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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 888

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 124/24, Beschluss v. 29.04.2024, HRRS 2024 Nr. 888


BGH 6 StR 124/24 - Beschluss vom 29. April 2024 (LG Nürnberg-Fürth)

Entscheidung bei Gesetzesänderung, Schuldspruchänderung; Meistbegünstigungsprinzip (milderes Gesetz); Konsumcannabisgesetz; Handeltreiben mit Cannabis.

§ 2 Abs. 3 StGB; § 354a StPO; § 354 StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Dezember 2023

a) dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen transportierten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte Z. am 8. Mai 2023 in ihrem Pkw 12,77 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 1.141 Gramm THC, um es im arbeitsteiligen Zusammenwirken gewinnbringend zu verkaufen. Einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer verneint.

2. Während die nicht ausgeführte Formalrüge bereits unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), ändert der Senat auf die Sachrüge den Schuldspruch nach § 354a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO.

a) Zwar lässt das Urteil nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht keinen Rechtsfehler erkennen. Allerdings ist am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109; Konsumcannabisgesetz - KCanG) in Kraft getreten. Dieses erweist sich bei der nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75 mwN) als das mildere Gesetz.

aa) Mit der Gesetzesänderung wurde Cannabis, so wie es in den Anlagen des BtMG definiert war, aus diesen entnommen und in das neue KCanG überführt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130). Für cannabisbezogene Handlungen finden nicht mehr die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG, sondern die in § 34 KCanG geregelten geringeren Strafrahmen Anwendung (vgl. BT-Drucks. aaO).

bb) Das vom Landgericht abgeurteilte Handeltreiben des Angeklagten ist nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG strafbewehrt. Dieser sieht - anders als § 29a Abs. 1 BtMG - nicht mehr eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, sondern Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Auch mit Rücksicht darauf, dass der Gesetzgeber in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren ausgestaltet hat, erweist sich dieser hier als das im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mildere Gesetz.

b) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte sich des Handeltreibens mit Cannabis (§ 1 Nr. 8 KCanG) nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht. Da es sich bei § 34 Abs. 3 KCanG - anders als bei § 29a BtMG - um eine Strafzumessungsregel handelt, ist trotz der Überschreitung des Grenzwertes von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24; vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23) das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. dazu allgemein KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31).

3. Der Strafausspruch hat indessen keinen Bestand. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer aufgrund des milderen Strafrahmens des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG) auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO) und können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 888

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede