Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 190/93, Beschluss v. 26.05.1993, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Das Verfahren wird gemäß § 206a StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung für die Jahre 1979 und 1980 verurteilt worden ist. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21. Oktober 1992 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung (fortgesetzte Umsatzsteuerhinterziehung von September 1979 bis September 1981) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Bewährung verurteilt. Der Angeklagte macht mit seiner Revision Verjährung der Tat geltend; ferner rügt er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Die Revision führt zur Teileinstellung des Verfahrens wegen eingetretener Verfolgungsverjährung und zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch. Im übrigen ist das Rechtsmittel, soweit es sich gegen den noch verbleibenden Schuldspruch richtet, unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte seit August 1978 Mehrheitsgesellschafter und faktischer Geschäftsführer einer von ihm gegründeten GmbH. In der Zeit von September 1979 bis September 1981 bezog er für die GmbH von unbekannt gebliebenen Dritten Warenlieferungen ohne Rechnung, für die er sich von einer weiteren Firma, die tatsächlich keine Waren geliefert hatte, entsprechende Scheinrechnungen erstellen ließ. Die darin ausgewiesene Umsatzsteuer machte er in den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH für September 1979 bis September 1981 als Vorsteuern geltend. Die Umsatzsteuervoranmeldung für September 1981 gab der Angeklagte am 4. November 1981 ab. In den Umsatzsteuerjahreserklärungen 1979 bis 1981, die er über den Steuerberater der GmbH am 6. Januar 1981 für 1979, am 13. Januar 1982 für 1980 und am 10. Januar 1983 für 1981 abgeben ließ, wiederholte er die jeweils vorangemeldeten, auf den Scheinrechnungen beruhenden Vorsteuerabzugsbeträge. Auf diese Weise nahm der Angeklagte für die GmbH unberechtigt Vorsteuern von insgesamt 1.377.368 DM in Anspruch und verkürzte um diesen Betrag die Umsatzsteuerzahllast der GmbH. Auf 1981 entfielen davon 667.638 DM.
Das Landgericht hat in der Abgabe der unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und der unzutreffenden Jahreserklärungen eine einzige fortgesetzte Handlung gesehen, deren letzter Teilakt die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1981 am 10. Januar 1983 darstelle. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Zwar geht der Tatrichter zutreffend davon aus, daß die falschen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen untereinander in Fortsetzungszusammenhang stehen (vgl. BGHR AO § 370 I Gesamtvorsatz 6). Dies gilt auch für die die falschen Angaben wiederholenden Umsatzsteuerjahreserklärungen 1979 und 1980, die in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den regelmäßig abgegebenen unzutreffenden Voranmeldungen beim Finanzamt eingereicht wurden (BGHSt 38, 165, 170 f). Dagegen fehlt es an einem solchen engen Zusammenhang bei der erst am 10. Januar 1983 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 1981, so daß insoweit die von der Rechtsprechung geforderten objektiven Voraussetzungen einer fortgesetzten Handlung (vgl. BGHSt 36, 105, 110; 37, 45, 47) nicht gegeben sind.
2. Durch die Annahme einer fortgesetzten Handlung ist der Angeklagte auch beschwert. Hinsichtlich des Vorwurfs der Umsatzsteuerhinterziehung für die Jahre 1979 und 1980 ist Verfolgungsverjährung eingetreten (§§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die fortgesetzte Umsatzsteuerhinterziehung zu dem Zeitpunkt durch Unterlassen beendet, zu dem der Angeklagte verpflichtet war, eine Jahreserklärung für 1981 abzugeben, ohne dieser Verpflichtung fristgerecht nachgekommen zu sein (vgl. BGHSt 38, 165, 169). Selbst wenn man wegen der Einschaltung eines Steuerberaters davon ausgeht, daß der vom Angeklagten geführten GmbH über die gesetzliche Frist nach § 149 Abs. 2 AO (31. Mai 1982) hinaus eine Fristverlängerung eingeräumt war (vgl. den Gemeinsamen Erlaß der Obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen für das Kalenderjahr 1981, BStBl. 1982 I, 284), war die Tat jedenfalls spätestens am 30. September 1982 beendet. Damit war bereits vor Erlaß des angefochtenen Urteils am 21. Oktober 1992 die absolute Verjährung nach §§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB eingetreten.
b) Dies führt jedoch nur zur Einstellung des Verfahrens für die Jahre 1979 und 1980. Denn soweit die Umsatzsteuerhinterziehung für 1981 durch die Abgabe der Jahressteuererklärung am 10. Januar 1983 bewirkt worden ist, ist keine Verjährung eingetreten.
aa) Die durch verspätete Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1981 am 10. Januar 1983 begangene Steuerhinterziehung ist im Verhältnis zu der durch Unterlassen der fristgerechten Jahreserklärung begangenen Steuerhinterziehung - die hier zu den vorausgegangenen Voranmeldungen im Fortsetzungszusammenhang steht (vgl. BGHSt 38, 165) - eine Nachtat, durch die die bereits erlangten Vorteile der schon beendeten Haupttat gesichert werden sollen. Diese Nachtat ist durch die Haupttat mitbestraft, wenn ihr Unrechtsgehalt damit schon abgegolten ist. Dies ist dann der Fall, wenn und soweit die spätere Jahreserklärung lediglich die vorangegangenen oder auch unterlassenen Erklärungen wiederholt hat und gegenüber der Haupttat betragsmäßig keine weitere Steuerverkürzung eingetreten ist. Bleibt die Haupttat jedoch, aus welchen Gründen auch immer, straffrei, so entfällt der Grund für die Straflosigkeit der Nachtat und ihre Strafbarkeit lebt wieder auf (vgl. BGHSt 38, 366, 368 f. m.w.N. = JZ 1993, 475 mit abl. Anm. Stree).
bb) Die am 10. Januar 1983 abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung 1981 ist auch taugliche Tathandlung im Sinne unrichtiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber den Finanzbehörden. Zwar ist diese Erklärung von der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Geschäftsführerin der GmbH berufenen Ehefrau des Angeklagten unterzeichnet worden und damit unter Verstoß gegen die Formvorschrift des § 18 Abs. 3 Satz 3 UStG erfolgt, die die eigenhändige Unterschrift des Unternehmers oder seines vertretungsberechtigten Organs erfordert. Dieser Formverstoß nimmt der Erklärung jedoch nicht die Eignung als unrichtige Angabe im Sinne von § 370 AO. Diese Vorschrift stellt auf inhaltlich falsche Angaben und die dadurch bewirkte Steuerverkürzung ab. Dieser vom Angeklagten gewollte Erfolg ist hier durch die Wirkung der Erklärung als Steueranmeldung auch eingetreten.
cc) Hinsichtlich der am 10. Januar 1983 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 1981 ist die Verjährung auch rechtzeitig unterbrochen worden. Gegen den Angeklagten ist am 23. Januar 1985 Haftbefehl erlassen worden. Der richterliche Beschluß vom 23. September 1988, durch den gemäß § 116 StPO der Haftverschonungsbeschluß vom 12. Februar 1985 durch Wegfall der Meldeauflage geändert worden ist, ist eine Entscheidung, durch die der Haftbefehl aufrechterhalten wurde, § 78 c Abs. 1 Nr. 5 StGB (a.A. Jähnke in LK 10. Aufl. § 78 c Rdn. 29; Stree in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 78 c Rdn. 13; Rudolphi in SK-StGB § 78 c Rdn. 20). Wegen der Vorschrift des § 120 Abs. 1 StPO wird bei jeder Entscheidung über die Haftverhältnisse und auch die Haftverschonungsauflagen inzident auch über den Bestand des Haftbefehls entschieden (vgl. Dreher/Tröndle, StGB 46. Aufl. § 78 c Rdn. 15; Kleinknecht/Meyer, StPO 40. Aufl. § 116 Rdn. 1; Boujong in KK 2. Aufl. § 116 Rdn. 7; Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 116 Rdn. 6). Derartige Beschlüsse enthalten daher auch ohne ausdrücklichen Ausspruch die Entscheidung, daß die Voraussetzungen des Haftbefehls weiterhin vorliegen.
dd) Einer gesonderten Einstellung der fortgesetzten Umsatzsteuerhinterziehung 1981, soweit diese durch die Abgabe unzutreffender monatlicher Voranmeldungen und nicht fristgerechte Abgabe der Jahreserklärung 1981 begangen worden ist, bedarf es nicht. Denn der Schuldumfang wird von der in nicht verjährter Zeit abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 1981 erfaßt, die strafbar und verfolgbar geblieben ist.
Soweit die Revision sich gegen den verbleibenden Schuldspruch der Umsatzsteuerhinterziehung für 1981 richtet, hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Verfahrensrügen und der Sachrüge keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Wegen des nach Teileinstellung des Verfahrens erheblich verminderten Schuldumfangs muß jedoch die Strafe neu bestimmt werden.
Externe Fundstellen: BGHSt 39, 233; NJW 1993, 2692; NStZ 1993, 493; StV 1993, 522
Bearbeiter: Rocco Beck