HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 377
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 539/24, Beschluss v. 05.02.2025, HRRS 2025 Nr. 377
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 17. Mai 2024 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge „in drei Fällen“ (gemeint: in drei tateinheitlichen Fällen) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte ab Juli 2020 von Belgien aus mit Ammoniak und Aceton gestrecktes Kokain aus einer Vorratsmenge gewinnbringend nach Deutschland. Zur Abwicklung der Geschäfte nutzte der Angeklagte den Kryptomessengerdienst „SkyECC“. Der Angeklagte beauftragte einen von ihm ausgewählten und in alle Umstände eingeweihten Kurierfahrer, das Kokaingemisch mit dem Auto von Belgien über die Grenze nach Deutschland zu bringen. Er wählte jeweils den Zeitpunkt der Einfuhrfahrten aus, kommunizierte regelmäßig mit dem Kurier und dem Abnehmer in Deutschland über den Stand der Fahrt und organisierte fernmündlich die Übergabe der Lieferung an den jeweiligen Abnehmer. Am 11. August 2020 lieferte der Kurier im Auftrag des Angeklagten rund 2,5 Kilogramm des Kokaingemisches mit einem Wirkstoffanteil von 519,8 Gramm CHCl, das dieser ihm zuvor in Belgien übergeben hatte, an seinen Abnehmer in H. Am 10. Dezember 2020 lieferte der Kurier des Angeklagten rund 1,9 Kilogramm des Kokaingemisches mit einem Wirkstoffanteil von 380 Gramm CHCl wiederum an den Abnehmer in H. und am 8. Januar 2021 weitere rund 2,9 Kilogramm mit einem Wirkstoffanteil von 590 Gramm CHCl.
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tateinheitlichen Fällen gewertet. Zwar habe er das Kokain nicht eigenhändig über die Grenze transportiert; er sei aber Mittäter der Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, weil er als Lieferant den Kurier mit dem Transport der Betäubungsmittel nach Deutschland beauftragt und damit die Tatbegehung objektiv gefördert habe; dieser Tatbeitrag sei bei wertender Betrachtung als mittäterschaftlich begangene Einfuhr zu bewerten, denn Durchführung und Ausgang der Einfuhr hätten maßgeblich vom Willen des Angeklagten abgehangen, dem es „auf das Gelingen der Einfuhr (angekommen)“ sei.
2. Die Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
3. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Während die Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen rechtlichen Bedenken begegnet, hält der tateinheitliche Schuldspruch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB) revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, sodass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Voraussetzung dafür ist nach den auch insoweit geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - 1 StR 316/18, Rn. 4; vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14, Rn. 5; vom 2. Juni - 4 StR 144/15, Rn. 5). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist dabei der Einfuhrvorgang selbst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - 1 StR 316/18, Rn. 4; vom 8. September 2016 - 1 StR 232/16, Rn. 14). Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - 1 StR 316/18, Rn. 4; vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, Rn. 4).
b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Bewertung der Beteiligung des Angeklagten als Mittäter der Einfuhr durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hatte der Angeklagte ein erhebliches Interesse an der Einfuhr der Betäubungsmittel nach Deutschland. Mit Blick auf den Umfang seiner Tatbeteiligung und seine fehlende Tatherrschaft beim Einfuhrvorgang selbst vermag der Umstand, dass er den Zeitpunkt der Einfuhr bestimmte und die Übergabe in Deutschland fernmündlich durch Mitteilung des konkreten Übergabeorts und des Passworts steuerte, die Annahme von Mittäterschaft nicht zu tragen. Dass der Angeklagte Einfluss auf den konkreten Einfuhrvorgang selbst nahm, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.
c) Die Feststellungen tragen aber einen Schuldspruch wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 26 StGB), denn der Angeklagte hat den namentlich nicht bekannten Kurier zur Einfuhr bestimmt. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit umfassend geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat sieht davon ab, die gleichartige Tateinheit der drei Einfuhrvorgänge in der Entscheidungsformel zum Ausdruck zu bringen.
d) Der Senat kann offenlassen, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts zutrifft und das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus einem einheitlichen Verkaufsvorrat die an sich rechtlich selbstständigen Taten der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Tateinheit verbindet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2020 - 4 StR 213/20, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Konkurrenzen 2; vom 21. Juni 2018 ? 4 StR 647/17, Rn. 9; jeweils mwN); denn der Angeklagte ist hierdurch nicht beschwert.
4. Die Schuldspruchänderung lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann mit Blick auf die Zumessungserwägungen ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit dessen gesamten Kosten zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 377
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede