HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 367
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 528/23, Beschluss v. 07.02.2024, HRRS 2024 Nr. 367
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 7. Juli 2023 im Maßregelausspruch aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bei einem Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten angeordnet. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten und die vom Generalbundesanwalt überwiegend vertretene, wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und sind im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei einen Hang des Angeklagten, einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Betäubungsmitteldelikten und die Gefahr bejaht, dass der Angeklagte infolge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Urteilsgründe belegen aber nicht die nach der Neufassung des § 64 Satz 2 StGB erforderliche Erfolgsaussicht, die eine durch Tatsachen belegte Wahrscheinlichkeit höheren Grades verlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 6 StR 452/23).
Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
„Der Umstand, dass die gegen den Angeklagten durch Urteil des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz vom 27. Juli 2016 (BZR Ziffer 6) angeordnete Unterbringung in der Entziehungsanstalt, nachdem deren Abbruch wegen erneuter Straffälligkeit aus der Maßregel heraus im Raum stand, fortgesetzt und schließlich zur Bewährung ausgesetzt wurde (UA S. 27), stellt keine Tatsache dar, die eine erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit zu begründen vermag. Denn der Angeklagte beging bereits während der sich daran anschließenden Lockerungen die Tat II.1, welche ein nicht unerhebliches Maß an Planung und Koordination erforderte. Die Aussetzung zur Bewährung erfolgte zudem zu einem Zeitpunkt, als die Begehung der einschlägigen Tat II.1 der Urteilsgründe noch nicht bekannt war. Bei bestehender Kenntnis liegt es nahe, dass die Maßregel ? wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung zutreffend ausgeführt hat (RB S. 6) ? nach § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB durch das Gericht für erledigt erklärt und der Strafvollzug fortgesetzt worden wäre. Auch die erklärte Therapiebereitschaft und das Vorhandensein der für die Therapie erforderlichen kognitiven Fähigkeiten (UA S. 27) lassen den Erfolg der Maßregel nicht mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erwarten.
Der Annahme einer positiven Erfolgsaussicht steht bereits entgegen, dass der Angeklagte in der Vergangenheit nach absolvierter Therapie umgehend wieder Betäubungsmittel konsumierte ? im Anschluss an eine therapeutische Maßnahme nach § 35 BtMG (BZR Ziffer 5) bereits am Tag der Entlassung (UA S. 5). Auch nachdem die später angeordnete Maßregel nach § 64 StGB (BZR Ziffer 6) zur Bewährung ausgesetzt wurde, konsumierte der Angeklagte Spice und seit einer entsprechenden Verschreibung Cannabis … Er trat zudem jeweils erneut mit massiven einschlägigen Straftaten in Erscheinung, die er zum Teil aus dem Maßregelvollzug heraus und zum Teil unter (zweifacher) laufender Bewährung beging (UA S. 5, 24 f.).“
Dem schließt sich der Senat an.
2. Der Entscheidung über die Anordnung des Vorwegvollzugs ist damit die Grundlage entzogen. Das neue Tatgericht wird insoweit § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB zu beachten haben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen; sie können Bestand haben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 367
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede