HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1037
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 312/20, Beschluss v. 15.06.2021, HRRS 2021 Nr. 1037
1. Auf die Revision der Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. März 2020, soweit es sie betrifft, aufgehoben; jedoch haben die Feststellungen zum Tatgeschehen Bestand.
2. Auf die Revision der Angeklagten T. wird das vorbezeichnete Urteil im Ausspruch über die Einziehung der „weiteren sichergestellten, unter den Ziffern 01 bis 22, 24 bis 27 und 29 bis 34 der Sicherstellungsniederschrift vom 14.11.2018 verzeichneten Gegenstände“ mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
5. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagte T. hat es eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und gegen die Angeklagte V. eine solche von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Ferner hat es gegen beide Angeklagten die Einziehung sichergestellter Cannabispflanzen sowie weiterer Gegenstände angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revisionen, dass von der Einziehung eines Grundstücks abgesehen worden ist. Das Rechtsmittel der Angeklagten V. hat im Wesentlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), das der Angeklagten T. führt zu einer Teilaufhebung des Einziehungsausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind ebenfalls unbegründet.
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Die Angeklagte V. erwarb 2013 ein abgelegenes und mit Lagerhalle, Wohngebäude und Garagen bebautes Grundstück. Das Grundstück diente auch als Betriebsstätte eines Online-Vertriebs der Angeklagten T., die 30.000 Euro für Instandsetzungsarbeiten aufwandte. Im Jahr 2016 verkaufte die Angeklagte V. die Liegenschaft lastenfrei und unter Wert zu einem Kaufpreis von 23.000 Euro an die Angeklagte T., blieb aber „wirtschaftlich gesehen“ mitberechtigt. Beide entschlossen sich spätestens im Frühjahr 2018, in großem Umfang Cannabis anzubauen und gewinnbringend zu veräußern. Dazu errichteten sie in den Garagen eine hochprofessionelle Aufzuchtanlage oder ließen diese errichten. Zur Verdeckung täuschte die Angeklagte T. vor, die Garagen vermieten und die Liegenschaft verkaufen zu wollen. Das Grundstück besichtigende Kaufinteressenten führten die Angeklagten unter einem Vorwand nicht in die Garagen.
1. Die Verurteilung der Angeklagten V. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die bisherigen Feststellungen belegen allenfalls die Voraussetzungen der Beihilfe, jedoch keine (mit-)täterschaftliche Beteiligung der Angeklagten V. an dem durch die Angeklagte T. betriebenen Drogenhandel (vgl. zur Abgrenzung etwa BGH, Urteil vom 10. März 2021 - 6 StR 317/20, Rn. 13, mwN). Danach hatte die Angeklagte V. zwar Kenntnis von der in den Garagen betriebenen Aufzuchtanlage. Ihre Tatbeiträge erschöpften sich jedoch darin, Verkaufsbemühungen vorzutäuschen. Den gemeinsamen Tatenschluss und das Tatinteresse leitet die Kammer allein daraus ab, dass die Angeklagte nach dem Verkauf an dem Grundstück „wirtschaftlich gesehen“ mitberechtigt war. Das Urteil lässt indessen offen, wie die „Mitberechtigung“ ausgestaltet war und auf welcher Tatsachengrundlage diese Feststellung beruht. Den weiteren Feststellungen ist namentlich nicht zu entnehmen, dass der ursprüngliche Erwerb des Grundstücks durch die Angeklagte V. bereits der Vorbereitung des späteren Anbaus von Marihuana diente.
Die Feststellungen zum Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können daher aufrechterhalten werden. Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Sie dürfen zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
2. Die vom Landgericht angeordnete Einziehung der „weiteren sichergestellten, unter den Ziffern (…) der Sicherstellungsniederschrift vom 14.11.2018 verzeichneten Gegenstände“ hat (auch) hinsichtlich der Angeklagten T. keinen Bestand.
Nach ständiger Rechtsprechung sind die einzuziehenden Gegenstände in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Eine Bezugnahme auf die Anklageschrift oder ein Asservatenverzeichnis ist hierfür nicht ausreichend (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. August 2020 - 6 StR 216/20, Rn. 3; vom 8. April 2020 - 3 StR 55/20, Rn. 3 mwN). Zwar kann das Revisionsgericht die Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst treffen, wenn die Urteilsgründe die erforderlichen Angaben enthalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. April 2020, aaO, und vom 29. Juli 2020 - 6 StR 218/20, Rn. 4). Dies ist hier aber nicht der Fall. Im Urteil (UA S. 32) ist lediglich abstrakt ausgeführt, dass es sich bei den „übrigen Gegenständen“ um Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB handelt.
3. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft decken keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf. Das Absehen von der Einziehung des Grundstücks hält aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 11. März 2021 rechtlicher Prüfung stand.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1037
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede