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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 89

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 596/24, Beschluss v. 06.11.2024, HRRS 2025 Nr. 89


BGH 6 StR 596/24 - Beschluss vom 6. November 2024 (LG Bückeburg)

Erfolgreicher Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Urteilszustellung (Zustellungsanordnung des Vorsitzenden: Schriftliche Anordnungsverfügung, Vermerk der Geschäftsstelle über mündlich getroffene Anordnung).

§ 44 Satz 1 StPO; § 45 StPO; § 36 Abs. 1 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 19. August 2024 gewährt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Cannabis, mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist am 19. August 2024 in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündet worden. Mit Schriftsatz vom 29. August 2024, bei Gericht eingegangen per elektronischer Übermittlung am selben Tag, hat der Angeklagte über seinen Verteidiger Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Zur Begründung hat der Verteidiger ausgeführt, dass seine Kanzleiangestellte es versehentlich unterlassen habe, ihm die am 20. August 2024 nach seinem Diktat gefertigte elektronische Revisionseinlegungsschrift zur Freigabe und zum Versand in das Anwaltspostfach einzustellen, gleichwohl sei die Frist zur Einlegung der Revision im Kalender gestrichen worden. Das sei erst am 29. August 2024 nach einem Anruf des Angeklagten aufgefallen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig und begründet. Der Verteidiger des Angeklagten hat innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO dargetan und glaubhaft gemacht, dass den Angeklagten an der Versäumung der Revisionseinlegungsfrist kein Verschulden trifft. Zugleich hat er die versäumte Handlung formgerecht (§ 32d Satz 2 StPO) nachgeholt.

Die Sache ist zur Fortsetzung des Revisionsverfahrens und zur Zustellung des Urteils an das Landgericht zurückzugeben (§ 347 StPO). Den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass eine auf einer Zustellungsanordnung des Vorsitzenden (§ 36 Abs. 1 Satz 1 StPO) beruhende und für den Beginn der Revisionsbegründungsfrist maßgebliche förmliche Zustellung des Urteils (§ 345 Abs. 1 Satz 3 StPO) bereits geschehen ist. Es findet sich dort weder eine schriftliche Anordnungsverfügung des Vorsitzenden noch ein Vermerk der Geschäftsstelle über dessen mündlich getroffene Anordnung, obwohl die Dokumentation im Zeitpunkt der Zustellung aus Gründen der Rechtssicherheit geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - 4 StR 553/13, NJW 2014, 1686, LR-StPO/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 36 Rn. 7; SK-StPO/Weßlau/Singelnstein, 5. Aufl., § 36 Rn. 4; KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl., § 36 Rn. 2; aA SSW-StPO/Claus, 5. Aufl., § 36 Rn. 5, wonach die Dokumentation im Zeitpunkt der Zustellung keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt). Die Frist zur Begründung der Revision beginnt hier erst mit wirksamer Zustellung des Urteils.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 89

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede