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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 174

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 389/24, Beschluss v. 16.10.2024, HRRS 2025 Nr. 174


BGH 6 StR 389/24 - Beschluss vom 16. Oktober 2024 (LG Nürnberg-Fürth)

Entscheidung bei Gesetzesänderung, Schuldspruchänderung; Meistbegünstigungsprinzip (milderes Gesetz); Konsumcannabisgesetz; bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis; Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis.

§ 2 Abs. 3 StGB; § 354a StPO; § 354 StPO; § 34 Abs. 4 KCanG; § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG; § 27 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Februar 2024

a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass schuldig sind

aa) der Angeklagte W. der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (Fall B.I der Urteilsgründe) und des Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall B.II der Urteilsgründe);

bb) der Angeklagte H. des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis (Fall B.I der Urteilsgründe) und des Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen (B.III und B.VI der Urteilsgründe);

b) jeweils unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben

aa) betreffend den Angeklagten W. im gesamten Strafausspruch;

bb) betreffend den Angeklagten H. in den Aussprüchen über die Strafen in den Fällen B.I und B.VI der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten H. hat es wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten, jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zu einer teilweisen Änderung der Schuldsprüche.

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte H. G. im November 2022 dem gesondert Verfolgten 1,9 Kilogramm Haschisch. Bei der Übergabe der Rauschmittel führte er zur Absicherung ein einhändig zu öffnendes Karambitmesser griffbereit bei sich, das er im Zuge einer sich anschließenden körperlichen Auseinandersetzung auch einsetzte. Der Angeklagte W. unterstützte ihn bei dem Geschäft; von dem mitgeführten Messer hatte er indes keine Kenntnis (Fall B.I der Urteilsgründe). Ferner verwahrte W. im Dezember 2022 verschiedene Betäubungsmittel zum Eigenkonsum, unter anderem 0,52 Gramm Metamphetamin, 14,81 Gramm Marihuana und 14 LSD-Trips (Fall B.II der Urteilsgründe). Der Angeklagte H. lagerte zum Eigenkonsum in seiner Wohnung im Dezember 2022 Amphetamin, Methamphetamin und Psilocybin-Pilze (Fall B.III der Urteilsgründe) und im Juli 2023 neben Kokain und Methamphetamin auch 7,50 Gramm Marihuana auf (Fall B.VI der Urteilsgründe).

b) Die Schuldsprüche im Fall B.I der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln haben keinen Bestand. Die Handlungen der Angeklagten bezogen sich auf Haschisch und unterfallen daher nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem seit dem 1. April 2024 geltenden - hier milderen - KCanG (BGBl. I Nr. 109). Dies hat der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Danach hat sich der Angeklagte H. im Fall B.I der Urteilsgründe des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis schuldig gemacht (§ 34 Abs. 4 KCanG), der Angeklagte W. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG). Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend § 354 Abs. 1 i.V.m. § 354a StPO. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die weitgehend geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Im Übrigen bleiben die Schuldsprüche bestehen; soweit sich diese in den Fällen B.II und B.VI neben anderen Betäubungsmitteln auch auf zum Eigenkonsum vorrätig gehaltene Mengen von Marihuana bezogen, ist das Handeln der Angeklagten nicht mehr strafbar (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG).

2. Die Strafaussprüche unterliegen betreffend den Angeklagten W. insgesamt und betreffend den Angeklagten H. weitgehend der Aufhebung; bestehen bleiben kann nur die im Fall B.III der Urteilsgründe gegen H. verhängte Strafe. Der Senat kann im Fall B.I der Urteilsgründe nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der einschlägigen Straftatbestände des KCanG mildere Strafen verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Dies gilt gleichermaßen für die Fälle B.II und B.VI der Urteilsgründe, weil der Besitz des neben anderen Drogen zum Eigenkonsum vorrätig gehaltenen Marihuanas nicht mehr verboten und strafzumessungsrechtlich ohne Bedeutung ist. Dies entzieht den Aussprüchen über die Gesamtstrafen die Grundlage; die zugehörigen Feststellungen können hingegen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 174

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede