HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 481
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 530/23, Beschluss v. 02.01.2024, HRRS 2024 Nr. 481
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 8. Juni 2023 aufgehoben in den Aussprüchen über
die Einzelstrafen in den Fällen II.1. bis 4. der Urteilsgründe,
die Gesamtfreiheitsstrafe,
die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie d) die Anordnung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung von „Wertersatz“ in Höhe von 38.168 Euro und eine Sperrfrist zur Erteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen erwarb und erhielt der Angeklagte in den Fällen II.1. bis 3. der Urteilsgründe jeweils Marihuana (1 kg, 2 kg und 4,6 kg), um dieses gewinnbringend weiterzuverkaufen. Im Fall II.4. stand der Angeklagte mit einem Interessenten in ernsthaften Verkaufsverhandlungen über den Verkauf von Kokain (1 kg); zu einer Übergabe kam es letztlich nicht. In den Fällen II.5. bis 7. befuhr der Angeklagte jeweils mit einem Pkw öffentliche Straßen, obwohl er wusste, dass er die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte.
2. Die in den Fällen II.1. bis 4. verhängten Einzelstrafen können keinen Bestand haben, da sie auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabs (BGH, Urteile vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21 Rn. 54; vom 27. Januar 2016 - 5 StR 387/15, NStZ-RR 2016, 105, 106) einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen.
In diesen Fällen hat es das Landgericht versäumt, den konkreten Wirkstoffgehalt der gehandelten Betäubungsmittel festzustellen; das Urteil teilt lediglich mit, diese seien „nicht bekannt“. Solcher Feststellungen bedarf es bei einer Betäubungsmittelstraftat jedoch regelmäßig. Auf den Wirkstoffgehalt kommt es neben Art und Menge der gehandelten Betäubungsmittel nicht nur für die Bestimmung einer nicht geringen Menge, sondern auch für die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinne an, weil dadurch der Schuldumfang der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden.
Stehen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, muss das Tatgericht die Wirkstoffmenge oder den Wirkstoffgehalt unter Berücksichtigung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände (wie Herkunft, Preis, Aussehen, Verpackung, Beurteilung durch Tatbeteiligte, Handelsstufe), gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes, zahlenmäßig schätzen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 18. Januar 2023 - 5 StR 343/22 mwN; Beschluss vom 23. März 2021 - 3 StR 53/21, NStZ 2023, 46 f.).
Der Schuldspruch kann in allen Fällen bestehen bleiben, da sich aus den rechtsfehlerfrei festgestellten Mengen der gehandelten Betäubungsmittel zweifelsfrei ergibt, dass der Angeklagte jeweils mit einer nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG handelte. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen in diesen Fällen niedrigere Strafen zugemessen hätte, sodass die hierfür verhängten Einzelstrafen aufzuheben sind.
3. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten; zu den Wirkstoffgehalten der gehandelten Betäubungsmittel sind solche wie dargestellt erforderlich.
4. Der Ausspruch zur Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen II.1. bis 3. wird durch die Feststellungen nicht getragen. Danach fehlt es an der für eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB erforderlichen Feststellung, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel weiterveräußert und deshalb etwaige Verkaufserlöse erlangt hat. Soweit die Strafkammer ihrer Entscheidung mit dem Abstellen auf den Kaufpreis den Wert der erworbenen Betäubungsmittel zugrunde gelegt haben sollte, kann auch so eine Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht begründet werden. Denn zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangte Betäubungsmittel sind keine Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, sondern Tatobjekte, die nach § 33 Satz 1 BtMG iVm § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können. Die Einziehung des Wertersatzes richtet sich dementsprechend nach § 74c StGB. Voraussetzung hierfür ist indes, dass das Tatobjekt dem Täter zur Tatzeit gehörte oder zustand. Werden Betäubungsmittel aber wie hier im Inland erworben, kann der Käufer wegen § 134 BGB kein Eigentum an den Drogen erlangen (BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2023 - 5 StR 529/22; vom 9. November 2021 - 5 StR 244/21).
Auch hinsichtlich der Einziehungsentscheidung bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.
5. Die Anordnung der isolierten Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB kann nicht bestehen bleiben. Eine solche Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 69a StGB ist gemäß § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO im Urteil zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 - 1 StR 439/18, NStZ-RR 2019, 29). Das Landgericht hat indes die Anordnung einer einjährigen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis weder hinsichtlich der Voraussetzungen noch hinsichtlich der Dauer begründet; allein die Aufnahme in die Liste der angewendeten Vorschriften genügt dafür nicht.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 481
Bearbeiter: Christian Becker