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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1086

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 257/24, Beschluss v. 11.06.2024, HRRS 2024 Nr. 1086


BGH 6 StR 257/24 - Beschluss vom 11. Juni 2024 (LG Saarbrücken)

Entscheidung bei Gesetzesänderung, Schuldspruchänderung; Meistbegünstigungsprinzip (milderes Gesetz); Konsumcannabisgesetz; Handeltreiben mit Cannabis.

§ 2 Abs. 3 StGB; § 354a StPO; § 354 StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 8. Dezember 2023

a) dahin geändert, dass er des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 i.V.m. § 354a StPO.

a) Nach den Feststellungen bestellte und erhielt der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf 71 Kilogramm Cannabisblüten sowie 57 Kilogramm Haschisch. Die Wirkstoffmenge betrug insgesamt 25,6 Kilogramm THC. Einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer verneint.

b) Zwar lässt das Urteil nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht keinen Rechtsfehler erkennen. Allerdings ist am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109; KCanG) in Kraft getreten. Dieses erweist sich bei der nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75 mwN) als das mildere Gesetz.

Mit der Gesetzesänderung wurde Cannabis, so wie es in den Anlagen des BtMG definiert war, aus diesen entnommen und in das neue KCanG überführt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130). Für cannabisbezogene Handlungen finden nicht mehr die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG, sondern § 34 KCanG Anwendung (vgl. BT-Drucks. aaO).

Handeltreiben mit Cannabis ist nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG strafbewehrt. Diese Vorschrift sieht - anders als § 29a Abs. 1 BtMG - nicht mehr eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, sondern Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Auch mit Rücksicht darauf, dass der Gesetzgeber in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren ausgestaltet hat, erweist sich dieser hier als das im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mildere Gesetz.

c) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte sich des Handeltreibens mit Cannabis (§ 1 Nr. 8 KCanG) nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht. Da es sich bei § 34 Abs. 3 KCanG - anders als bei § 29a BtMG - um eine Strafzumessungsregel handelt, ist trotz der Überschreitung des Grenzwertes von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24; vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23) das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31).

2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer aufgrund des milderen Strafrahmens des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG) auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO) und können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

3. Die Erstreckung der Urteilsänderung und -aufhebung auf die Nichtrevidenten (§ 357 Satz 1 StPO) scheidet aus (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1964 - 1 StR 358/64, BGHSt 20, 77, 79).

4. Die Voraussetzungen für die vom Beschwerdeführer begehrte Haftentscheidung des Senats liegen nicht vor (§ 126 Abs. 3 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1996 - 1 StR 543/96).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1086

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede