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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1038

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 116/24, Beschluss v. 21.05.2024, HRRS 2024 Nr. 1038


BGH 5 StR 116/24 - Beschluss vom 21. Mai 2024 (LG Bremen)

Änderung des Schuldspruchs bei Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis.

§ 34 KCanG

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. November 2023 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen (II.1 bis II.4, II.8 und II.10), davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (Fall II.10), und des Handeltreibens mit Cannabis in fünf Fällen (II.5 bis II.7, II.9 und II.11) schuldig ist, sowie im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II.5 bis II.7 und II.9 bis II.11 und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, hiervon zwei Monate aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt, und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit sachlich-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Beanstandungen geführte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verfahrensrüge erweist sich aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen als unzulässig, weil sie die formellen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht erfüllt.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs in sechs Fällen (II.5 bis II.7 und II.9 bis II.11) und Aufhebung der Einzelstrafen in den von der Änderung betroffenen Fällen sowie des Gesamtstrafausspruchs.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte als EncroChat-Nutzer „i.“ zwischen dem 29. März und dem 26. Mai 2020 in Gewinnerzielungsabsicht mit 100 g Kokain (85 g Kokainhydrochlorid, Fall II.1), 150 g Kokain (127,5 g Kokainhydrochlorid, Fall II.2), 3 kg Amphetamin (420 g Amphetaminbase, Fall II.3), 1 kg Kokain (850 g Kokainhydrochlorid, Fall II.4), 1 kg Marihuana (138 g THC, Fall II.5), 300 g Haschisch (46,5 g THC, Fall II.6), 25 kg Marihuana (3,45 kg THC, Fall II.7), 1 kg Kokain (850 g Kokainhydrochlorid, Fall II.8), 10 kg Marihuana (1,38 kg THC, Fall II.9), 3 kg Marihuana und 150 g Kokain (414 g THC und 127,5 g Kokainhydrochlorid, Fall II.10) und 5 kg Marihuana (690 g THC, Fall II.11).

b) Da sich die festgestellten Handlungen in den Fällen II.5 bis II.7, II.9 und II.11 ausschließlich und im Fall II.10 teilweise auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG beziehen, hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem 1. April 2024 geltende Strafvorschrift des § 34 KCanG (BGBl. I 2024 Nr. 109) als hier milderes Recht zur Anwendung zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2014 - 5 StR 1/24; vom 24. April 2024 - 5 StR 136/24).

Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatgeschehen sind die Fälle II.5 bis II.7 und II.9 bis II.11 rechtlich als Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG), im Fall II.10 in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Kokain) in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), zu werten. Dass sich die Taten jeweils auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KKStPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Der Senat stellt den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

c) Die Einzelstrafen in den genannten Fällen können nicht bestehen bleiben. Dies gilt für die Fälle II.5 bis II.7, II.9 und II.11, weil § 34 Abs. 1 und 3 KCanG (vgl. zur nicht geringen Menge im Sinne von § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24; Urteil vom 24. April 2024 - 5 StR 516/23) mildere Strafrahmen als der von der Strafkammer jeweils angewendete Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vorsehen. Soweit die Strafe in Fall II.10 weiterhin dem Strafrahmen des § 29a BtMG zu entnehmen ist, kann der Senat gleichwohl nicht ausschließen, dass die Strafkammer mit Blick auf die Wertungen des KCanG zu einer milderen Strafe gelangt wäre. Der Wegfall dieser Einzelstrafen zieht auch die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Die Feststellungen können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1038

Bearbeiter: Christian Becker