Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 379/92, Urteil v. 22.09.1992, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. August 1991 in den Strafaussprüchen gegen beide Angeklagte mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten R wird verworfen. Dieser Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Schwurgericht hat den Angeklagten H. wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und den Angeklagten R. wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten R. bleibt ohne Erfolg. Dagegen ist die auf die Strafaussprüche gegen beide Angeklagte beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft mit der allein erhobenen Sachrüge erfolgreich.
Nach einer Zechtour trafen die beiden Angeklagten gegen 0.30 Uhr auf einem S-Bahnhof den ihnen unbekannten Nebenkläger. Der Angeklagte H. schlug den betrunkenen Nebenkläger mit einem Faustschlag ins Gesicht nieder, trat ihm dann "brutal ins Gesicht und in den Bauch" und schlug mehrmals den Kopf des Opfers auf den Boden. Der Angeklagte R. versuchte zunächst, den Angeklagten H. zurückzuhalten, trat dann aber, wie H. Turnschuhe tragend, auf den liegenden Nebenkläger ein. Als sie versuchten, ihn auf eine Bank zu setzen, fiel er wieder zu Boden. Beide Angeklagte traten nun dem stark blutenden Nebenkläger in den Bauch. Danach suchten sie zunächst das Weite. Auf der Bahnhofstreppe sagte der Angeklagte H. zu dem Angeklagten R.: "Der muß weg!". Er meinte damit, daß der Nebenkläger zur Vermeidung einer drohenden Strafverfolgung getötet werden sollte. Der Angeklagte R. verstand das und befürchtete ebenfalls, durch den Nebenkläger als Mittäter der vorangegangenen Straftat überführt zu werden. Er "griff... in das folgende Tatgeschehen nicht ein, weil er damit einverstanden war, daß "der Nebenkläger den Tod fand." Beide Angeklagte kehrten auf den Bahnsteig zurück, wo der Nebenkläger "allein und bewußtlos in seinem Blut lag." Der Angeklagte H. warf ihn auf das Gleisbett, "um ihn von einem S-Bahn-Zug überfahren zu lassen." Er sprang sodann auf die Gleise hinunter, um den Nebenkläger "so hinzulegen, daß er überfahren werden würde. Er forderte nun R. auf, auch hinunterzuspringen und mit anzufassen. Dazu war R. auch bereit und sprang hinunter". Er faßte den Nebenkläger aber nicht mehr an, "weil H. inzwischen schon allein das Opfer so auf das Gleis gelegt hatte, daß dessen Kopf von einem Zug überfahren werden konnte." Beide Angeklagte rechneten damit, daß noch Züge verkehrten, und verließen den Bahnhof. Bei alledem war infolge Alkoholgenusses die Steuerungsfähigkeit beider Angeklagter erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB, die des Angeklagten H. möglicherweise sogar aufgehoben (§ 20 StGB).
Ein von einem Augenzeugen der Schläge und Tritte alarmierter weiterer Zeuge lief auf den Bahnsteig, sah den Nebenkläger, der inzwischen vom Gleis etwas heruntergeglitten war, und versuchte vergeblich, ihn auf den Bahnsteig zu heben, schob ihn in eine Hohlkehle unter der Bahnsteigkante und lief dem um 0.49 Uhr einlaufenden S-Bahn-Zug entgegen. Der Fahrer hielt den Zug etwas vor dem üblichen Haltepunkt an. Der Kurzzug hätte ohnehin vor der Stelle gehalten, an der der Nebenkläger gelegen hatte. Der Fahrer hätte "auf der geraden Strecke und wegen der guten Ausleuchtung des Bahnhofs einen Mann, der dort auf den Gleisen lag, rechtzeitig gesehen." Der schwerverletzte Nebenkläger erfuhr stationäre chirurgische Versorgung einschließlich zweier Nachoperationen wegen Wundinfektionen.
Die Revision des Angeklagten R. bleibt ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrügen versagen.
1. Den Hilfsbeweisantrag, "ein medizinisch-psychiatrisches Gutachten über den Zustand des Angeklagten R. zur Tatzeit einzuholen", hat das Schwurgericht (UA S. 31-33) rechtsfehlerfrei abgelehnt.
2. Die Aufklärungsrüge, der Nebenkläger hätte vernommen werden müssen, versagt; denn das Schwurgericht teilt im Urteil mit: "Von dem während der Tat stark betrunkenen Nebenkläger, der u.a. eine Gehirnerschütterung erlitt, ist bekannt geworden, daß er an das Tatgeschehen keinerlei Erinnerung hat. Ihn zu laden und hören erübrigte sich deshalb" (UA S. 34). Konkrete Umstände, die dem entgegenstehen würden, werden von der Revision nicht vorgetragen.
3. Soweit im vorstehenden Zusammenhang auch beanstandet wird, es seien "damit Informationen verarbeitet, die sich nicht aus der Hauptverhandlung ergeben haben", es liege mithin ein Verstoß gegen § 261 StPO vor, ist die Rüge zumindest unbegründet. Die Klärung, ob ein Beweismittel völlig ungeeignet ist, unterliegt dem Freibeweis (vgl. § 251 Abs. 3 StPO; Alsberg/Nüse/Meyer Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl., S. 122 m.w.N. in Fn. 43 und S. 603).
II. Das angefochtene Urteil enthält keinen sachlichrechtlichen Fehler zum Nachteil des Beschwerdeführers R..
1. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei.
Zu Recht hat das Schwurgericht das Verhalten des Angeklagten R. im zweiten Geschehensabschnitt als einen versuchten Mord, begangen zumindest durch Unterlassen, bewertet.
a) Auf Grund der gemeinschaftlichen schweren Mißhandlung des Opfers, das danach allein, bewußtlos und blutend am Boden lag, war der Angeklagte R. unter dem Gesichtspunkt des vorangegangenen gefährdenden Tuns ("Ingerenz") verpflichtet, den weiteren Angriff seines Mittäters auf das Leben des Opfers zu verhindern und die tödliche Wirkung eines solchen Angriffs zu vereiteln (vgl. BGH NStZ 1985, 24; BGH StV 1982, 218 und 1986, 59). Wie das Schwurgericht festgestellt hat, war es dem Angeklagten R. auch möglich, seinen Tatgenossen "mit Worten, erforderlichenfalls auch handgreiflich an seinem Tun zu hindern" (UA S. 35). Zudem hatte der Angeklagte R. die Möglichkeit, seiner Rettungspflicht dadurch nachzukommen, daß er das Opfer von den Schienen zog, nachdem es dort so hingelegt worden war, daß sein Kopf überfahren werden konnte.
b) Der Beschwerdeführer ist - unter Berufung auf Stimmen im Schrifttum - der Ansicht, daß ein "untauglicher Versuch" eines unechten Unterlassungsdeliktes, wie er hier vorliege, nicht strafbar sei. Auch dieser Gesichtspunkt kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafbarkeit des Versuchs eines unechten Unterlassungsdeliktes grundsätzlich anerkannt (BGHSt 7, 287, 288; 14, 282, 284; BGH VRS 13, 120, 123; BGH NStZ 1985, 24; BGH StV 1985, 229; vgl. auch RGSt 61, 360, 361). In gleicher Weise nimmt auch die herrschende Lehre grundsätzlich Strafbarkeit des Versuchs eines unechten Unterlassungsdeliktes an (Eser in Schönke/Schröder StGB, 24. Aufl., Rdn. 27 vor § 22; Jescheck in LK, 10. Aufl., § 13 Rdn. 46 ff. und Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, 4. Aufl., S. 576 ff.; Lackner StGB, 19. Aufl., § 22 Rdn. 17; Vogler in LK, 10. Aufl., § 22 Rdn. 109 ff.; Baumann/Weber Strafrecht Allgemeiner Teil, 9. Aufl., S. 482; Blei Strafrecht Allgemeiner Teil, 18. Aufl., S. 316; Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 852 ff.; Maurach/Gössel Strafrecht Allgemeiner Teil Teilband 2, 7. Aufl., S. 32 ff.; Grünwald JZ 1959, 46 ff.; zurückhaltend Dreher/Tröndle StGB, 45. Aufl., § 13 Rdn. 18). Soweit im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, daß es einen strafbaren Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes überhaupt nicht gebe, wird statt dessen ein - strafbares - "Unterlassen des Erfolgsabwendungsversuchs", ein "Unterlassungsversuch" angenommen (Welzel Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 206, 221; Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959, S. 204 ff., 221 ff., 237 f.).
Allerdings wird im Schrifttum vertreten, daß in Fällen des Unterlassens der "untaugliche Versuch" nicht strafbar sei. Indes meinen die Vertreter dieser Lehre damit nur diejenigen Fälle, in denen keinerlei Gefahr für das Rechtsgut besteht. Die Autoren nennen den "Versuch des untauglichen Täters" und "eingebildete Pflichten" (Stratenwerth Strafrecht Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., S. 204), Fälle von "keinerlei Gefahr" (Rudolphi in SK, Stand März 1992, Rdn. 55 vor § 13) und Fälle einer irrtümlich für gegeben gehaltenen Gefahrenlage (Schmidhäuser Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 716). Es kann dahinstehen, ob in diesen Fällen eine Ausnahme von dem Grundsatz gilt, daß der Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes strafbar ist; denn hier lag objektiv eine konkrete Gefahr für das Leben des Opfers vor. Es mag sein, daß es angesichts der Geradlinigkeit und der guten Ausleuchtung der Strecke sowie des Umstandes, daß der nächste einfahrende Zug ein Kurzzug war, wahrscheinlicher war, daß das Opfer die Durchfahrt des nächsten Zuges überleben würde als von diesem tödlich überfahren zu werden. Gleichwohl bestand objektiv eine erhebliche Todesgefahr für das Opfer. Der Zug fuhr wenige Minuten nach dem erheblichen Verhalten der Angeklagten in den Bahnhof ein. Jede von vielen möglichen Wahrnehmungsschwächen oder Fehlreaktionen des Zugfahrers, mancherlei denkbare technische Defekte oder die Einfahrt eines Langzuges bei geändertem Fahrprogramm hätten - jeweils allein - zum Tod des Opfers führen können.
c) Der Angeklagte R. hat mit seinem Verhalten die Schwelle zum Versuch überschritten. Auf den Streit in der Strafrechtswissenschaft, wann der Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes beginnt, kommt es dabei nicht an. Allerdings wird einerseits vertreten, daß schon das Verstreichenlassen der ersten Rettungschance den Versuch begründe (so Herzberg MDR 1973, 89 ff.; Maihofer GA 1958, 289, 297; Schröder JuS 1962, 86), andererseits angenommen, daß erst im Auslassen der letzten vermeintlichen Rettungsgelegenheit der Versuchsbeginn liege (so Welzel aaO S. 221; Armin Kaufmann aaO S. 210 ff., 216). Schließlich wird mit beachtlichen Gründen darauf abgestellt, ob die Untätigkeit des Garanten nach dessen Vorstellung zu einer Gefahrerhöhung für das zu schützende Rechtsgut führe (so Blei aaO S. 317; Eser aaO; Jescheck jeweils aaO; ähnlich Gössel aaO S. 34; Vogler aaO Rdn. 115 ff.). Insbesondere werden solche Gefahrerhöhung oder generell der Versuchsbeginn darin gefunden, daß der Täter die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gibt (Grünwald aaO; Jakobs aaO S. 854; Lackner aaO; Roxin JuS 1979, 12). Als beide Angeklagte zum zweiten Mal den Bahnhof verließen, während das Opfer auf dem Gleis lag, begab der Angeklagte R. sich jeder Möglichkeit des Einflusses auf das weitere Geschehen, ließ er die letzte Rettungsgelegenheit ungenutzt verstreichen, womit zugleich objektiv und nach der Vorstellung des Beschwerdeführers die Todesgefahr für das Opfer massiv erhöht wurde.
d) Die für die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe in diesen Fällen maßgeblichen Kriterien (vgl. BGH StV 1986, 59) hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei angewendet. Es hat dabei insbesondere darauf abgestellt, daß der Angeklagte R. "dasselbe Interesse am Tod des Opfers hatte wie H. und die Tat deshalb im Rechtssinne als eigene wollte" und zudem der "gewandtere", "erkennbar überlegene", "deutlich weniger betrunken(e)" der beiden Angeklagten war (UA S. 35).
e) Die Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 StGB ist im angefochtenen Urteil hinreichend dargetan. Eine Fallgestaltung, wie sie der Entscheidung BGHSt 7, 287 (übrigens aufgegeben durch BGH bei Dallinger MDR 1966, 24; vgl. BGH NStZ 1992, 125 m.w.N.) zugrunde lag, ist hier - entgegen der Ansicht der Revision - nicht gegeben.
2. Auch der Strafausspruch gegen den Angeklagten R. ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil dieses Angeklagten. Insbesondere liegt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - ein Fall des § 23 Abs. 3 StGB nicht vor. Der Angeklagte hat nicht "aus grobem Unverstand verkannt", daß die Tat nicht zur Vollendung führen konnte. Er rechnete mit weiterem Zugverkehr (UA S. 11) und einer möglichen Tötung des Opfers. Das Überleben des Opfers widersprach zwar der unrichtigen Einschätzung der Sachlage durch den Angeklagten R.. Grober Unverstand lag dieser Einschätzung jedoch nicht zugrunde.
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Strafbemessung gegen beide Angeklagte hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
I. Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen (BGHSt 34, 345, 349). Auch braucht der Tatrichter im Urteil nur die bestimmenden Strafzumessungsgründe anzuführen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); die Darlegung sämtlicher Erwägungen zur Strafzumessung ist weder nötig noch möglich (BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGH StV 1984, 151). Fehlt es aber ersichtlich an der erforderlichen umfassenden Wertung derjenigen Umstände, die für die Höhe der Strafe nach § 46 StGB bestimmend sein müssen, so ist darin ein sachlichrechtlicher Fehler zu sehen (BGHSt 28, 318, 323). Das gilt namentlich dann, wenn der Tatrichter einen der rechtlich anerkannten Strafzwecke überhaupt nicht in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, obwohl hierzu Anlaß bestand (BGHSt 17, 35, 36). Zudem ist eine Strafe dann rechtsfehlerhaft, wenn sie sich wegen ihrer Höhe - nach oben oder nach unten - von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich für die Tat zu sein (BGHSt 24, 132, 134; 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1977, 1247; BGH bei Holtz MDR 1978, 109, 110). Nach diesen Maßstäben ist die Strafzumessung gegen beide Angeklagte hier rechtsfehlerhaft.
II. Betreffend den Angeklagten H. führt das Schwurgericht - neben mildernden Gesichtspunkten - zu Lasten des Angeklagten lediglich an, daß der Angeklagte "im Rausch zwei schwerwiegende rechtswidrige Taten begangen hat". Die Einsatzstrafe gegen den Angeklagten R. wegen versuchten Mordes wird ausschließlich mit Umständen begründet, die zugunsten dieses Angeklagten sprechen. Dabei wird das strafbare Verhalten der beiden Angeklagten bagatellisierend als "eine große Dummheit" bezeichnet (UA S. 37, 39). Mit alledem wird das Tatbild außer acht gelassen.
1. Dies kennzeichnet aber mit Erheblichkeit für die Strafzumessung die kriminelle Intensität des Verhaltens des Angeklagten R. und mithin seine Tatschuld, wenngleich er nur wegen Unterlassens haftet. Es kommt hinzu, daß die gewollte Tötungsart eine besonders rohe Gesinnung dieses Angeklagten anzeigt.
2. Auch bei der Strafzumessung gegen den Angeklagten H. war das äußere Tatbild strafschärfend zu berücksichtigen. Solches ist nicht etwa wegen der Besonderheiten des Straftatbestandes des Vollrausches nach § 323 a StGB ausgeschlossen. Allerdings darf die im Rausch begangene Tat als solche dem Täter nicht vorgeworfen werden, weil er insoweit ohne Schuld handelt. Deshalb dürfen seine Motive und die Gesinnung, die zu der im Rausch begangenen rechtswidrigen Tat geführt haben, bei der Strafzumessung nicht zu seinem Nachteil herangezogen werden (BGHSt 23, 375, 376; BGHR StGB § 323 a Abs. 2 Strafzumessung 1; BGH bei Spiegel DAR 1982, 200). Anderes gilt indes für tatbezogene Merkmale der im Vollrausch begangenen Tat, so für Art, Umfang, Schwere und Gefährlichkeit oder Folgen dieser Tat (BGHSt 23, 375, 376; BGHR StGB § 323 a Abs. 2 Strafzumessung 2; BGH VRS 34, 349 und 41, 93, 96; BGH bei Dallinger MDR 1972, 198 und 1974, 15; BGH bei Holtz MDR 1982, 811; BGH bei Spiegel DAR 1979, 180; BGH Urteil vom 8. Januar 1965 - 2 StR 465/64 -). Diese Umstände sind auch Folgen des unter Strafe gestellten Sichberauschens, mithin Anzeichen für den Gefährlichkeitsgrad des Rausches und schließlich die wichtigsten Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere der Tat nach § 323 a StGB (vgl. BGHSt 23, 375, 376). Deshalb hätte das Schwurgericht bei der Strafzumessung gegen den Angeklagten H. die außerordentliche Schwere der gefährlichen Körperverletzung und die Begehung eines gefährlichen Mordversuchs als im Rausch begangene Taten berücksichtigen müssen. Es ist zu besorgen, daß dies nicht hinreichend geschehen ist, indem das Schwurgericht lediglich gewürdigt hat, daß der Angeklagte "im Rausch zwei schwerwiegende rechtswidrige Taten begangen hat".
3. Schließlich kann angesichts der hervorgehobenen Besonderheiten des Tatbildes eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bei keinem der Angeklagten die Aufgabe erfüllen, gerechter Schuldausgleich zu sein.
III. Danach sind die gegen den Angeklagten H. verhängte Strafe und - wegen ihres inneren Zusammenhanges - beide gegen den Angeklagten R. verhängte Einzelstrafen sowie schließlich die Gesamtstrafe aufzuheben.
Danach kommt es auf die von der Revision der Staatsanwaltschaft beanstandete Nichtberücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte nicht an. Insoweit weist der Senat für die neue Hauptverhandlung auf BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 2 und 6 m.w.N. hin.
Externe Fundstellen: BGHSt 38, 356; NJW 1992, 3309; NStZ 1993, 32; StV 1993, 24
Bearbeiter: Rocco Beck