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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1476

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 160/23, Urteil v. 02.11.2023, HRRS 2023 Nr. 1476


BGH 6 StR 160/23 - Urteil vom 2. November 2023 (LG Neubrandenburg)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (konkurrenzrechtliche Bewertung: Tateinheit, Tatmehrheit; Einziehung).

§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 52 StGB; § 53 StGB; § 73a Abs. 1 StGB; § 74 Abs. 2 StGB; § 33 Satz 1 BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 25. August 2022

a) dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist,

b) aufgehoben

aa) im Strafausspruch,

bb) soweit eine Entscheidung über die Einziehung der bei dem Angeklagten sichergestellten 480 Euro und der sichergestellten Betäubungsmittel unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Das auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in geringem Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

1. Nach den Feststellungen lagerte der Angeklagte in einer Garage 2,983 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 441 Gramm THC und in einer andernorts gelegenen Garage 2,98 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 243,04 Gramm THC. Er hatte die Betäubungsmittel von zwei Lieferanten zum gewinnbringenden Weiterverkauf erhalten. Ferner hielt er in der letztgenannten Garage 420 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 14,72 Gramm THC für seinen Eigenkonsum vorrätig.

2. Die Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch lediglich einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler dahin ergeben, dass die Strafkammer nur eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ausgeurteilt hat. Sie weist selbst zutreffend darauf hin, dass diese konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten unzutreffend ist.

a) Eine Bewertungseinheit liegt nicht vor, weil die beiden aus verschiedenen Lieferungen stammenden Handelsmengen nicht zu einem Verkaufsvorrat zusammengeführt wurden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 6 StR 162/20 mwN).

Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB besteht ebenfalls nicht. Mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind tateinheitlich verwirklicht, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich zumindest teilweise überschneiden. Derartiges hat das Landgericht nicht festgestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. August 2023 - 2 StR 200/23; vom 28. Februar 2023 - 5 StR 481/22; jeweils mwN).

Schließlich tritt der Besitz an der Handelsmenge gegenüber dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück; er hat deshalb mangels Wertgleichheit nicht die Kraft, selbstständige, die Voraussetzungen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1996 - 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 166; vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, NStZ 2014, 163).

b) Ferner hat sich der Angeklagte bezüglich der zum Eigenkonsum bestimmten 420 Gramm Marihuana des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig gemacht. Dieser Besitz steht in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zum Handeltreiben mit der in derselben Garage gelagerten Verkaufsmenge (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 4 StR 430/15, NStZ-RR 2016, 82, 83).

c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat kann ausschließen, dass der Angeklagte sich weitergehend strafbar gemacht hat. Denn eine in den Urteilsgründen erwähnte dritte Lieferung hat das Landgericht auf die Eigenkonsummenge von 420 Gramm Marihuana bezogen.

3. Die Änderung des Schuldspruchs entzieht der für nur eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängten Freiheitsstrafe die Grundlage.

4. Die Einziehungsentscheidung hält nur teilweise der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat in Bezug auf die beim Angeklagten sichergestellten 480 Euro die Voraussetzungen der Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB nicht erörtert, obwohl dies geboten gewesen wäre. Ebenso hat es über die Einziehung der Betäubungsmittel nach § 33 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2023 - 5 StR 529/22) nicht entschieden. Dass die nach den Feststellungen sichergestellten Betäubungsmittel nicht mehr gegenständlich vorhanden sind, versteht sich nicht von selbst. Mangels Verfügungsbefugnis des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2019 ? 5 StR 269/19, NStZ 2020, 24) war eine außergerichtliche Einziehung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - 6 StR 48/21, NStZ-RR 2021, 220, 221) der Betäubungsmittel schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

b) Im Übrigen weist die Einziehungsentscheidung hinsichtlich des sonst sichergestellten Geldes und des Sportbootes aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Einziehung des zur Tatbegehung benutzten Fahrzeugs hat das Landgericht zutreffend auf § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Denn die Einziehung nach § 74 StGB hat Vorrang vor derjenigen nach § 73a StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2020 - 6 StR 258/20). Die Wendung, die Einziehung sei „nicht unverhältnismäßig“, lässt mit Blick auf die weiteren Erwägungen zur Menge des transportierten Rauschgifts noch hinreichend erkennen, dass sich das Landgericht seines Ermessens bewusst war.

5. Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung zurück, wobei die jeweiligen Feststellungen Bestand haben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden können.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1476

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede