "Verletzungsintentionen" (vgl. S. 26 f.).
3. Im nachfolgenden Teil beleuchtet Rath den in der Rechtswissenschaft gegenwärtig geltenden Unrechtsbegriff (vgl. S. 39 ff.), insbesondere das - nicht zu Unrecht als teilweise unscharf bezeichnete - Kriterium der objektiven Zurechnung, welches er kritisch in den Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Legitimation des (Straf-)Rechts im Allgemeinen stellt. Während nach Ansicht von Rath eine Reihe von gemeinhin anerkannten Anwendungsfällen der Lehre von der objektiven Zurechnung mehr oder weniger im Dunkeln verbleiben, soll es für bestimmte Fallgruppen durchaus möglich sein, eine (zumindest für eine strafrechtliche Reaktion) nicht zureichende Gefahrschaffung "in Folge mangelnder interaktioneller Relevanz der Subjektvollzüge" zu beschreiben. Rath nennt dabei Fälle
- des bloßen inneren Hinzielens, - des äußeren Verhaltens, in denen dieses selbst ausschließlich in der Privatsphäre des Sich-Verhaltenden verbleiben, - in denen der agierende zwar einen interaktionell wirksamen Verhaltensvollzug vornimmt, diese jedoch eindeutig, insbesondere weil rechtlich erlaubt, keine unhinnehmbare Gefahr schafft, sowie Fälle, - in denen der Agierende zwar eine interaktionell destruktive Intention verfolgt, der Verhaltensvollzug jedoch keine kriminalunrechtsrelevante Gefahr realisiert (vgl. S. 45 f.)
Es bedarf wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass nicht nur für die von Rath untersuchten Fälle, sondern überhaupt für als problematisch empfundene Konstellationen vor allem die vierte Fallgruppe von Bedeutung ist, diese jedoch sogleich wieder die problematischste und unbestimmteste darstellt, da bei einem "wirksamen äußeren Verhaltensvollzug" auf der Grundlage einer "interaktionell destruktiven Intention" gerade Kriterien angegeben werden müssten, warum dennoch "keine kriminalunrechtsrelevante - im Gemeinschaftsverhältnis nicht mehr hinnehmbare - Gefahr realisiert" wird.
4. Im letzten und umfangreichsten Teil des Buches (S. 47 ff.) untersucht Rath vor diesem Hintergrund noch einmal die eingangs skizzierten Entscheidungen und versucht nachzuweisen, dass dort gerade Fälle vorliegen, die im von ihm verstandenen eindeutigen Sinne außerhalb einer "interaktionellen Relevanz der Subjektvollzüge" liegen sollen.
III. Ohne dass dies im Rahmen einer kurzen Besprechung ausführlich dargetan werden könnte, mag man sich zumindest kurz die Frage stellen, ob die Rath’schen Kriterien stets zu überzeugenden und trennscharfen Lösungen führen: Insbesondere dann, wenn sowohl ein unerwünschter Erfolg (regelmäßig in Gestalt einer Rechtsgutsverletzung) eingetreten ist und keine weiteren spezifischen äußeren Anforderungen an das Verhalten gestellt werden, mag man durchaus erwägen, auch die subjektive Einstellung des Täters - gerade als Korrektiv für die sonst drohende zu weite Zurechnung! - mit zu berücksichtigen. Dies wird deutlich etwa in den (zumindest gemischt) subjektiven Ansätzen zur Behandlung des Problems der "neutralen Beihilfe" (vgl. nur Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten [im Erscheinen, 2004], insbesondere S. 118 ff., 330 ff., 338 ff., 443 ff.; kritisch zu einer Berücksichtigung subjektiver Elemente auch in diesem Problemkreis Rath, S. 64) sowie bei der aktuellen (wenngleich möglicherweise aus anderen Gründen angreifbaren) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Entgegennahme von Strafverteidigerhonoraren als Geldwäsche (vgl. BVerfG HRRS 2004 Nr. 238 mit insoweit aber krit. Besprechung Mühlbauer, HRRS 2004, 132 ff.).
Insofern spricht einiges dafür, dass (ohne das dies zu von Rath abweichenden Ergebnissen für die von ihm untersuchten Entscheidungen führen würde) rein objektive Abgrenzungen zumindest regelmäßig nur dort trennscharf gezogen werden können, wo das pönalisierte Verhalten äußerlich näher umschrieben, die Strafbarkeit also in einem spezifischen Sinne verhaltensgebunden ist. Wenn Rath gegen dieses Konzept einwendet, der "Rekurs auf die Verhaltensbindung (dürfte) nicht auskommen, ohne die Definition bestimmter Gefahrengrenzen" (sic., vgl. S. 49 Fn. 79), so wird man wohl eher annehmen müssen, dass sich umgekehrt die vom Gesetzgeber gewünschten Gefahrengrenzen aus den jeweiligen Verhaltensbeschreibungen (also z.B. bei § 263 StGB aus dem Erfordernis der Täuschung, bei § 315b StGB aus den dort mehr oder weniger genau beschriebenen Eingriffen usw.) ergeben sollten.
IV. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen: Rath liefert in seiner kleinen Schrift nicht nur eine im Ergebnis zutreffende Kritik an einzelnen Entscheidungen und vielleicht sogar einer gewissen Tendenz in der Rechtsprechung des BGH, sondern unternimmt auch den lobenswerten Versuch einer fallgruppenübergreifenden Grundlegung. Diese gerät vielleicht gelegentlich etwas zu abstrakt und auch zu "pathetisch" (vgl. nur den Schlusssatz des Werkes: "Es ist zu wollen, dass die fragliche Rechtsprechung alsbald wieder in diejenige Kategorie zurückfindet, für die sie im demokratischen Rechtsstaat inthronisiert ist: In die Kategorie des Rechts."). Als alternativen Ansatz könnte man erwägen, dass teilweise durchaus wechselseitig durchlässige Verhältnis zwischen objektiven und subjektiven unrechtsbegründenden Elementen (vgl. bereits Roxin, Honig-FS, S. 133, 147, sowie nochmals Kudlich, a.a.O., S. 317 ff., insbesondere 330 ff.) näher zu untersuchen und dann für den jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob dieses Verhältnis noch in angemessener Form berücksichtigt wurde oder aber ob die objektiven Anforderungen in unzulässiger Weise zugunsten der bloßen Handlungsintensionen zurückgedrängt werden.
Zwei kleinere Monita, die jedoch nicht vorrangig den Verfasser treffen: Der Satz des Werkes ist verbesserungsfähig. Insbesondere rutschen durch die relativ großen Abstände zwischen Wörtern und den dazugehörigen Fußnotenzeichen gelegentlich Fußnotenzeichen alleine in die nachfolgende Zeile. Auch stimmt der Zeilenumbruch offenbar nicht immer (vgl. etwa S. 23, wo der Abschnitt "aa)" mitten in der Zeile beginnt und wenige Zeilen weiter unten die zum Wort "verbindet" gehörenden beiden Fußnoten 31 und 32 hintereinander erst in der nachfolgenden Zeile stehen. Ferner ist - gerade auch und in dieser Ausführung - für ein Büchlein mit 66 Seiten ein Preis von 49 Euro eigentlich nicht vertretbar. Das ist nicht zuletzt deswegen schade, weil der Preis selbstverständlich ein Faktor ist, der auch über die Verbreitung eines Werkes mitentscheiden dürfte - und trotz aller hier geäußerten abweichenden Betrachtungsweisen ist den Überlegungen von Rath eine weite Verbreitung zu wünschen.
Prof. Dr. Hans Kudlich, Bucerius Law School, Hamburg
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Burhoff/Kindermann, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2004. RVG mit Erläuterungen, Beispielen und Praxishinweisen, Synopse, Gesetzestext und amtlicher Begründung. ZAP Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, 2004, 520 Seiten, EUR 38,00.
Mit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) am 01.07.2004 ändert sich die Struktur des anwaltlichen Vergütungsrechts grundlegend. Angesichts der knapp bemessenen Zeit, die den Rechtsanwälten für die Einarbeitung in die neue Materie zur Verfügung steht, benötigt man Hilfsmittel, die einem einen schnellen, aber dennoch umfassenden Überblick über die neuen Regelungen ermöglichen. Diesen Anspruch verfolgt das im März 2004 erschienene Werk von Burhoff/Kindermann, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2004, und wird ihm in ausgezeichneter Weise gerecht. Erläuterungen zum RVG, Beispiele und Praxishinweise, eine Textsynopse und der Gesetzestext mit den amtlichen Begründungen werden in einem kompakten Handbuch vereint. Damit findet der Anwender in diesem Buch alles, was er für den Wechsel von der BRAGO zum RVG benötigt. Für Strafverteidiger ist das Werk gleich aus zwei Gründen besonders interessant: Die Erläuterungen der strafrechtlichen Gebührenregelungen nehmen einen sehr breiten Raum ein und sind verfasst von Burhoff, der bereits im Bereich des Strafverfahrensrechts mit seinen Handbüchern Maßstäbe gesetzt hat.
Das vorliegende Handbuch zum RVG gliedert sich in vier Teile: Im ersten Teil erhält der Leser eine Einführung in das neue Gebührenrecht. Anschließend wird im zweiten Teil der aktuelle Gesetzestext zur Verfügung gestellt. Für die Auslegung von Zweifelsfällen hält der dritte Teil die vollständigen Gesetzgebungsmaterialen parat. Absolut unverzichtbar für den reibungslosen Umstieg von der BRAGO zum RVG ist die im vierten Teil enthaltene ausführliche Textsynopse.
1. Die Einführung in das neue Gebührenrecht beginnt mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der BRAGO-Struktur-Reform und den Werdegang des RVG, sowie der Erläuterung der Reformziele. Anschließend wird ausführlich auf die wesentlichen Neuregelungen des RVG eingegangen. Burhoff beschreibt zunächst die systematischen Neuerungen, die eine Angleichung an die Struktur des GKG oder GvKostG mit sich bringen: Das RVG gliedert sich in einen Allgemeinen Teil mit 61 Paragraphen, in dem die Grundsätze des anwaltlichen Gebührenrechts geregelt sind, und ein Vergütungsverzeichnis, das die eigentlichen Gebührentatbestände beinhaltet. Burhoff hebt zu Recht hervor, dass diese Gesetzestechnik schnell ihre Anwenderfreundlichkeit beweisen wird, da sie langes Suchen und lange Paragraphenketten überflüssig macht.
Kindermann erläutert anschließend die allgemeinen inhaltlichen Änderungen, sowie die Gebührenvorschriften für die einzelnen anwaltlichen Tätigkeitsbereiche, mit Ausnahme der Straf- und Bußgeldsachen. Hierbei gibt sie stets wertvolle Praxishinweise und veranschaulicht die neuen Gebührentatbestände anhand von übersichtlich dargestellten Berechnungsbeispielen. Auch bereits zu Tage getretene oder schon jetzt absehbare Problemfälle werden aufgezeigt und praxisgerechten Lösungen zugeführt.
2. Der Strafverteidiger wird sich auf die neuen Gebührenregelungen für die Tätigkeiten in Straf- und Bußgeldsachen konzentrieren, die von Burhoff erläutert werden.
a) Im Bereich der strafrechtlichen Gebührenvorschriften wurden die größten Veränderungen gegenüber der Gebührenstruktur der BRAGO vorgenommen. Im Vordergrund stehen die Verbesserung der Honorierung im Ermittlungsverfahren, sowie die verbesserte Honorierung des Pflichtverteidigers. Der Zeugenbeistand soll in Zukunft die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten. Neu ist auch, dass die Tätigkeit in der Strafvollstreckung nunmehr von eigenen Gebührentatbeständen erfasst wird.
Das RVG kennt im Strafverfahren nur noch die Verfahrens- und die Terminsgebühr, die aus der früheren Hauptverhandlungsgebühr des § 83 BRAGO entstanden sind. Daneben wurde eine sogenannte Grundgebühr eingeführt. Die einzelnen Gebührentatbestände sind in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses enthalten. Erhalten bleibt die Ausgestaltung der Gebühren des Wahlanwalts als Rahmengebühren. Beim Pflichtverteidiger sind - wie bisher auch - Festgebühren vorgesehen. Neu ist, dass der Pflichtverteidiger in Zukunft 80 % der Mittelgebühr des Wahlanwalts erhält. Diese Anbindung der Pflichtverteidigergebühren an die Mittelgebühr des Wahlanwalts führt zu einer höheren Vergütung des Pflichtverteidigers. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit der Feststellung einer Pauschgebühr auch für den Wahlanwalt. Eine entsprechende Regelung sah die BRAGO nicht vor.
Die Verfahrens-, Termins- und Grundgebühr erläutert Burhoff ausführlich nach einem stringenten Schema: Es werden zunächst allgemeine Erwägungen mitgeteilt und anschließend der Abgeltungsbereich, die Höhe der Gebühren, sowie die jeweiligen Sonderfälle eingehend beschrieben. Die neue Grundgebühr soll die (erstmalige) Einarbeitung in den Rechtsfall abgelten. Die neue Verfahrensgebühr erhält der Verteidiger für die Vertretung des Mandanten im vorbereitenden bzw. gerichtlichen Verfahren. Zusätzlich kann die neue Terminsgebühr anfallen. Diese erhält der Verteidiger auch für die Teilnahme an richterlichen Vernehmungen und Vernehmungen der Strafverfolgungsbehörden außerhalb der Hauptverhandlung. Eine entsprechende Regelung fehlte in der BRAGO und konnte im Rahmen der Pflichtverteidigung allenfalls über das Instrument der Pauschgebühr geltend gemacht werden. Eine Einschränkung gilt aber insoweit, als diese Gebühr im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen nur einmal entsteht. Völlig neu ist der Längenzuschlag zur Terminsgebühr für den Pflichtverteidiger. Bei mehr als fünf und bis zu acht Stunden bzw. bei mehr als acht Stunden Hauptverhandlungsdauer bekommt der Pflichtverteidiger nun zusätzlich zur Terminsgebühr eine Zusatzgebühr. Damit wird vielfach die Bewilligung einer Pauschvergütung obsolet werden.
Die Darstellung der einzelnen Gebührentatbestände ist aufgrund von Stichwortlisten, Tabellen und Berechnungsbeispielen sehr übersichtlich. Zusätzlich werden immer wieder wertvolle Praxishinweise gegeben. Für alle Verfahrensstadien und Tätigkeitsbereiche findet der Strafverteidiger in diesem Handbuch präzise Erläuterungen.
b) Im Bereich der Bußgeldsachen sieht das RVG ebenfalls erhebliche Veränderungen vor. Die der Hauptverhandlung vorausgehenden Verfahrensabschnitte werden zukünftig stärker berücksichtigt. Auch in Bußgeldsachen erfolgt die Berechnung anhand der Verfahrens- und Terminsgebühren, die aus der früheren Hauptverhandlungsgebühr entstanden sind, sowie der neu eingeführten Grundgebühr. Eine wesentliche Änderung gegenüber der früheren Rechtslage in Owi-Sachen ist die vom RVG vorgenommene Dreiteilung der Gebühren für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde sowie das gerichtliche Verfahren. Die Vergütung wird abhängig gemacht von der Höhe der Geldbuße, wobei folgende Stufen gelten: Geldbuße weniger als 40,00 EUR, Geldbuße von 40,00 EUR bis 5.000,00 EUR und Geldbuße von mehr als 5.000,00 EUR. Bei den Geldbußen von weniger als 40,00 EUR wird die Tätigkeit des Verteidigers in Zukunft niedriger entgolten als nach der BRAGO. Bei den Geldbußen von 40,00 EUR bis 5.000,00 EUR bleibt die Vergütung in etwa auf dem Niveau der BRAGO. Im Übrigen erfolgt eine höhere Vergütung.
Auch bei den Gebühren in Bußgeldsachen erläutert Burhoff die einzelnen Tatbestände und Sonderfälle anhand von plastischen Beispielen. Im Rahmen seiner Kommentierung der Vorschriften zu den Auslagen gibt er dem Leser zudem auch Formulierungsmuster an die Hand.
3. Im zweiten Teil des Handbuches ist der gesamte Text des neuen RVG einschließlich des neuen Vergütungsverzeichnisses abgedruckt, sodass insoweit keine zusätzliche Literatur erforderlich ist. Zusätzlich enthält der dritte Teil des Buches die Gesetzesmaterialien, das heißt den Gesetzentwurf einschließlich Begründung, sowie auszugsweise die Stellungnahme des Bundesrats und die Gegenäußerung der Bundesregierung. Die Materialien stellen vor allem in der Übergangszeit eine wertvolle Auslegungshilfe bei der Lösung von Zweifelsfällen dar. Unverzichtbar für die tägliche Praxis und den schnellen Zugriff auf einzelne Vorschriften ist die im vierten Teil zusammengestellte Arbeitssynopse. Alle bisherigen und neuen Regelungen werden mit dem Gesetzestext einander gegenübergestellt. Dies ermöglicht eine schnelle Orientierung und schafft Klarheit über die jeweiligen Änderungen der Gebührentatbestände.
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Burhoff und Kindermann haben mit ihrem Werk ein in sich stimmiges Handbuch für den schnellen und reibungslosen Umstieg von der BRAGO zum RVG vorgelegt. Die Erläuterungen sind klar und präzise und aufgrund von Stichwortlisten, Tabellen und Beispielen sehr übersichtlich. Das neue Vergütungssystem wird für jeden Tätigkeitsbereich praxisgerecht aufbereitet. Gesetzestext, Materialen und Textsynopse ermöglichen die Arbeit mit dem neuen RVG ohne Zuhilfenahme weiterer Literatur. So gleicht das vorliegende Handbuch einem "Schweizer Taschenmesser": Kompakt und doch mit allen notwendigen Werkzeugen ausgestattet. Es kann jedem, der sich in das neue RVG einarbeiten muss, uneingeschränkt empf-
ohlen werden. Aufgrund der ausführlichen Erläuterungen der strafrechtlichen Gebührenvorschriften gilt diese Empfehlung in besonderer Weise für den Strafverteidiger.
Rechtsanwalt Dr. Thorsten Junker, Augsburg
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Hannah Richter, Strafbarkeit bei vorzeitiger Durchsetzung eines Anspruchs, Kieler Schriften zum Strafrecht, Bd. 35, NOMOS, Baden-Baden 2003, 119 S., brosch., ISBN 3-8329-0401-8, EUR 41,-
Die von Samson betreute Kieler Dissertation geht darauf aus, die "allgemein herrschende Meinung" zu überprüfen, dass sowohl die Fälligkeit als auch die Einredefreiheit eines zivilrechtlichen Anspruchs erforderlich ist, um denjenigen, der dessen Gegenstand durch Wegnahme, Nötigung, Täuschung oder Veruntreuung an sich bringt, vor der Strafbarkeit - mangels Rechtswidrigkeit der Zueignung bei § 242 StGB oder mangels Absicht der rechtswidrigen Bereicherung bei den §§ 253, 263 und 266 StGB - zu bewahren. Die Autorin setzt sich eingangs zum Ziel - in Anlehnung an eine vermutete Tendenz der Rechtsprechung - die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu reduzieren, die zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllen, jedoch "dem Rechtsgefühl nach eine Bestrafung nicht verdienen" (S.14). Der Erste Hauptteil (S. 15-70) der Arbeit beschäftigt sich mit der Rechtswidrigkeit der Zueignung beim Diebstahl; der zweite Teil behandelt die Bereicherungsabsicht bei den Vermögensdelikten im engeren Sinn (S. 71-113); daran schließt sich ein kurzes Fazit (S. 113-115) an.
Die Autorin entwickelt ihr Thema - bzgl. des § 242 StGB - anhand zweier Beispielsfälle, die sich dadurch unterscheiden, dass in dem einen Fall nach Abschluss eines Kaufvertrages und Zahlung des Kaufpreises der Anspruch auf Herausgabe der konkret geschuldeten Sache erst einige Tage später fällig wird, in dem anderen Fall zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt eine Einrede vorgebracht wird; in beiden Fällen erfolgt die Wegnahme durch den Käufer (S. 15). Anschließend gibt die Autorin einen Überblick über die Dogmatik des Diebstahlstatbestands (S. 19-26) und einen rechtshistorischen Überblick der Behandlung des Falles der unerlaubten Selbsthilfe (S. 27-40). Anschließend arbeitet sie das typische Unrecht der klassischen Gebrauchsanmaßung heraus (S. 44-51), dass sie als Eigentumsentziehung auf Zeit ansieht, die erst bei einer gewissen Dauer einer Enteignung gleichkomme, weshalb bei geplantermaßen kurzen Beeinträchtigungen ein Enteignungsvorsatz i.S.d. § 242 StGB ausscheide. Diesen Gedanken überträgt die Autorin sodann auf den Fall der vorzeitigen Durchsetzung eines Übereignungsanspruchs (S. 52-62). Zu Recht geht sie davon aus, dass auch hier nur - zeitweilig - Besitzrechte und Interessen des (Noch-)Eigentümers verletzt sind, nicht jedoch dauerhaft eine rechtswidrige Zueignung - insbesondere Enteignung - beabsichtigt ist. Die Autorin muss jedoch einräumen, dass ihr kein Kriterium für die überzeugende Abgrenzung zwischen bloßer Gebrauchsanmaßung und vorsätzlicher rechtswidrige Enteignung zu Gebote steht; sicherlich sei die Beeinträchtigung des Eigentümers desto höher, je mehr Zeit bis zur Fälligkeit des Anspruchs noch zu vergehen habe. Entscheidend sei - wie bei sonstigen Fällen der Gebrauchsanmaßung (vgl. S. 49/50) - wann die Beeinträchtigungen einer Enteignung gleichkomme; dies sei unter Umständen erst nach Jahren der Fall (S. 54-58). Hier wäre es möglich und wünschenswert gewesen, wenn die Autorin nicht allein auf den Zeitfaktor abgestellt hätte. Bereits im Zusammenhang mit der Gebrauchsanmaßung hat sie versäumt hat, plausibel zu begründen, warum nicht auch in der Abnutzung, in dem (Teil-)Funktions- oder (Teil-)Wertverlust durch Gebrauch - nicht nur durch Zeitablauf - eine Enteignung darstellen kann. Es hätte durchaus nahe gelegen, sich mit der Auffassung der Rechtsprechung, auch der Verlust der Neuwertigkeit einer Sache stelle eine Enteignung dar (vgl. OLG Celle NJW 1967, 1921) und ähnlichen Literaturmeinungen (vgl. Fricke MDR 1988, 538 bzgl. einer überwiegenden Sachwertminderung; Rudolphi GA 1965, 46 bzgl. der dauernden Entziehung von Teilfunktionen) kritisch auseinander zu setzen. Man wird danach kaum sagen können, als einziges Abgrenzungskriterium komme der Vorsatz bzgl. der Wegnahme der Sache mehrere Jahre vor Fälligkeit in Betracht, zumal ein solcher Fall unpraktisch erscheint. Wenn bei der Wegnahme eine erheblich wertmindernde Nutzung vor der Fälligkeit beabsichtigt und zugleich zum Zeitpunkt der Wertminderung die Fälligkeit noch eine beträchtliche zeitlang - dabei muss es sich wohl kaum um Jahre handeln - nicht eintreten wird, besteht meiner Auffassung nach eine Zueignungsabsicht im Sinne des § 242 StGB. Insoweit wurde dem Schuldner endgültig ein wesentlicher Teil des Sachwerts entzogen. Bei den Gebrauchsanmaßungsfällen führt der Umstand, dass der Eigentümer die Sache bereits verkauft und innerhalb kurzer Zeit übereignet hätte, bei bestehender Absicht des Benutzers zum wertmindernden Gebrauch auch nicht zum Entfallen der Zueignungsabsicht.
Im nächsten Abschnitt (S. 63-69) differenziert die Autorin zutreffend nach der Rechtsnatur der Einrede: Für den Fall der Verjährung ist die Sache dauerhaft dem Schuldner zugewiesenen; durch die Wegnahme wird er enteignet. Bei der Einrede gemäß § 320 Abs. 1 BGB ist das Ergebnis davon abhängig, ob er der Täter den festen Willen hat die Kaufpreiszahlungen in unmittelbarer Zukunft zu erbringen; in diesem Fall hat er ersichtlich nicht die Absicht eine rechtswidrige Zueignung, während die Ungewissheit der Zahlung zu Ungewissheit bzgl. der Einrede und damit des Wegfalls der Rechtswidrigkeit der Zueignung führt; ex ante ist daher insofern vom Vorsatz bzgl. der rechtswidrigen Zueignung auszugehen. Die Autorin zieht - so scheint es - unausgesprochen den Rechtsgedanken, welcher der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung der Gebrauchsanmaßung von der Zueignung zugrunde liegt, heran: Der BGH stellt zwar nicht auf einen Zahlungswillen, aber auf den unbedingten Rückführungswillen des Täters ab (vgl.
etwa BGHSt 16, 190). Die Zahlung des Kaufpreises führt dem Vermögen des Verkäufers - mit zivilrechtlich ex nunc rechtfertigender Wirkung - in gewisser Weise das vereinbarte wertmäßige Äquivalent des Kaufgegenstandes - der weggenommenen Sache - zu. Eine nachweisbare Absicht der zeitnahen Zahlung lässt angesichts des wirksamen Kaufvertrages hinsichtlich der konkreten Sache den Enteignungsvorsatz zwangsläufig entfallen.
Im zweiten Hauptteil bildet die Autorin eingangs den Fall, dass der Täter das Opfer über die noch nicht bestehende Fälligkeit eines Anspruchs auf Zahlung täuscht ( bzw. zur Zahlung nötigt, S. 71), und befasst sich mit den Tatbestände des Betrugs und Erpressung, den geschützten Rechtsgütern und den dogmatischen Problemfeldern dieser Tatbestände, insbesondere dem Vermögensbegriff ( S. 75-85). Sie stellt sodann die in Rechtsprechung und Literatur bisher gefundenen Lösungsansätze für die durch Täuschung oder Nötigung bewirkte verfrühte Erlangung geschuldeter Gegenstände bzw. für die sogenannten Selbsthilfefälle, in denen der Schuldner säumig ist, vor ( S. 85-95). In überzeugender Weise legt die Autorin dar, dass bei vorzeitiger Zahlung die Höhe des Vermögensschadens nicht dem Wert des Gegenstandes, sondern dem Wert der bis zur Fälligkeit vom Schuldner noch zu erzielenden Zinsen entspricht, da durch das Erlöschen der - auch bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichwertigen - Forderung des Gläubigers eine Gegenleistung in Höhe des verfügten Gegenstandes erlangt wird; was der Schuldner verloren hat, ist der wirtschaftlichen Wert der Nutzungsmöglichkeit bis zur Fälligkeit des Anspruchs. Insofern hat der Gläubiger eine stoffgleiche Absicht der rechtswidrigen Bereicherung, da er in aller Regel gerade die verfrühte Nutzungsmöglichkeit bzw. die Zinsvorteile erstrebt, die dem Opfer verloren gehen (S. 96-105). Bei nicht durchsetzbaren Forderungen soll dem Schuldner zwar neben dem Zinsschaden auch ein Schaden in Höhe des verlorenen Gegenstandes entstehen (bzw. in Höhe des Wertes multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit der Nichtdurchsetzbarkeit), jedoch soll es insoweit keine Absicht der rechtswidrigen Bereicherung geben, weil nach der juristisch-ökonomischen Schadenslehre der Anspruch auf den Gegenstand an sich besteht (S. 105-111). Auch diesem Ergebnis wird man letztlich zustimmen können, selbst wenn man mit einem streng wirtschaftlichen Schadensbegriff operiert und deshalb eine Rechtswidrigkeit der Bereicherung objektiv für gegeben erachtet: Wie bei Ansprüchen auf Gattungssachen oder Geldschulden dürfte jedenfalls nach den Maßstäben des BGH (BGHSt 17, 87) subjektiv das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehlen, wird doch der Gläubiger, der Beweissituation ungeachtet oder in deren Unkenntnis davon ausgehen, grundsätzlich ein Anrecht auf den geschuldeten Gegenstand zu haben.
Bedauerlich ist, dass die anschließenden Überlegungen zur Untreue sehr knapp sind; die Erörterung der Rechtsprechung zur Kompensation des Vermögensnachteils bei § 266 StGB durch Bereithaltung von Mitteln (etwa BGHSt 15, 342, 344) hätte vertieft werden können; das Argument, ein Zinsschaden bzw. allgemein ein Verzögerungsschaden entstehe dennoch und habe einen Vermögensnachteil zur Folge, gilt nämlich dort - bei den Fällen der Veruntreuung von Mandantengeldern - wohl entgegen der Auffassung der Autorin grundsätzlich gleichermaßen (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, S. 5; vgl. Rübenstahl HRRS 2004, 54 ff). Weiterführend wären sicher auch - jenseits des Themas der Dissertation liegende - Ausführungen zu praktischen Anwendungsfällen der §§ 263, 266 StGB insbesondere im Wirtschaftsleben ertragreich gewesen. Spontan könnte man etwa daran denken, das von der Autorin erarbeitete dogmatische Instrumentarium im Rahmen des § 266 StGB auf das vor einigen Jahren in den Medien kritisierte Verhalten von Banken anzuwenden, die bei bargeldlosen Zahlungsvorgängen die Konten der Kunden zwar umgehend belasteten, jedoch Überweisungen auf diese Konten erst nach einigen Tagen valutierten, um den Zinsgewinn zu nutzen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es sich um eine knappe, stringente und zugleich anregende Arbeit zu "einem Randproblem des Besonderen Strafrechts" handelt, deren Darlegungen und Ergebnisse im Wesentlichen überzeugen.
Rechtsanwalt Markus Rübenstahl, Mag. iur.
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Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1. C. F. Müller, Heidelberg 2003, 9. Aufl., 667 S., geb., ISBN 3-8114-2344-4, EUR 95,00
I. Abgesehen von den Brandstiftungsdelikten haben die meisten Änderungen durch das 6. StrRG die Delikte gegen Leib und Leben sowie eine Reihe von Vermögensdelikten betroffen. Folglich dürfte "anteilsmäßig" kein Werk mehr durch diese Änderungen betroffen werden als ein solches, das gerade die Delikte gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte behandelt. Da das Buch von Maurach/Schroeder/Maiwald - anders als mittlerweile die meisten neueren Lehrwerke - noch immer die "klassische" Zweiteilung fortführt und daher Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte in einem Band behandelt (vgl. dazu auch Einleitung Rn. 29; zu den dort genannten Gesichtspunkten darf wohl noch ergänzend hinzugefügt werden, dass auch die universitären Vorlesungen mittlerweile vielerorts in eine Vorlesung gegen Vermögensdelikte sowie eine Vorlesung gegen Nichtvermögensdelikte aufgeteilt sind, so dass die "moderne" Teilung auch der Zuordnung eines Bandes jeweils zu einer Vorlesung entspricht), muss es im besonderen Maße durch diese umfangreichste Reform des Besonderen Teils in der Geschichte des StGB betroffen sein.
Umgekehrt dürfte bei keinem der mehr oder weniger regelmäßig erscheinenden Werke der zeitliche Abstand zwischen dem 6. StrRG und dem ersten Erscheinen einer Auflage, die dieses berücksichtigt, länger gewesen sein als beim hier angezeigten Lehrbuch. Allein schon dies macht
neugierig, wie Schroeder und Maiwald die Änderungen aufgenommen haben, zu deren Verarbeitung sie mittlerweile schon auf eine kaum noch zu übersehende Literatur zum 6. StrRG zurückgreifen konnten.
Neugierig und geradezu erwartungsfroh macht in diesem Zusammenhang aber auch noch ein zweiter Gesichtspunkt: Gerade weil das 6. StrRG verbreitet wegen der Hektik des Gesetzgebungsverfahrens in Kritik geraten ist, darf man umso gespannter sein, wie sich ein Werk mit ihnen auseinandersetzt, das nach seinem - traditionell ausgezeichnet eingelösten - Selbstanspruch die Behandlung der Tatbestände des Besonderen Teils gerade auch in die Tradition der geschichtlichen Entwicklung stellen möchte.
II. Ein kurzes Fazit sei schon an dieser Stelle erlaubt: Die beiden Bearbeiter haben es in bewundernswerter Weise verstanden, eine Auseinandersetzung mit den Neuerungen mit einem gleichzeitigem Beibehalten der bewährten Traditionen zu verknüpfen. Über die neu entstandenen Probleme und die dazu vertretenen Lösungsvorschläge wird - wenngleich manchmal etwas kürzer als man es in einem Werk dieses Umfangs erwarten würde - zuverlässig informiert, ohne dass die Einbindung in das Gesamtsystem verloren gehen würde oder dass mehr als nötig von der organisch gewachsenen Struktur der Vorauflagen aufgegeben würde.
Exemplarisch sei im Folgenden die Behandlung einiger besonders gravierender bzw. besonders viel diskutierter Neuerungen (nicht nur, aber vor allem durch das 6. StrRG) kurz skizziert:
1. Durch das 6. StrRG wurde die Privilegierung der Kindstötung nach § 217 gestrichen. Schroeder sieht dies kritisch und ist der Ansicht, dass damit eine "segensreiche Strafmilderung (...) auf dem Altar der political correctness geopfert" worden sei (vgl. § 2 Rn. 4).
2. Der Einordnung des neugefassten § 221 als "allgemeines Lebensgefährdungsdelikt" steht Schroeder offenbar kritisch gegenüber (vgl. § 4 Rn. 2); ob eine solche Einordnung gerechtfertigt sei, hänge wesentlich mit "der Stellungnahme zum Verhältnis zwischen der 'hilflosen Lage’ und dem Gefährdungsteil zusammen"; der dazu im Text gegebene Hinweis auf § 4 Rn. 5 führt dazu allerdings m.E. nicht wirklich weiter, da sich dort nur eine Definition der "hilflosen Lage" findet und der Unterschied zwischen dem Versetzen in eine solche und im Stich lassen in einer solchen dargelegt wird, ohne das gerade zum Gefährdungsteil (vgl. dazu § 4 Rn. 13) ein Bezug hergestellt würde.
3. Die im Jahr 2001 neu eingeführte Vorschrift über den Umgang mit gefährlichen Hunden (§ 143 StGB) beurteilt Schroeder kritisch und spricht der Vorschrift "alle Merkmale einer populistischen Ad-hoc-Gesetzgebung" zu, die zudem auf Grund des Systems der Tötungs- und Körperverletzungsdelikte schlechterdings überflüssig sei. Außerdem zweifelt er auf Grund einer fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 72 II GG ihre Verfassungsmäßigkeit an, da landesrechtliche Vorschriften durch eine bundesrechtliche Vorschrift mit Strafe sanktioniert werden (vgl. § 4 Rn. 19) - zumindest im Ergebnis wird diese Auffassung durch eine aktuelle Entscheidung des BVerfG (HRRS 2004 Nr. 240) bestätigt, in der das BVerfG zwar nicht jede bundesstrafrechtliche Bewehrung landesrechtlicher Verbote für unzulässig hält, wohl aber eine solche, bei der wie im konkreten Fall die landesrechtlichen Vorgaben zu unterschiedlich sind.
4. Ähnlich kritisch beurteilt Schroeder die durch Änderungen in § 1631 II BGB in den Jahren 1997 und 2000 zum Ausdruck gekommene Einschränkung des Züchtigungsrechts, welche Kindern ein "Recht auf gewaltfreie Erziehung" garantieren und "körperliche Bestrafungen" als "unzulässig" bezeichnen. Er betont zwar, dass brutale Erziehungsmethoden ohne Zweifel missbilligenswert sind, rügt jedoch zurecht die Lebensfremdheit des "in der Neufassung des Gesetzes zum Ausdruck kommenden radikalen Eifers" (vgl. § 8 Rn. 19). Interessant sind dabei die Überlegungen, dass die gesetzliche Neufassung "moderate elterliche Reaktionen nicht verhindern und damit die Akzeptanz der Rechtsordnung weiter schwächen" werden, sowie die grundsätzliche Erwägung eines Notwehr- bzw. Nothilferechts für Lehrer angesichts der zunehmenden Gewalt in Schulen.
5. Zum durch das 6 StrRG neu eingeführten Qualifikationsmerkmal der Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen in § 224 I Nr. 1 schlägt sich Schroeder mit gutem Grund auf die Seite derjenigen, die eine restriktive Auslegung des Tatbestandes fordern. Da die Gesundheitsschädigung bereits vom Grundtatbestand des § 223 vorausgesetzt wird, laufe das Merkmal der anderen "gesundheitsschädlichen" Stoffe anderenfalls nämlich leer, so dass Stoffe zu fordern seien, "die zur Verursachung erheblich oder länger dauernder Gesundheitsschäden geeignet sind" (vgl. § 9 Rn. 13).
6. Die Neuformulierung des § 224 Nr. 4 StGB (Tatbegehung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich) rügt Schroeder als "in sich widersprüchlich" und schließt als Kompromiss zwar eine Begehung mit bloßen Teilnehmern nicht aus, fordert jedoch, "dass eine Anwesenheit der Beteiligten am Tatort erforderlich ist und damit eine besonders bedrohliche Situation des Opfers besteht" (vgl. § 9 Rn. 17).
7. Als Anwendungsfälle der durch das 6. StrRG in § 242 StGB neu mit aufgenommenen Drittzueignungsabsichten sieht Schroeder die "Wegnahme zugunsten juristischer Personen", dass "Handeln im Auftrag des Zueignungsbegünstigten" sowie sonstige Fälle einer Verschaffung der vollen Verfügungsmöglichkeit an einen Dritten ohne eigene "Zwischenzueignung" (vgl. § 33 Rn. 42a). Zutreffend ist dabei sein Monitum, dass im konkreten Einzelfall auf Grund der Gleichbehandlung von Selbst- und Drittzueignungsabsicht durch das Gesetz weniger "Geisteskraft" auf die Abgrenzung zwischen diesen beiden Fällen als vielmehr auf die "Abgrenzung zur bloßen
Beihilfe zur Unterschlagung" verwendet werden sollte. Gerade deswegen wäre freilich eine knappe Leitlinie für diese Abgrenzung oder ihre Demonstration anhand einiger typischer Beispiele für den Leser an dieser Stelle hilfreich gewesen.
8. Zum kontrovers diskutierten Begriff des mitgeführten gefährlichen Werkzeugs i.S.d. § 244 I Nr. 1a (und in ähnlicher Weise i.S.d. gleichlautenden § 250 I Nr. 1a) skizziert Schroeder zunächst sehr übersichtlich die möglichen Ansatzpunkte, anhand derer die Gefährlichkeit von Gegenständen theoretisch bestimmt werden könnte (vgl. § 33 Rn. 112); er selbst kommt zu einer Definition, nach der "als gefährliche Werkzeuge solche Werkzeuge anzusehen" sein, "die sich durch ihre schnelle Einsatzbereitschaft in besonderer Weise zur Verletzung eignen und daher den Täter in Versuchung führen, sie zu verwenden" (vgl. § 33 Rn. 116), worunter etwa Handgranaten, Tapetenmesser, Salzsäure, Hammer, Baseballschläger, Knüppel, Eisenstangen und Kampfhunde, nicht jedoch zusammengeklappte Taschenmesser zählen sollen (vgl. § 33 Rn. 117). Diese Definition enthält zwar - wenngleich wohl unvermeidbare! - Unschärfen am Rand, dürfte jedoch überwiegend überzeugende Ergebnisse ermöglichen. Cum grano salis wird man freilich anmerken dürfen, dass es sich auch dabei um eine "mehr oder weniger kunstvolle Kombination" handelt, wie Schroeder sie selbst (vgl. § 33 Rn. 116) für andere Verfasser nicht ohne jede Ironie konstatiert.
9. Zum "sonstigen Werkzeug" nach § 244 I Nr. 1b (sowie § 250 I Nr. 1b) schließt sich Schroeder der herrschenden Meinung an, die entsprechend dem Willen des Gesetzgebers nunmehr auch Scheinwaffen mit einbezieht (vgl. § 33 Rn. 118); die schon von der früheren Rechtsprechung postulierte (und auch vom Gesetzgeber für richtig gehaltene) Ausnahme bei Gegenständen, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild gänzlich ungefährlich wirken ("Labello-Fälle"), wird nur wiedergegeben (vgl. § 33 Rn. 120; § 35 Rn. 27), nicht jedoch bewertet.
10. Die - nicht auf einer Änderung durch das 6. StrRG beruhende - Änderung der Rechtsprechung zum Bandenbegriff in Gestalt eines Mindesterfordernisses von drei Bandenmitgliedern wird von Schroeder begrüßt; die Zugehörigkeit zur Bande wird entgegen einer verbreiteten Ansicht als besonderes persönliches Merkmal nach § 28 II angesehen (vgl. § 33 Rn. 124, 128).
11. Zum Wohnungseinbruchsdiebstahl des § 244 I Nr. 3 StGB schließt sich Schroeder den Bemühungen um eine restriktive Auslegung grundsätzlich an, so dass "Keller- und Bodenräume, Garagen u.ä." nur dann zur Wohnung gehören sollen, "wenn zwischen ihnen und der Wohnung eine unmittelbare offene Verbindung besteht"; soweit der BGH es insoweit genügen lässt, wenn der Täter zu einem Diebstahl aus einem Geschäftsraum eine Wohnung durchquert, bewertet Schroeder dies kritisch, da "das Gravanem des Wohnungseinbruchsdiebstahls (...) in dem Durchsuchen und Durchwühlen der Wohnung (liegt), und nicht bloß in dem Hausfriedensbruch". Eine Begrenzung auf Räumlichkeiten, "die den Mittelpunkt des privaten Lebens bilden", wird jedoch abgelehnt (vgl. § 33 Rn. 130).
12. Die durch das 6. StrRG ebenfalls tiefgreifend veränderte und in der Folge den Gegenstand einer ausufernden Literatur bildende Vorschrift des § 246 wird in der Neuauflage von Maiwald bearbeitet. Wer seine Position zum Zueignungsbegriff kennt, wird nicht erstaunt sein, dass er - nach einer sorgfältigen und sehr gut strukturierten Hinführung zu den Änderungen durch das 6. StrRG - für die nach dem Wegfall des Gewahrsamserfordernis besonders bedeutsam, aber auch besonders problematisch gewordene Tathandlung der "Zueignung" eine Position vertritt, nach der eine Zueignung nur in einem Akt liegen kann, "der dem Eigentümer etwas nimmt, was ihm die Eigentumsordnung garantiert". Es könne nicht darauf ankommen, "wie sich der Täter geriert, sondern alleine darauf, welche Folgen dies für den Eigentümer hat" (vgl. § 34 Rn. 27). Zu der durch das 6. StrRG neu eingeführten Variante der Drittzueignung ist Maiwald der Ansicht, dass diese eng zu fassen sei, d.h. dass all die Fälle, die bislang in einer weiten Auslegung der Selbstzueignung als solche erfasst wurden, auch nach dem 6. StrRG als Selbst- und nicht als Drittzueignung zu beurteilen seien (vgl. § 34 Rn. 34). Dadurch komme der Drittzueignung nur ein enger Anwendungsbereich zu, da in den verbleibenden Fällen meist nur eine Beihilfe zur fremden Selbstzueignung vorliege (vgl. § 34 Rn. 35).
III. Die hier erfolgte Darstellung der Behandlung von Problemen, die in der Folge des 6. StrRG in der Literatur mehr oder weniger intensiv diskutiert worden sind, macht - zumal die entscheidenden Abschnitte hier oft wörtlich und vollständig wiedergegeben werden - deutlich, dass es Schroeder und Maiwald weder um eine Vollständigkeit in den Nachweisen noch in den Argumenten geht. Das große Lehrbuch, das an sich selbst zugleich einen "Handbuchanspruch" erhebt (vgl. S. V) erfüllt damit weder die Funktion einer vollständigen Bibliographie noch diejenige eines Kommentars. Daran ist aber auch nichts auszusetzen. Gerade durch die klare Struktur, die jedem Kapitel zugrunde gelegt wird, und durch die Beschränkung auf die wesentlichen Punkte (bei denen man aber normalerweise sicher sein kann, dass alles wirklich Wichtige irgendwo auftaucht) sind eine Stärke des Buches. Die Darstellung bleibt damit trotz der erheblichen Änderungen im Gesetz "aus einem Guss" und ist zu jedem einzelnen Abschnitt sowohl dem Umfang nach als auch sprachlich jederzeit gut lesbar. Insofern handelt es sich um ein Buch, das auch Studenten an sich jederzeit zu empfehlen wäre, wenn nicht der Preis für nur ein Teilgebiet des Besonderen Teils das studentische Budget regelmäßig übersteigen würde. Wer sich aber vertieft mit dem StGB befassen möchte, wird an diesem traditionsreichen und nunmehr wieder in aktueller Fassung vorliegenden Lehrbuch nicht vorbeikommen und insbesondere in den einleitenden Abschnitten jedes Kapitels zur Systematik und zum Rechtsgut auf Grund der pointierten Stellungnahmen der beiden Verfasser immer wieder neue interessante Dinge finden. Die Hand-
habung des Buches wird durch ein ausführliches Register erleichtert, das nicht nur die Stichworte, sondern auch die behandelten Paragraphen des StGB sowie die im Text zitierten übrigen geltenden Gesetze enthält.
Prof. Dr. Hans Kudlich, Bucerius Law School, Hamburg