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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 274

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 373/20, Beschluss v. 16.12.2020, HRRS 2021 Nr. 274


BGH 6 StR 373/20 - Beschluss vom 16. Dezember 2020 (LG Weiden i. d. OPf.)

Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für Straftaten des Ehepartners eines nach Deutschland entsendeten Angehörigen der US-Streitkräfte.

Artikel VII Abs. 1 NATO-Truppenstatut

Entscheidungstenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz vom 2. Juli 2020 wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Die Angeklagte unterliegt wegen der in Deutschland begangenen Tat als philippinische Staatsangehörige und Ehefrau eines nach Deutschland entsandten Soldaten der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika (Entsendestaat) uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit. Es ist nach Artikel VII Abs. 1 bis 3 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (Bekanntmachung vom 16. Juni 1963, BGBl. II S. 745 - NATO-Truppenstatut, NTS) kein Fall konkurrierender Gerichtsbarkeit gegeben. Denn Artikel VII Abs. 1 lit. a NTS gestattet den Militärbehörden des Entsendestaates nicht, in Deutschland die Strafgerichtsbarkeit über Angehörige im Sinne von Artikel I Abs. 1 lit. c NTS auszuüben. Das ergibt sich bereits aus Artikel I Abs. 1 lit. f NTS. Demnach erstreckt sich die Zuständigkeit der Militärbehörden auf Mitglieder der Truppen und das zivile Gefolge, nicht jedoch auf Angehörige (vgl. Witzsch, Deutsche Strafgerichtsbarkeit über die Mitglieder der US-Streitkräfte und deren begleitende Zivilpersonen, 1970, S. 58). Darüber hinaus ist die Angeklagte nicht dem Militärrecht des Entsendestaates im Sinne von Artikel VII Abs. 1 lit. a NTS unterworfen. Denn in Friedenszeiten ist das Militärrecht der Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf Auslandstaten anzuwenden, die Ehepartner von Soldaten begangen haben (vgl. KK-OWiG/Lutz, 5. Aufl., vor § 53 Rn. 52; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 46 Rn. 21; Perlak, Military Law Review 2001, Vol. 169, 93, 97 f.; Marenbach, NJW 1974, 1070; Schwenk, JZ 1976, 581, jeweils mwN).

2. Die Beschwerdeführerin kann nicht mit Erfolg eine Verletzung von Artikel 25 Abs. 1a Satz 1 des Zusatzabkommens zum NTS (BGBl. 1961 II S. 1218) geltend machen. Denn diese völkervertragsrechtliche Vereinbarung begründet lediglich ein Recht des Entsendestaates auf Teilnahme von Prozessbeobachtern an der Hauptverhandlung, nicht jedoch ein dahingehendes Individualrecht der Beschwerdeführerin (vgl. BT-Drucks. III/2146, S. 236, 239).

3. Soweit die Auslegung des Revisionsvorbringens eine Rüge der Verletzung von Artikel VII Abs. 9 lit. g NTS ergeben sollte, wäre diese unzulässig. Das in Artikel VII Abs. 9 lit. g NTS geregelte Recht der Beschwerdeführerin auf Anwesenheit eines Vertreters des Entsendestaates bei der Verhandlung sichert lediglich allgemeine rechtsstaatstypische Verfahrensrechte und begründet keine über die Bestimmungen des deutschen Strafverfahrensrechts hinausgehenden Vorrechte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1966 - 1 StR 199/66, BGHSt 21, 81, 84; BT-Drucks. III/2146, S. 227). Die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge betreffend die Verletzung von Art. VII Abs. 9 lit. g NTS wegen des Ausschlusses der Öffentlichkeit einschließlich der Vertreter des Entsendestaates bei der Vernehmung einer kindlichen Zeugin erfordert deshalb die Mitteilung des Ausschließungsbeschlusses, die die Beschwerdeführerin unterlassen hat.

4. Die strafschärfende Berücksichtigung des in seinem letzten Teilakt von Verdeckungsmotiven getragenen Tatgeschehens begegnet angesichts der Feststellungen insbesondere zu den Vorstellungen der Angeklagten über die mögliche Todesursächlichkeit des Wassereinflößens keinen durchgreifenden Bedenken.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 274

Externe Fundstellen: NStZ 2021, 436

Bearbeiter: Christoph Henckel