hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1004

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 125/21, Urteil v. 28.07.2021, HRRS 2021 Nr. 1004


BGH 6 StR 125/21 - Urteil vom 28. Juli 2021 (LG Neubrandenburg)

Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit: Berücksichtigung lediglich abstrakt-theoretischer, für den Angeklagten günstiger Möglichkeiten; DNA-Mischspuren: verbleibender Beweiswert).

§ 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne Weiteres als unwiderlegt hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Das Tatgericht hat die Angaben des Angeklagten vielmehr - ebenso wie andere Beweismittel - auf ihre Plausibilität und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden.

2. Das Tatgericht darf Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen, denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat.

3. Bei DNA-Mischspuren ist grundsätzlich die Mitteilung des numerischen Ergebnisses der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung erforderlich, wenn der Tatnachweis auf DNA-Mischspuren gestützt werden soll. Dies bedeutet aber nicht, dass den Ergebnissen der DNA-Vergleichsuntersuchung ohne biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung keinerlei Beweiswert beigemessen werden kann.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 6. November 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln und wegen verbotenen Besitzes eines Faustmessers zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt und Einziehungsanordnungen getroffen. Den Anklagevorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat das Landgericht für nicht erwiesen erachtet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte am 30. Januar 2020 in seiner Wohnung ein Faustmesser sowie eine Klemmverschlusstüte mit 1,088 g Kokain und einem Wirkstoffgehalt von 0,867 g Kokainhydrochlorid, das für seinen eigenen Konsum bestimmt war.

Die Wohnung des Angeklagten befand sich im Erdgeschoss eines Hauses mit insgesamt vier Wohnungen. In der anderen Erdgeschosswohnung wohnten die Mutter des Angeklagten und deren Lebensgefährte. Eine der beiden Wohnungen im Obergeschoss stand mindestens seit Anfang 2019 leer. Der Hausverwalter hatte der Mutter des Angeklagten und ihrem Lebensgefährten gestattet, die leerstehende Wohnung zu betreten, um dort Wäsche zu trocknen und Sachen unterzustellen; er hatte sich anschließend nur noch selten um die Wohnung gekümmert, im Laufe der Zeit aber festgestellt, dass das Schloss der Wohnungstür ausgetauscht worden war.

Bei einer Durchsuchung der leerstehenden Wohnung am 30. Januar 2020 fanden die Beamten in den Küchenschränken acht Klemmverschlusstüten mit insgesamt 553,197 g Kokain und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 423,734 g Kokainhydrochlorid, zwei Feinwaagen mit Kokainanhaftungen, 859,29 g Amphetaminbase mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 51 g Amphetaminbase und ein als Taschenlampe getarntes Elektroimpulsgerät. Ein Material- und Herkunftsvergleich ergab, dass es sich bei dem in fünf der Klemmverschlusstüten befindlichen Kokain und dem in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen um das gleiche Grundkokain handeln könnte. Der Wirkstoffgehalt des in vier dieser Tüten enthaltenen Kokains entsprach demjenigen des in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten; auch die Zusammensetzung der Zusatz- und Verschnittstoffe ähnelte sich.

In der Küche der nicht vermieteten Wohnung wurden außerdem ein Haushaltsgummi mit daran haftendem Klebeband, ein Stück einer Kunststofftüte, zwei Einweghandschuhe und ein Abschnitt einer Folientüte sichergestellt, an denen sich DNA-Mischspuren befanden. Bei vier der fünf Spuren konnten in fast allen DNA-Systemen Merkmale nachgewiesen werden, die der Angeklagte aufweist, so dass er als Spurenmitverursacher in Betracht kommt; bei der fünften Spur konnten in der überwiegenden Zahl der untersuchten DNA-Systeme Merkmale des Angeklagten nachgewiesen werden, sodass er insoweit als Spurenmitverursacher nicht ausgeschlossen werden kann. Eine biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung war infolge der Beschaffenheit der Mischspuren nicht möglich.

Im Wohnzimmer der leerstehenden Wohnung lagen in den Schubladen einer Schrankwand insgesamt 235 Schachteln mit jeweils vier Tabletten Sildenova „Blue Magic“, einem verschreibungspflichtigen Medikament zur Behandlung erektiler Dysfunktion. In einem weiteren Wohnraum wurde eine Vielzahl von Schriftstücken aufgefunden, die zum Teil dem Angeklagten zuzuordnen waren. Die Papiere waren teilweise in DINA4-Aktenordnern abgelegt, die in Tüten zusammengefasst waren, teilweise lagen sie jedoch lose in Tüten und Kartons. An einer Tüte und einem Aktenordner befanden sich Fingerabdrücke des Angeklagten. Außerdem wurden in dem Raum diverse Kfz-Zulassungsbescheinigungen (blanko) sowie Siegelmarken des Landkreises O. für Zulassungsbescheinigungen sichergestellt, die gestohlen worden waren. An den Zulassungsbescheinigungen befand sich eine von dem Angeklagten herrührende DNA-Spur.

In der Wohnung des Angeklagten wurde ein Mobiltelefon aufgefunden, das der Angeklagte nutzte und in dem unter dem Namen „H.“ eine Rufnummer gespeichert war, die dem gesondert verfolgten H. J. zugeordnet werden konnte. Am 16. Februar 2019 hatte „H.“ mittels WhatsApp folgende Nachricht gesandt: „Brüderchen kannst du mir morgen bitte noch blue magic mitbringen“, worauf mit dem Wort „klar“ geantwortet worden war. Außerdem wurde in der Wohnung des Angeklagten ein ihm gehörender Schlüsselbund mit sechs Schlüsseln gefunden, von denen einer zu dem Türschloss der leerstehenden Wohnung passte.

Der seit Jahren von Arbeitslosengeld II lebende und über kein nennenswertes Vermögen verfügende Angeklagte erwarb seit 2013/2014 bei einem Juwelier wiederholt hochwertige Schreibwerkzeuge und fünf bis sechs Uhren für jeweils 3.000 bis 5.000 Euro, wobei ihm ein Rabatt von 25 % und Ratenzahlung eingeräumt wurden.

2. Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte mit den in der leerstehenden Wohnung sichergestellten Betäubungsmitteln Handel trieb.

II.

Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Beschwerdeführerin wendet sich zu Recht gegen die Beweiswürdigung, aufgrund derer das Landgericht den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) nicht für erwiesen erachtet hat.

1. Der Angeklagte hat sich den Urteilsgründen zufolge dahin eingelassen, gelegentlich Kokain erworben und in seiner Wohnung konsumiert zu haben. Sein Lieferant habe ihn einmal gefragt, ob es für ihn „in Ordnung“ sei, wenn er in der leerstehenden Wohnung „etwas“ zwischenlagere, wobei ihm klar gewesen sei, dass es um Betäubungsmittel gegangen sei, aller Wahrscheinlichkeit nach um Kokain. Er habe ihm geantwortet, dass das für ihn insoweit „okay“ sei, als er mit der Wohnung im Obergeschoss nichts zu tun habe und nicht als „Bunkerhalter“ fungieren wolle. Die in der leerstehenden Wohnung sichergestellten Betäubungsmittel habe er nie gesehen; auch habe er nicht gewusst, wo genau die Drogen gelagert gewesen seien.

Woher sein Bekannter den Schlüssel zu der Wohnung gehabt habe, könne er nicht sagen. Er habe bis zu der Durchsuchung auch nicht gewusst, dass sich an seinem Schlüsselbund ein zu der Wohnung passender Schlüssel befunden habe. Er habe erst später erfahren, dass seine Mutter und deren Lebensgefährte im Besitz mehrerer solcher Schlüssel gewesen seien und seine Mutter einen davon an seinem Schlüsselbund befestigt habe.

Es sei zwar richtig, dass er in den letzten Jahren mehrere Uhren bei dem Juwelier gekauft habe. Diese habe er aber an Leute weitergegeben, die sie mangels Kreditwürdigkeit nicht hätten erwerben können. Den ihm seitens des Juweliers eingeräumten Rabatt habe er nicht weitergegeben, sondern eine Anzahlung und darüber hinaus „szenetypische“ Zinsen verlangt.

2. Das Landgericht hat dazu ausgeführt:

Es belaste den Angeklagten zwar, dass er im Besitz eines zu der leerstehenden Wohnung passenden Schlüssels gewesen sei und das in seiner Wohnung sichergestellte Kokain nach Herkunft und Zusammensetzung mit dem in der leerstehenden Wohnung sichergestellten übereinstimme. Die Einlassung des Angeklagten, wonach seine Mutter den Schlüssel an seinem Schlüsselbund angebracht und er mit den in der leerstehenden Wohnung aufgefundenen Betäubungsmitteln nichts zu tun habe, sei aber „nicht zu widerlegen“.

Die an den in der Küche der leerstehenden Wohnung aufgefundenen Gegenständen (Haushaltsgummi mit anhaftendem Klebeband, Stück einer Kunststofftüte, Einweghandschuhe und Teil einer Folientüte) gesicherten DNA-Spuren, als deren Mitverursacher der Angeklagte in Betracht komme bzw. nicht ausgeschlossen werden könne, deuteten zwar darauf hin, dass er Zugang zu der Wohnung gehabt habe. Sie könnten aber nicht zu dessen Nachteil verwertet werden, weil es aufgrund der Beschaffenheit der Mischspuren nicht möglich sei, eine biostatistische Wahrscheinlichkeit zu berechnen.

Auch die an den Zulassungsbescheinigungen festgestellten DNA-Spuren ließen nicht darauf schließen, dass der Angeklagte Zugang zu der leerstehenden Wohnung gehabt habe. Es stehe zwar fest, dass diese DNA-Spuren von dem Angeklagten stammten, es sei aber nicht auszuschließen, dass der Angeklagte seine DNA außerhalb der leerstehenden Wohnung an den Zulassungsbescheinigungen hinterlassen und seine Mutter diese später dorthin verbracht habe. Gleiches gelte im Hinblick auf die Fingerabdruckspuren des Angeklagten an dem Aktenordner und der Tüte.

Die mittels des Mobiltelefons betriebene Kommunikation mit H. J., wonach der Angeklagte diesem offenbar das Medikament Sildenova „Blue Magic“ habe beschaffen sollen, lasse nicht darauf schließen, dass die in der leerstehenden Wohnung aufgefundene beträchtliche Menge davon dem Angeklagten zuzuordnen sei, erst recht nicht darauf, dass er Kontakt zu den dort sichergestellten Betäubungsmitteln gehabt habe.

Schließlich belegten die Käufe von Schreibwerkzeugen und Uhren bei dem Juwelier nicht „zwingend“, dass der Angeklagte diese Gegenstände mit Erlösen aus dem Handel mit Betäubungsmitteln finanziert habe. Die „nicht zu widerlegende“ Einlassung des Angeklagten, mit den erworbenen Uhren gehandelt zu haben, sei damit ebenso gut vereinbar.

a) Diese Ausführungen stoßen auch eingedenk des insoweit beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2020 - 3 StR 288/19 Rn. 19 mwN) auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

aa) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten unzureichend gewürdigt. Es hat verkannt, dass entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, nicht ohne Weiteres als unwiderlegt hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen sind, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Das Tatgericht hat die Angaben des Angeklagten vielmehr - ebenso wie andere Beweismittel - auf ihre Plausibilität und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden. Es darf Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen, denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. dazu BGH, Urteile vom 6. März 1986 - 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34; vom 3. Juni 2015 - 5 StR 55/15, NStZ-RR 2015, 255; vom 30. Juli 2020 - 4 StR 603/19, NStZ 2021, 116, 118 jeweils mwN).

Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten der gebotenen kritischen Überprüfung unterzogen hat. Es hat sich darauf beschränkt, die Angaben des Angeklagten jeweils für sich genommen als „möglich“ bzw. „nicht zu widerlegen“ zu erachten, ohne sie unter Berücksichtigung der Beweisergebnisse auf ihre Plausibilität und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Dies war hier angesichts der den - auch einschlägig vorbestraften - Angeklagten in erheblichem Maße belastenden objektiven Umstände geboten. Aufgrund der Beweisergebnisse ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Mutter des Angeklagten ohne sein Wissen einen Schlüssel zu der leerstehenden Wohnung an seinem Schlüsselbund angebracht haben soll, obwohl er seiner Darstellung zufolge mit der Wohnung „nichts zu tun“ hatte. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch nicht, weshalb der Angeklagte nach seinen Angaben von seinem Drogenlieferanten um die Erlaubnis gebeten wurde, die leerstehende Wohnung zur Lagerung von Betäubungsmitteln zu nutzen, der Angeklagte ihm dies - wenn auch unter gewissen Bedingungen - gestattete und der Drogenhändler anschließend Zugang zu der Wohnung hatte.

Das Landgericht ist überdies zugunsten des Angeklagten von Annahmen ausgegangen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat. So haben weder der Angeklagte noch seine Mutter angegeben, dass diese die gestohlenen Zulassungsbescheinigungen sowie den Aktenordner und die Tüte, an denen sich DNA-Spuren bzw. Fingerabdrücke des Angeklagten befanden, in die leerstehende Wohnung gebracht habe. Die Mutter des Angeklagten hat vielmehr umfassend von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wenngleich daraus keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 462/15, NStZ-RR 2016, 117 mwN), bedeutet dies nicht, dass zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt (vgl. zu dem vergleichbaren Fall eines schweigenden Angeklagten BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148).

Schließlich hat das Landgericht zwar formelhaft ausgeführt, auch aufgrund einer „zusammenfassenden“ Bewertung der auf ein Handeltreiben des Angeklagten mit den in der leerstehenden Wohnung sichergestellten Betäubungsmitteln hindeutenden Beweisanzeichen zu dem Ergebnis gelangt zu sein, dass die Angaben des Angeklagten ebenso „möglich“ seien. Die Urteilsgründe lassen aber nicht erkennen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten tatsächlich der gebotenen Überprüfung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse unterzogen hat.

bb) Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung auch insoweit, als das Landgericht die DNA-Mischspuren an den in der Küche der leerstehenden Wohnung aufgefundenen Gegenständen für nicht verwertbar erachtet hat. Es ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich die Mitteilung des numerischen Ergebnisses der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung erforderlich ist, wenn der Tatnachweis auf DNA-Mischspuren gestützt werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2019 - 4 StR 318/19, NJW 2020, 350 mwN). Dies bedeutet aber nicht, dass den Ergebnissen der DNA-Vergleichsuntersuchung ohne biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung keinerlei Beweiswert beigemessen werden kann (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Mai 2015 - 5 StR 148/15).

Das Landgericht hätte deshalb im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse nicht völlig unberücksichtigt lassen dürfen, dass der Angeklagte aufgrund der in den DNA-Systemen nachgewiesenen Merkmale bei vier der fünf Spuren als (Mit-)Verursacher in Betracht kommt und hinsichtlich der fünften Spur als solcher nicht ausgeschlossen werden kann.

b) Das Urteil beruht auf den Rechtsfehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht den Angeklagten bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung nicht nur wegen Besitzes von Betäubungsmitteln und eines Faustmessers verurteilt hätte, sondern auch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) oder sogar wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).

3. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das neue Tatgericht, falls es zu dem gleichen Beweisergebnis gelangen sollte wie das bisherige, aus den von der Revision zutreffend aufgezeigten Gründen eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB) zu prüfen haben wird.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1004

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede