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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 602

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 30/24, Beschluss v. 21.03.2024, HRRS 2024 Nr. 602


BGH 6 StR 30/24 - Beschluss vom 21. März 2024 (LG Stendal)

Gefährliche Körperverletzung; rechtsfehlerhafter Strafausspruch (fehlende Feststellungen, fehlende Beweiswürdigung).

§ 46 StGB; § 224 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 10. November 2023 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen N. zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte ein Messer an sich nahm und N. damit bedrohte. Daraufhin ging der nicht an der Auseinandersetzung beteiligte Zeuge B. zwischen den Angeklagten und N. und versuchte, sie mit den Armen auseinanderzuschieben. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil beide immer ungehaltener wurden. Er gab seine Bemühungen deshalb auf, um die Polizei zu alarmieren. Als er sich entfernte, bemerkte er auf Hinweis eines weiteren Zeugen, dass er bei seinem Versuch, den Angeklagten und N. voneinander zu trennen, mit dem Messer an einer Hand verletzt worden war. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung stach der Angeklagte auf N. ein und verletzte ihn dadurch lebensgefährlich.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er neben N. auch den Zeugen B. mit dem Messer verletzt „und dies auch billigend in Kauf genommen“ habe. Im Hinblick auf die Verletzung des Zeugen B. ist bedingter Vorsatz des Angeklagten jedoch weder festgestellt noch beweiswürdigend belegt. Angesichts des Geschehensablaufs versteht es sich auch nicht von selbst, dass der Angeklagte insoweit vorsätzlich handelte.

Der Strafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne ihn auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die strafmildernde Berücksichtigung „der vorangegangenen Provokationen“ zumindest missverständlich ist, weil das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass N. den Angeklagten entgegen dessen Einlassung nicht provoziert hatte. Anderenfalls hätte es der Erörterung bedurft, ob mit Blick auf das Tatvorgeschehen die Voraussetzungen des § 213 Variante 2 StGB gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2020 - 6 StR 201/20 Rn. 4 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 602

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede