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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 163

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 582/24, Beschluss v. 17.12.2024, HRRS 2025 Nr. 163


BGH 5 StR 582/24 - Beschluss vom 17. Dezember 2024 (LG Berlin I)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin I vom 23. Februar 2024 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die - nach fortgeschrittener Beweisaufnahme als schriftliche Verteidigererklärung abgegebene - Einlassung des Angeklagten, er habe das Messer erst hervorgeholt, nachdem der Geschädigte seine Schusswaffe gezogen hatte, um sich dagegen zu verteidigen, rechtsfehlerfrei als unglaubhaft gewertet. Es hat eine „Verteidigungssituation“ nicht feststellen können und ist aufgrund einer eingehenden Würdigung aller erhobenen Beweise davon ausgegangen, dass es sich um ein einheitliches dynamisches Tatgeschehen handelte, in dem der Angeklagte nach den von seinem Vorsatz umfassten und ihm zurechenbaren Stichen des gesondert Verfolgten W. seinerseits mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz auf den Geschädigten einstach. Soweit die Revision dagegen einwendet, es sei eine neue Kampfsituation entstanden, in der der Angeklagte vor dem mit seiner - defekten - Schusswaffe hantierenden Geschädigten „im Fluchtmodus“ weggelaufen sei, handelt es sich dabei um urteilsfremdes Vorbringen, mit dem sie in der allein auf die Sachrüge gestützten Revision nicht durchdringen kann; insbesondere hat die Strafkammer den von der Verteidigung zu Unrecht als „zwingend“ bezeichneten Schluss von der Verletzung des Angeklagten am Hinterkopf auf seine vorherige Flucht vor dem Geschädigten nicht gezogen und nicht ziehen müssen.

Soweit das Landgericht in der rechtlichen Würdigung gleichwohl ausgeführt hat, dass der Angeklagte nicht nur in Ausführung des gemeinsamen Tatplans sondern „möglicherweise“ auch gehandelt habe, um seinerseits Abwehrmaßnahmen des Geschädigten abzuwehren, führt dies zu keiner anderen Beurteilung: Indem die Strafkammer auf den fortbestehenden Willen des Angeklagten abgestellt hat, den Geschädigten für ein zurückliegendes Geschehen zu bestrafen, bei dem er weiterhin mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, hat sie in der Sache tragfähig einen Verteidigungswillen des Angeklagten verneint. Zudem lag - wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - schon objektiv keine Notwehrlage vor; vielmehr verteidigte sich der Geschädigte gegen den weiterhin gegenwärtigen Angriff des Angeklagten und seines Mittäters. Die Formulierung spricht auch nicht gegen das vom Landgericht angenommene Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, denn nach der eingehenden und rechtsfehlerfreien Prüfung handelte der Angeklagte bei den Stichen „maßgeblich“, um sich in einem in der Öffentlichkeit umgesetzten Akt der Selbstjustiz für die ihm widerfahrene „Demütigung“ zu rächen. Der leitende, die Tat prägende Handlungsantrieb war mithin ein niedriger Beweggrund, so dass sich die Tat trotz möglicher Nebenziele insgesamt - neben der rechtsfehlerfrei bejahten Heimtücke - auch als Mord aus niedrigen Beweggründen darstellt (vgl. MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 83).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 163

Bearbeiter: Christian Becker