HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 105
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 287/22, Beschluss v. 05.10.2022, HRRS 2023 Nr. 105
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 10. Mai 2022, soweit es sie betrifft, dahin geändert, dass
a) die Angeklagte schuldig ist des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall zudem in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 138 Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und in 50 Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln,
b) die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 22.680 Euro angeordnet wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen (B.I der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 50 Fällen jeweils in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln (B.II der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 88 Fällen (B.III und IV der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (B.V der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (B.VI der Urteilsgründe) und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (B.VII der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Anordnungen über die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe und die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 23.080 Euro getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
a) Die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagte in 86 Fällen Handel mit Betäubungsmitteln trieb, indem sie diese an den Zeugen M. veräußerte, wird von den Feststellungen nicht getragen. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„Nachvollziehbar und in sich schlüssig gelangt die Strafkammer (…) zu dem Ergebnis, die Angeklagte habe in dem Zeitraum zwischen Dezember 2020 und August 2021 in insgesamt neun Fällen jeweils fünf Gramm Methamphetamin zu einem Grammpreis von 70 Euro an (…) M. veräußert. Darüber hinaus habe sie ihm im selben Zeitraum wöchentlich zweimal, mithin in 72 Fällen (neun Monate zu je vier Wochen), jeweils ein Gramm Methamphetamin im Wert von jeweils 100 Euro überlassen. Zudem habe (…) M. am 20. August 2021 eine Menge von eineinhalb Gramm Methamphetamin für 150 Euro von der Angeklagten erworben (Ziffer B.III., UA S. 18).
Zusätzlich zu den vorstehend aufgeführten 82 Taten verurteilte die Strafkammer die Angeklagte, weil sie (…) M. in dem Zeitraum vom 1. Juni 2021 bis einschließlich 1. September 2021 in vier Fällen jeweils ein Gramm Methamphetamin überlassen und dieser ihr als Bezahlung in drei Fällen gestohlene Fahrräder und in einem Fall gestohlene Werkzeuge übergeben haben soll (Ziffer B.I., UA S. 16 f.). Zumindest hinsichtlich derjenigen Veräußerungen, in denen die Angeklagte jeweils Fahrräder erhalten haben soll, kann mangels eindeutiger anderweitiger Feststellungen nicht sicher ausgeschlossen werden, dass es sich wegen des überlappenden Zeitraums (1. Juni 2021 bis 23. August 2021) nicht um solche Taten handelt, die bereits im Tatkomplex zu Ziffer B.III. enthalten sind.“ Gleiches gilt für den (vierten) unter B.I abgeurteilten Fall, in dem M. der Angeklagten den Feststellungen zufolge „zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum vom 31.08.2021 bis 01.09.2021“ die Werkzeuge übergab. Danach hat sich auch diese Tat nicht ausschließbar noch im August 2021 und damit in dem Zeitraum ereignet, der die Taten aus dem Tatkomplex B.III umfasst.
Es ist deshalb zu besorgen, dass das Landgericht zu Lasten der Angeklagten vier Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln doppelt gewertet hat. Die Feststellungen tragen nur eine Verurteilung wegen 82 Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch Verkäufe von Methamphetamin an M. und damit insgesamt wegen 138 Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.
b) Auch der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall B.VII der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen, weil danach unklar ist, wie die Angeklagte die am 16. September 2021 in dem von ihr genutzten „Anwesen“ verwahrten Betäubungsmittel - 23,06 Gramm Methamphetamin und 222,93 Gramm Marihuana - erlangte. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„In der Gesamtschau der Urteilsgründe kann hinsichtlich des Marihuanas (...) und des Methamphetamins (…) daher nicht zulasten der Angeklagten von einer weiteren Tat - neben den Taten zu Ziffern B.V. und B.VI. - ausgegangen werden.
Zu Ziffer B.V. hat die Strafkammer festgestellt, dass die Angeklagte spätestens Anfang August 2021 von den insgesamt zehn Kilogramm Marihuana (8.840 Gramm Trockengewicht) ein Kilogramm erhielt, um dieses zum einen gewinnbringend zu veräußern und zum anderen selbst zu konsumieren (UA S. 18 f.). Da nicht nachvollzogen werden kann, dass diese Menge zum Zeitpunkt der Durchsuchung bereits endgültig verbraucht bzw. veräußert war und die Angeklagte die am 16. September 2021 aufgefundene Menge (Ziffer B.VII.) zusätzlich beschafft hat, ist aufgrund der zeitlichen Nähe, des Gewichts der ursprünglichen Menge von einem Kilogramm und der Identität der Betäubungsmittelarten zugunsten der Angeklagten davon auszugehen, dass das am 16. September 2021 aufgefundene Marihuana der Rest des spätestens Anfang August 2021 ausgehändigten Rauschgifts war.
Nach den Feststellungen zu Ziffer B.VI. erwarb die Angeklagte spätestens Anfang September 2021 48 Gramm Methamphetamin von dem gesondert Verfolgten E. und verbrachte es in ihre Wohnung. Dort überließ sie am Abend desselben Tages von eben jenem Vorrat zwei Gramm Methamphetamin dem gesondert Verfolgten M. zu einem Grammpreis von 80 bis 90 Euro (UA S. 19 ff.). Dazu, wann die noch verbliebenen 46 Gramm Methamphetamin verbraucht und/oder veräußert worden sind bzw. ob noch ein Restbestand vorhanden war, als es zu der Durchsuchung am 16. September 2021 kam, verhält sich das Urteil (…) nicht. Zugunsten der Angeklagten ist somit erneut - nicht zuletzt wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs, aber auch wegen der Menge und der Identität des Betäubungsmittels - davon auszugehen, dass das anlässlich der Durchsuchung sichergestellte Methamphetamin Teil des spätestens Anfang September 2021 erworbenen Methamphetamins ist.“ Auch insoweit ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
2. Aufgrund der Schuldspruchänderung entfallen vier Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten, die das Landgericht für die unter B.III der Urteilsgründe abgeurteilten 72 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch Veräußerung von einem Gramm Methamphetamin an M. verhängt hat, sowie die im Fall B.VII der Urteilsgründe ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Der Gesamtstrafausspruch bleibt davon unberührt, weil angesichts der verbleibenden Strafen, unter anderem der Einsatzstrafe von fünf Jahren, einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, dreizehn Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie 118 Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten, ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne die wegfallenden Strafen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
3. Die Schuldspruchänderung hat außerdem zur Folge, dass der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nur in Höhe von 22.680 Euro bestehen bleiben kann. Der Senat ändert ihn entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
4. Der Senat weist darauf hin, dass das Verfahren - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Hinblick auf weitere 65 von der Anklageschrift umfasste und bislang nicht abgeurteilte Taten noch beim Landgericht anhängig ist und es insoweit einer die Instanz abschließenden Entscheidung bedarf.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 105
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi