HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1200
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 24/24, Beschluss v. 04.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1200
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. April 2023, soweit er verurteilt worden ist,
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis, der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen und des Besitzes verbotener Gegenstände (zwei Wurfsterne) schuldig ist,
in den Aussprüchen über die Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben,
im Ausspruch zur Einziehung der im Fall II.6 eingezogenen Menge von 18,8 g Marihuana aufgehoben; diese entfällt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Wurfsternen (Fall II.6 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.
a) Soweit der Beschwerdeführer die vom Landgericht auf § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO gestützte Ablehnung eines Beweisantrages rügt, mit dem die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe einer marktüblichen Miete begehrt wurde, hat die Beanstandung auch deshalb keinen Erfolg, weil die Begründung der Strafkammer den Anforderungen an eine Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit gerecht geworden ist. Denn die Begründung kann umso knapper ausfallen, je augenfälliger - wie hier angesichts der Ausführungen der Strafkammer - die Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2021 - 5 StR 82/21; KKStPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 153; LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 226).
b) Der auf eine Verletzung von § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO gestützten Rüge bleibt der Erfolg versagt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war in den von ihm angeführten Fortsetzungsterminen zur Sache verhandelt und das Verfahren gefördert worden.
aa) Dies gilt für den Termin am 1. Juli 2022 insbesondere deshalb, weil bei Aufruf der Sache um 12.05 Uhr ein früherer Mitangeklagter abwesend war, die Verhandlung um 12.20 Uhr unterbrochen und um 15.45 Uhr in Anwesenheit des früheren Mitangeklagten fortgesetzt wurde. Im Anschluss wurde aus einem Sonderband der Protokollkopf einer überwachten Telekommunikation verlesen. Die Sitzung wurde um 15.55 Uhr beendet.
Dieser Verfahrensablauf stellt ein Verhandeln zur Sache dar, mit dem die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO gewahrt wurde, denn angesichts der offenbar nicht zuvor angekündigten Abwesenheit des früheren Mitangeklagten konnte die Hauptverhandlung augenscheinlich nur in wesentlich geringerem Umfang gefördert werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2017 - 3 StR 262/17, NStZ 2018, 297, 298; Beschluss vom 5. November 2008 - 1 StR 583/08, NStZ 2009, 168; KKStPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl., § 229 Rn. 6).
bb) Auch das alleinige Verlesen des Protokollkopfs einer überwachten Telekommunikation im Termin vom 25. Juli 2022 stellt ein Verhandeln zur Sache dar. Aus dem mit der Revisionsbegründung vorgelegten Überwachungsprotokoll ergeben sich eingangs des Dokuments Datum, Uhrzeit, Telefonnummern der Anschlüsse und deren Inhaber sowie die Teilnehmer des Gesprächs. Es handelt sich mithin um grundsätzlich auch für den weiteren Fortgang der Beweisaufnahme relevante Inhalte.
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs.
a) Der Angeklagte unterstützte in drei Fällen gesondert Verfolgte beim Aufbau und/oder beim Betrieb von zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs von Cannabis angelegten Plantagen. In einem Fall erbrachte die Ernte eine Wirkstoffmenge von etwa 1.450 g THC, in den beiden anderen Fällen hätten die Ernten eine Wirkstoffmenge von gut 560 g THC und ungefähr 1 kg THC erreicht.
Ferner war der Angeklagte in einem Fall Mitglied einer Bande und als solches täterschaftlich am Betrieb einer Cannabis-Plantage beteiligt. Die Ernte erbrachte eine Wirkstoffmenge von 400 g THC. Zudem bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung 18,8 g Marihuana und zwei Wurfsterne auf.
b) Da sich die festgestellten Handlungen ausschließlich auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG beziehen, hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem 1. April 2024 geltenden Strafvorschriften des Konsumcannabisgesetzes (BGBl. I 2024 Nr. 109) als hier milderes Recht zur Anwendung zu bringen.
aa) Das vom Landgericht im Zusammenhang mit den Cannabis-Plantagen festgestellte Tatgeschehen ist nunmehr als bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG) und als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) zu würdigen.
bb) Der Schuldspruch im Fall II.6 kann ebenfalls keinen Bestand haben, soweit der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Der Besitz von 18,8 g Marihuana stellt indes weder eine Straftat nach § 34 Abs. 1 KCanG noch eine Ordnungswidrigkeit nach § 36 KCanG dar.
Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die verhängten Einzelstrafen haben schon deshalb keinen Bestand, weil hier die Strafrahmen des § 34 Abs. 3, Abs. 4 KCanG gegenüber denjenigen aus § 29a Abs. 1, § 30a Abs. 1 BtMG milder sind. Zudem ist im Fall II.6 die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln weggefallen. Der Wegfall der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Im Fall II.6 gerät die Einziehung der ehemals strafbaren Besitzmenge in Wegfall.
4. Die Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und gegebenenfalls durch solche ergänzt werden, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1200
Bearbeiter: Christian Becker