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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 846

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 105/22, Beschluss v. 15.06.2022, HRRS 2022 Nr. 846


BGH 6 StR 105/22 - Beschluss vom 15. Juni 2022 (LG Hannover)

Missbrauch von Schutzbefohlenen (Verfolgungsverjährung).

§ 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.; § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB; § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F.; § 78b StGB; 206a Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 9. November 2021

a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen II.73 und II.74 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt;

b) im Schuldspruch dahin gefasst, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 24 Fällen und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 48 Fällen schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten, der die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin S. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 74 Fällen, davon in 24 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der sechs Monate als vollstreckt gelten. Die auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen kann in zwei Fällen (Taten II.73 und II.74 der Urteilsgründe) nicht bestehen bleiben, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Insoweit ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Die Verjährungsfrist richtet sich nach der Strafdrohung des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Fassung vom 1. April 2004 und beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, wobei die Verjährung der frühestens am 22. Juni 2006 beendeten Taten gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 11. August 2005 bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des am 21. Juni 1990 geborenenen Nebenklägers (…) bis 20. Juni 2008 ruhte. Auf die bei Verjährungsbeginn am 21. Juni 2008 folglich am 21. Juni 2013 verjährte Tat ist die am 30. Juni 2013 in Kraft getretene Neufassung von § 78b StGB nicht anwendbar, in dem am 8. Oktober 2015 und damit erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eingeleiteten Ermittlungsverfahren konnten verjährungsunterbrechende Maßnahmen nicht mehr erfolgen.“ Dem tritt der Senat bei. Die Verfahrenseinstellung zieht die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Neufassung des Schuldspruchs nach sich (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO).

2. Angesichts der in den Fällen II.1 bis II.24 verhängten Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren, der Vielzahl der verbleibenden Verurteilungsfälle und des äußerst straffen Zusammenzugs aller Einzelstrafen kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer ohne die weggefallenen Strafen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 846

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi