HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 417
Bearbeiter: Karsten Gaede/Sina Aaron Moslehi
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 625/21, Beschluss v. 09.02.2022, HRRS 2022 Nr. 417
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. Juni 2021 dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall C.II.6 der Urteilsgründe wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwölf Fällen, davon in drei Fällen zudem in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, unter Einbeziehung einer früher gegen ihn verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang geringfügigen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, § 22 StGB) im Fall C.II.6 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin in der Küche ihrer Wohnung zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte ihr mit einem Topfdeckel gegen den Kopf schlug; entgegen seiner Vorstellung verletzte er sie dadurch nicht. Als die Nebenklägerin sich daraufhin etwas von ihm entfernte, warf er den Topfdeckel in ihre Richtung, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, sie dadurch erheblich zu verletzen. Er traf sie jedoch nicht.
Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach dem Abschluss der letzten Ausführungshandlung (vgl. zum „Rücktrittshorizont“ etwa BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.) hat das Landgericht nicht getroffen. Die Urteilsgründe belegen deshalb nicht, dass der Angeklagte keine Möglichkeit mehr sah, die Nebenklägerin zu verletzen, etwa mangels weiterer verfügbarer Gegenstände oder weil sie sich zwischenzeitlich in Sicherheit gebracht hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2021 - 6 StR 128/21 Rn. 7).
2. Die Feststellungen tragen indes einen Schuldspruch wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB), weil sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt, dass die Nebenklägerin durch den Schlag mit dem Topfdeckel gegen ihren Kopf Schmerzen erlitt. Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die im Fall C.II.6 verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten reduziert der Senat auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB). Es ist davon auszugehen, dass das Landgericht die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB aus den gleichen Erwägungen für unerlässlich erachtet hätte wie zur Ahndung der dem Angeklagten im Fall C.II.2 der Urteilsgründe zur Last fallenden Körperverletzung.
4. Der Ausspruch über die betreffende Gesamtstrafe bleibt unberührt. In Anbetracht der sonstigen Strafen kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht unter Zugrundelegung einer Freiheitsstrafe von einem Monat im Fall C.II.6 der Urteilsgründe auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 417
Bearbeiter: Karsten Gaede/Sina Aaron Moslehi