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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 305/94, Urteil v. 06.12.1994, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 305/94 - Urteil vom 6. Dezember 1994 (LG Hamburg)

BGHSt 40, 374; Serienstraftat der Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei (Schätzung des Schuldumfangs; Darlegung in den Urteilsgründen; Zweifelsgrundsatz).

§ 261 StPO; § 267 Abs. 1 StPO

Leitsätze

1. Schätzung des Schuldumfangs bei Serienstraftaten. (BGHSt)

2. Der Tatrichter wird vielfach gehalten sein, bei einer Tatserie die Einzelakte so konkret und individualisiert zu ermitteln und festzustellen, dass sich daraus die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Deliktstatbestandes für jede Einzeltat nachprüfbar ergibt. Geschieht dies nicht und schätzt das Gericht den Schuldumfang, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich das Ergebnis der Schätzung nicht zu ihrem Nachteil auswirkt. Eine Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung ist grundsätzlich zulässig. Unumgänglich wird eine solche Schätzung namentlich dann sein, wenn Belege über kriminelle Geschäfte abhanden gekommen sind oder von vornherein fehlten. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten B. und M. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. Oktober 1993 werden verworfen.

Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen (Freiheitsstrafen von einem Jahr und von sechs Monaten), wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten), wegen Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei (Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten) sowie wegen Urkundenfälschung (Freiheitsstrafe von sieben Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten M. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei (Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten) sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Freiheitsstrafe von sechs Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafe hat der Tatrichter zur Bewährung ausgesetzt.

Mit ihren Revisionen rügen die Beschwerdeführer die Verletzung sachlichen Rechts. Der Angeklagte M. erhebt darüber hinaus eine Verfahrensrüge, die indes lediglich mit sachlichrechtlichen Beanstandungen ausgeführt ist. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

1. Der Angeklagte B. betrieb seit 1983 Geschäfte, die den An- und Verkauf von Edelmetallen zum Gegenstand hatten. Ab August 1984 bis Mai 1990 erstellte er für den in derselben Branche tätigen K. fingierte Rechnungen über angebliche Edelmetallieferungen. Diese Rechnungen benutzte K. zum einen dazu, die darin jeweils ausgewiesene Umsatzsteuer beim Finanzamt unberechtigt als Vorsteuer geltend zu machen und auf diese Weise Steuern zu verkürzen. Zum anderen dienten K. die Belege als Herkunftsnachweise für die von ihm anderweits in großem Umfang ohne Rechnung angekauften Edelmetalle. "Die Scheinrechnungen sollten, wie es auch geschah, jeweils zeitnah auf das Datum der tatsächlichen Schwarzlieferung ausgestellt und gefertigt werden" (UA S. 15). B. ging davon aus, daß es sich bei 30 % bis 40 % der von K. angeschafften Waren um Diebesgut handelte, und er war bereit, Hehlereien des K. dadurch zu unterstützen, daß er auf dessen jeweilige Anforderung Gefälligkeitsrechnungen fertigte. Die Kammer hat keine näheren Feststellungen zur strafbaren Herkunft der von K. angekauften Waren im einzelnen getroffen, sich indes - wie der Urteilszusammenhang erweist - davon überzeugt, daß K. im genannten Umfang tatsächlich mit der Vorstellung Waren angekauft hat, es handele sich dabei um Diebesgut. B. erhielt als Gegenleistung von K. jeweils ein Drittel des in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrages.

Der Angeklagte B. ließ sich seinerseits korrespondierend zu den von ihm für K. erstellten Belegen fingierte Rechnungen über angebliche (Vor-)Lieferungen von Edelmetallen an sich schreiben. Diese für ihn unter anderem vom Mitangeklagten M. gefertigten Gefälligkeitsrechnungen benutzte B., um die darin jeweils ausgewiesene Umsatzsteuer unberechtigt beim Finanzamt als Vorsteuern geltend zu machen und so seine Steuern zu verkürzen.

Im einzelnen hat die Strafkammer folgende fünf (jeweils als fortgesetzte Handlung abgeurteilte) Taten des Angeklagten B. festgestellt:

a) In der Zeit von April 1985 bis Mai 1990 stellte B. für die von K. betriebene Firma "H." Gefälligkeitsrechnungen über Edelmetallieferungen für einen Gesamtbetrag von über 4.200.000,-- DM netto aus. Mit Hilfe dieser fingierten Rechnungen machte K. Vorsteuern in Höhe von knapp 540.000,-- DM zu Unrecht geltend. B. erhielt dafür als verabredeten Anteil von K. über 195.000,-- DM. Darüber hinaus nimmt die Strafkammer (einer Schätzung des umfassend geständigen Angeklagten B. folgend) an, daß der Angeklagte in einem Umfang von 30 % bis 40 % der Summe der Rechnungen Hehlereihandlungen K. wissentlich gefördert hat. Hierin sieht das Landgericht eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei.

b) In der Zeit von Januar bis Juli 1987 stellte B. für die weitere von K. betriebene Firma "G." fingierte Rechnungen über Edelmetallieferungen für einen Gesamtbetrag von über 400.000,-- DM netto aus. Dieses Verhalten hat die Strafkammer als weitere Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei betrachtet. Mit der Fertigung dieser Gefälligkeitsrechnungen habe B. wiederum wissentlich zu einem Drittel des Gesamtbetrages (rund 135.000,-- DM) die Anschaffung von Diebesgut durch K. unterstützt. Von einer Verfolgung der Tat unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurde insoweit nach § 154a StPO abgesehen.

c) Der Angeklagte B. ließ sich seinerseits fingierte Rechnungen über angebliche Lieferungen von Edelmetallen ausstellen und machte die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer beim Finanzamt zu Unrecht als Vorsteuern geltend. Hier hat ihn das Landgericht der (fortgesetzten) Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig gesprochen, weil er im Rahmen seines in der A.-allee geführten Geschäftsbetriebes mit Hilfe der für ihn gefertigten Gefälligkeitsrechnungen Umsatzsteuern in Höhe von über 575.000,-- DM und im Rahmen seines am S.platz betriebenen Geschäfts Umsatzsteuern in Höhe von über 67.000,-- DM verkürzt habe.

d) Darüber hinaus veränderte der Angeklagte im Zeitraum von Januar 1988 bis April 1990 in 31 Fällen nachträglich von früheren Kunden unterschriebene Ankaufsbelege, um auf diese Weise von ihm ohne Belege angekaufte Waren im nachhinein mit "passenden" Rechnungen versehen zu können. Darin hat das Landgericht eine fortgesetzte Urkundenfälschung erblickt.

2. Der Angeklagte M. stellte ebenfalls fingierte Rechnungen über den angeblichen Verkauf von Edelmetallen aus; und zwar zum einen direkt für die von K. geführte Firma "H.", zum anderen als (Schein-)Lieferant des Mitangeklagten B..

a) In der Zeit von Dezember 1987 bis November 1988 schrieb M. im Auftrag K. für diesen Gefälligkeitsrechnungen über Edelmetallieferungen für insgesamt über 1.500.000,-- DM. Mit Hilfe dieser Rechnungen verkürzte K. (wie von M. gebilligt) durch unberechtigten Vorsteuerabzug Steuern in Höhe von über 215.000,-- DM. Hierin hat die Strafkammer eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei gesehen. Der Angeklagte M. habe zumindest ab dem 12. September 1988 bei den von ihm nach diesem Zeitpunkt gefertigten 40 Rechnungen über rund 240.000,-- DM billigend in Kauf genommen, daß mit Hilfe dieser Rechnungen durch die Firma H. Stehlgut "legalisiert" werde. Das Landgericht legt bei einem Drittel der Rechnungen (80.000,-- DM) versuchte Hehlerei zugrunde.

b) In der Zeit von November 1987 bis Dezember 1988 schrieb der Angeklagte M. auch für den Mitangeklagten B. Rechnungen, denen keine Lieferungen zugrundelagen. B. machte mit Hilfe dieser fingierten Rechnungen gegenüber dem Finanzamt unberechtigt Vorsteuern geltend und hinterzog auf diese Weise Steuern in Höhe von über 38.000,-- DM. Von diesem Betrag erhielt M., den die Strafkammer insoweit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt hat, die Hälfte (über 19.000,-- DM).

II.

Das in der Revision des Angeklagten M. angesprochene Prozeßhindernis besteht nicht. Die dem hiesigen Verfahren zugrundeliegende Anklage vom 24. Juni 1991, welche die erforderliche Umgrenzung der angeklagten Taten hinreichend deutlich erkennen läßt, ist wirksam (vgl. BGHSt 40, 44).

III.

Die sachlichrechtliche Überprüfung ergibt keinen Rechtsfehler, der den Schuldspruch in Frage stellt. Der Ausführung bedarf nur folgendes:

1. Die Verurteilungen des Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen sowie wegen Urkundenfälschung und die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung sind zwar insofern mit dem Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGHSt 40, 138) unvereinbar, als die Strafkammer jeweils von einer fortgesetzten Handlung ausgegangen ist (vgl. auch BGH wistra 1994, 266). Hierdurch sind die Angeklagten jedoch nicht beschwert.

2. Entsprechendes gilt für die Taten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die vom Landgericht als in Tateinheit mit Beihilfe zur (versuchten) gewerbsmäßigen Hehlerei stehend bewertet worden sind. Insoweit geben indes die Schuldsprüche wegen Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei Anlaß zu folgenden Bemerkungen:

a) Der Tatrichter führt aus (UA S. 100 f), im Rahmen des vorliegenden Verfahrens habe nicht festgestellt werden können, welche der durch die Angeklagten erstellten Rechnungen für welche konkrete deliktisch erlangte Ware als Erwerbsnachweis verwendet worden sei. Eine Klärung, in welchen Einzelfällen K., gegen den die Hauptverhandlung wegen dieser Taten über ein Jahr angedauert habe, tatsächlich Waren hehlerisch erworben habe, sei aus prozeßökonomischen Gründen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unterblieben. Der Tatrichter hat sich aber davon überzeugt, daß K. in dem oben aufgezeigten Umfang Waren mit der Vorstellung erworben hat, es handele sich dabei um Diebesgut. Insofern geht das Gericht hier nur von einer Beihilfe der Angeklagten zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei aus.

b) Die Feststellungen belegen mit noch hinreichender Deutlichkeit die Überzeugung des Tatrichters, daß die Angeklagten Beihilfe zur (wie das Landgericht infolge seiner begrenzten Feststellungen meint: versuchten) gewerbsmäßigen Hehlerei geleistet haben.

aa) Die Angeklagten wußten, daß K. die Rechnungen oder jedenfalls einen Teil von ihnen zur "Legalisierung" von möglichem Diebesgut einsetzen wollte. Schon durch die Absprache, bei Bedarf auf Anforderung Rechnungen zur "Legalisierung" von Schwarzkäufen zu erstellen und herzugeben, wurde K. beim Erwerb derartiger Ware gestützt. K. konnte auf die ihm tatsächlich gelieferten Rechnungen zurückgreifen, um einen rechtmäßigen Erwerb zu belegen.

In dem geschilderten Verhalten liegt auch nicht nur eine (straflose) Vorbereitungshandlung oder eine (straflose) nur versuchte Beihilfe. Denn K. hat nach den Feststellungen tatsächlich Waren erworben, die möglicherweise Diebesgut waren. Dies förderten die Angeklagten.

bb) Die Feststellungen beruhen entgegen den Angriffen der Revisionen nicht auf bloßen Annahmen und Vermutungen des Tatrichters. Vielmehr hat das Landgericht seine Überzeugung im Sinne des § 261 StPO einwandfrei auf der Grundlage des von ihm für glaubhaft erachteten Geständnisses des Angeklagten B. gebildet, der von K. über dessen Geschäfte in den von diesem geführten Firmen unterrichtet worden war (UA S. 13 ff.) und deshalb bekunden konnte, daß in K. Unternehmen tatsächlich (und nicht nur nach Vorstellung der Angeklagten) in großem Umfang für Hehlgut gehaltenes Gold angekauft wurde.

cc) Auch hinsichtlich der Konkretisierung der Haupttat genügen die Feststellungen den rechtlichen Anforderungen: Die Menge des Diebesgutes, auf das sich K.'s Hehlereihandlungen bezogen, hat das Gericht aufgrund einer Schätzung des Angeklagten B. bestimmt. Hierbei handelt es sich (anders als in dem vom Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 7. Juli 1987 - 4 StR 313/87 - entschiedenen Fall) ersichtlich um die Feststellung eines vom Tatrichter als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfangs.

Allerdings wird der Tatrichter vielfach gehalten sein, bei einer Tatserie die Einzelakte so konkret und individualisiert zu ermitteln und festzustellen, daß sich daraus die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Deliktstatbestandes für jede Einzeltat nachprüfbar ergibt (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Mai 1994 - 5 StR 176/94 -). Dies hat die Strafkammer hier "aus prozeßökonomischen Gründen" unterlassen. Sie hat den Umfang der Hehlerei statt dessen im Wege der Schätzung ermittelt. Dies ist hier - auf die Revision der Angeklagten - rechtlich nicht zu beanstanden, da sich das Ergebnis der Schätzung nicht zu ihrem Nachteil auswirkt. Eine Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung ist grundsätzlich zulässig. Unumgänglich wird eine solche Schätzung namentlich dann sein, wenn Belege über kriminelle Geschäfte abhanden gekommen sind oder von vornherein fehlten (vgl. auch zu ähnlichen Fällen: BGH wistra 1993, 264; BGH, Beschluß vom 4. Mai 1993 - 5 StR 69/93 -).

Zur Bestimmung des Schuldumfangs ist es in solchen Fällen zulässig, einen rechnerisch bestimmten Teil des Gesamtgeschehens bestimmten strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen im Wege der Schätzung zuzuordnen. Die Feststellung der Zahl der Einzelakte und die Verteilung des festgestellten Gesamtschadens auf diese Einzelakte erfolgt nach dem Grundsatz in dubio pro reo (vgl. etwa BGH NStZ 1994, 586).

Jede andere Betrachtung, die von einer eingeengten, jeden Einzelfall isoliert beurteilenden Sichtweise ausgeht, würde bei fehlenden Belegen zum Ausschluß, in vielen anderen Fällen zur Erschwerung der Bestrafung bei zweifellos strafbarem Gesamtverhalten führen. Solches ist von der Rechtsprechung bislang im Bereich von Verurteilungen wegen fortgesetzter Handlungen unproblematisch vermieden worden. Der Verzicht auf dieses Rechtsinstitut kann nicht zu Strafbarkeitslücken führen, die der Gerechtigkeit widerstreiten würden.

dd) Daß der Tatrichter davon abgesehen hat, die Mindestzahl der Hehlereitaten des K. festzustellen, beschwert die Angeklagten hier ebensowenig wie der Umstand, daß er zugunsten der Angeklagten angenommen hat, die Hehlereien seien nur versucht.

c) Die mit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGHSt 40, 138) nicht zu vereinbarende Annahme fortgesetzter Beihilfehandlungen bleibt unschädlich. Die Angeklagten sind hierdurch ohnehin nicht beschwert. Darüber hinaus liegt es nahe, daß die in der jeweiligen Übergabe der Scheinrechnungen zu erblickenden Beihilfeakte durch die vorherige Zusage dieser Übergabe zu einer einheitlichen Gehilfentat zusammengefaßt werden. Die Konkurrenzen für den Haupttäter und den Teilnehmer sind gesondert voneinander zu bestimmen. So kann zu tatmehrheitlich zusammentreffenden Hehlereihandlungen des Haupttäters durch die Zusage der Hingabe von Scheinrechnungen und deren Vollzug seitens der Angeklagten tateinheitlich Beihilfe geleistet worden sein.

IV.

Die Strafzumessung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Der Tatrichter hat unter ausdrücklichem Bezug auf Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 MRK sowohl zugunsten des Angeklagten B. (UA S. 109 f) als auch zugunsten des Angeklagten M. (UA S. 119) berücksichtigt, daß das Verfahren mehrere Jahre gedauert hat und auch nach Anklageerhebung vor der Strafkammer noch etwa zwei Jahre wegen anderer vordringlicher Sachen nicht gefördert worden ist, während die Angeklagten so lange mit den Tatvorwürfen belastet waren, wobei der Angeklagte B. überdies einer Meldeauflage nachkommen mußte. Damit wird ersichtlich in Rechnung gestellt, daß die späte Aburteilung der Taten auf Verfahrensverzögerungen zurückzuführen ist, welche die Angeklagten nicht zu vertreten haben. Das Landgericht hat auch beachtet, daß sich eine solche Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung mildernd auswirken muß (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 1993, 3254; EGMR EuGRZ 1983, 371; BGH StV 1994, 653 m.w.N.). Allerdings ist es in Fällen dieser Art regelmäßig erforderlich, das Ausmaß der strafmildernden Berücksichtigung einer vom Angeklagten nicht verschuldeten Verfahrensverzögerung näher zu bestimmen (BVerfG - Kammer - aaO sowie Beschluß vom 14. Juli 1994 - 2 BvR 1072/94 -; BGH StV 1994, 653). Diesem Erfordernis ist das Landgericht zwar nicht mit der wünschenswerten Klarheit nachgekommen. Die Einzelstrafen sind bei Berücksichtigung des Tatumfangs und der Tatmodalitäten jedoch so maßvoll, daß darin eine deutliche Strafmilderung hinreichend zum Ausdruck gelangt.

2. In der vom Angeklagten B. beanstandeten Formulierung des Landgerichts, dieser Beschwerdeführer habe "durch seine Tatbeiträge insbesondere für die Firma H. einen Beitrag zur Förderung der organisierten Kriminalität" geleistet (UA S. 118), liegt kein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB: Trotz der schlagwortartigen Verkürzung liegt in der Erwägung ein tragfähiger Strafschärfungsgrund, weil die Strafkammer ersichtlich nicht allein das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 260 StGB, sondern das von K. auf Geschäfte im großen Stil zugeschnittene Bezugs- und Vertriebssystem im Auge hatte.

3. Der Tatrichter hat zugunsten des Angeklagten B. berücksichtigt, daß dieser den angerichteten Schaden teilweise wiedergutgemacht hat (UA S. 113 f.). Der Senat schließt aus, daß das Landgericht zu milderen Einzelstrafen oder einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre, wenn es Gelegenheit gehabt hätte, die am 1. Dezember 1994 in Kraft getretene Vorschrift des § 46a StGB (Art. 1 Nr. 1 Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3186) anzuwenden.

Externe Fundstellen: BGHSt 40, 374; NJW 1995, 1166; NStZ 1995, 203; NStZ 1995, 460; StV 1995, 60

Bearbeiter: Karsten Gaede