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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 591

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 104/22, Beschluss v. 20.04.2022, HRRS 2022 Nr. 591


BGH 6 StR 104/22 - Beschluss vom 20. April 2022 (LG Halle)

Grundsätze der Strafzumessung (unterlassene Erörterung der Schuldangemessenheit einer nach der Strafhöhe aussetzungsfähigen Strafe).

§ 46 StGB; § 56 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Angesichts der Häufung gewichtiger Strafmilderungsgründe kann eine Erörterung des Tatgerichts erforderlich sein, die dartut, aus welchen Gründen nicht auch eine nach der Strafhöhe aussetzungsfähige Freiheitsstrafe noch schuldangemessen gewesen wäre und hätte verhängt werden können. Zwar darf das Bestreben, dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen, nicht dazu führen, dass die schuldangemessene Strafe unterschritten wird. Dem Tatgericht ist aber bei der Feststellung der schuldangemessenen Strafe ein Spielraum eröffnet, innerhalb dessen es nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die von der Strafe ausgehende Wirkung für das künftige Leben des Täters zu berücksichtigen hat.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 15. Oktober 2021 im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen haben Bestand.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und hiervon zwei Monate für vollstreckt erklärt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat dem im Zeitpunkt der Verurteilung 77 Jahre alten, nicht vorbestraften Angeklagten zugutegehalten, dass die Tat mehr als acht Jahre zurückliege, in denen er nicht mehr straffällig geworden sei. Zudem hat es die beträchtliche Länge des Strafverfahrens berücksichtigt. Den Urteilsgründen ist ferner zu entnehmen, dass der Angeklagte die Tat als Geschäftsführer einer GmbH verübte, sich jedoch seit acht Jahren im Ruhestand befindet.

Das Landgericht hat nicht dargetan, aus welchen Gründen nicht auch eine nach der Strafhöhe aussetzungsfähige Freiheitsstrafe noch schuldangemessen gewesen wäre und hätte verhängt werden können. Dies wäre hier jedoch angesichts der Häufung gewichtiger Strafmilderungsgründe erforderlich gewesen. Zwar darf das Bestreben, dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen, nicht dazu führen, dass die schuldangemessene Strafe unterschritten wird. Dem Tatgericht ist aber bei der Feststellung der schuldangemessenen Strafe ein Spielraum eröffnet, innerhalb dessen es nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die von der Strafe ausgehende Wirkung für das künftige Leben des Täters zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 1991 - 5 StR 298/91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Spezialprävention 3; vom 10. August 1993 - 5 StR 462/93, NStZ 1993, 584; vom 20. Oktober 2021 - 6 StR 460/21).

Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie dürfen um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.

2. Die Kompensationsentscheidung wird von der Aufhebung des Strafausspruchs nicht erfasst (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138; Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 95).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 591

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede