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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 349

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 382/23, Urteil v. 23.10.2024, HRRS 2025 Nr. 349


BGH 5 StR 382/23 - Urteil vom 23. Oktober 2024 (LG Dresden)

Konkurrenzen bei Deliktsserie und mittelbarer Täterschaft; Betrug durch ärztliche Abrechnungen; Einziehung.

§ 52 StGB; § 73 StGB; § 263 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie ist die Frage, ob Tateinheit oder -mehrheit gegeben ist, für jeden der Tatbeteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Erbringt ein Täter einer solchen Serie lediglich in deren Vorfeld oder in deren weiteren Verlauf einen einheitlichen, mehrere der Einzeltaten fördernden Beitrag, ohne sich im Weiteren an der Ausführung dieser Einzeltaten zu beteiligen, so sind ihm die gleichzeitig geförderten Einzeltaten nicht als jeweils rechtlich selbständig, sondern als in gleichartiger Tateinheit begangen zuzurechnen. Denn sie werden in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft.

2. Bei der mittelbaren Täterschaft richtet sich die Beurteilung der Konkurrenzen für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Bewertung des Handelns des Tatmittlers, das ihm zuzurechnen ist.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. September 2022, soweit es ihn betrifft,

im Schuldspruch dahin geändert, dass er in den Fällen 22 bis 429 der Urteilsgründe des Betruges in 408 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist,

im Strafausspruch mit Ausnahme der für die Fälle 1 bis 21 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen aufgehoben,

im Einziehungsausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Auf die Revision der Angeklagten L. wird das vorbenannte Urteil, soweit es sie betrifft, aufgehoben, hinsichtlich der Feststellungen lediglich zum Einziehungsausspruch.

Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Auf die Revision der Einziehungsbeteiligten wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten L. (im Folgenden: Angeklagter zu 1.) wegen Betruges in 429 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten und die Angeklagte L. (im Folgenden: Angeklagte zu 2.) wegen Betruges in 408 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, Kompensationsentscheidungen getroffen und den Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten zu 1. erlittene Auslieferungshaft bestimmt. Ferner hat es gegen beide Angeklagte und die Einziehungsbeteiligte gesamtschuldnerisch die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 243.894,83 Euro angeordnet.

Hiergegen richten sich die Rechtsmittel beider Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten, die auf die Sachrüge und seitens des Angeklagten zu 1. und der Einziehungsbeteiligten zudem auf Verfahrensbeanstandungen gestützt sind.

Die Staatsanwaltschaft hat ihre vom Generalbundesanwalt vertretenen und zuungunsten beider Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten eingelegten Revisionen auf die Einziehungsentscheidungen beschränkt. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Einziehungsbeteiligten haben vollen, die der Angeklagten den aus dem Tenor ersichtlichen teilweisen Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte zu 1. Gesellschafter und ärztlicher Leiter der N. GbR, einer fachübergreifenden ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsausübungsgemeinschaft nebst angeschlossenen Physio- sowie Ergotherapiepraxen. Die Angeklagte zu 2., seine Ehefrau, ist Ergotherapeutin und war Geschäftsführerin der M. GmbH, einer ebenfalls ärztlichen sowie therapeutischen Berufsausübungsgemeinschaft. Beide waren zudem jeweils alleinvertretungsberechtigte geschäftsführende Gesellschafter der NM. GbR, einer allein auf die Erbringung von ergo- und physiotherapeutischen Leistungen ausgerichteten nichtärztlichen Einrichtung. Der Angeklagte zu 1. führte die Geschäfte im ärztlichen Bereich der N. GbR und der M. GmbH alleinverantwortlich. Den therapeutischen Bereich aller drei Zentren leiteten die Angeklagten gleichberechtigt.

Die N. GbR rechnete für die Quartale 1/2009 bis 4/2011, die M. GmbH für die Quartale 4/2009 bis 4/2011 ärztliche Leistungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen durch Sammelerklärungen ab. Diese unterzeichnete der Angeklagte zu 1. oder ließ sie von Dritten unterzeichnen, obwohl er wusste, dass darin nicht abrechnungsfähige Positionen enthalten waren. Die insoweit geltend gemachten ärztlichen Leistungen waren entweder gar nicht oder aber nicht von dem mit seiner lebenslangen Arztnummer (LANR) angegebenen Arzt oder nicht an dem behaupteten Tag erbracht worden. Die Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung zahlten im Vertrauen auf die Richtigkeit der Sammelerklärungen und Abrechnungsfähigkeit der geltend gemachten Positionen an die N. GbR insgesamt über 460.000 Euro und an die M. GmbH insgesamt mehr als 20.000 Euro aus, auf welche die Gesellschaften keinen Anspruch hatten.

Aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses und im bewussten und gewollten Zusammenwirken der beiden Angeklagten rechneten alle drei Versorgungszentren auch Heilmittelverordnungen ab, die nicht erstattungsfähig waren. Die in den Verordnungen ausgewiesenen Therapien wurden entweder von einem hierfür nicht qualifizierten Therapeuten erbracht oder aber es wurde eine andere Therapie durchgeführt, die nicht zum Leistungskatalog der Krankenkasse gehörte. Bei der Abrechnung der therapeutischen Leistungen aller drei Versorgungszentren nahm die Angeklagte zu 2. eine zentrale Rolle ein. In unregelmäßigen Abständen - meist monatlich - wurden die abgearbeiteten Verordnungen durch das von ihr geleitete Büro gesammelt an ein Abrechnungszentrum weitergereicht („unechtes Factoring“). Dieses erstellte Sammelrechnungen, die es der jeweils kostentragenden Krankenkasse vorlegte, und zahlte zugleich die in Rechnung gestellte Summe an das jeweilige Medizinische Versorgungszentrum aus. Kürzte eine Krankenkasse den Rechnungsbetrag, verrechnete das Abrechnungszentrum dies im Rahmen der nächsten Auszahlung an das jeweilige Versorgungszentrum. Mit Wissen und Wollen beider Angeklagten wurden auf diese Weise insgesamt 408 Sammelrechnungen mit nicht erstattungsfähigen Positionen gestellt. Hierdurch erlangte die M. GmbH Zahlungen in Höhe von über 280.000 Euro, die NM. GbR von über 240.000 Euro und die N. GbR von über 135.000 Euro.

Der Angeklagte zu 1. erwarb im Tatzeitraum drei Grundstücke, die er jeweils unentgeltlich auf eine Kommanditgesellschaft, die Rechtsvorgängerin der Einziehungsbeteiligten, übertrug. Zum Kauf setzte er Vermögen ein, das jedenfalls teilweise aus den durch die festgestellten Taten erlangten finanziellen Mitteln stammte.

2. Das Landgericht hat jede Quartalsabrechnung über ärztliche Leistungen als einen Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) des Angeklagten angesehen (Fälle 1 bis 21) und hierfür Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren und zehn Monaten festgesetzt. Es hat zudem jede von dem Abrechnungszentrum gestellte Sammelrechnung für beide Angeklagten als eine in mittelbarer Täterschaft begangene Betrugstat zum Nachteil der kostentragenden Krankenkasse angesehen (Fälle 22 bis 429) und Einzelstrafen verhängt, die von fünf Tagessätzen Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr (bei dem Angeklagten zu 1.) oder von bis zu einem Jahr und sechs Monaten (bei der Angeklagten zu 2.) reichen. Einen etwaigen Betrug zum Nachteil des Abrechnungszentrums hatte die Staatsanwaltschaft bereits von der Verfolgung ausgenommen.

Eine Einziehung in Höhe der an die M. GmbH gezahlten Beträge hat die Strafkammer abgelehnt, weil die Angeklagten insoweit nichts erlangt hätten. Die Einziehung der von der Kassenärztlichen Vereinigung an die N. GbR gezahlten Honorare sei gemäß § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen, da sich die Vereinigung durch Einbehalte und Verrechnungen mit späteren Honorarforderungen schadlos gestellt habe. Ihrer Einziehungsentscheidung hat die Strafkammer die an die Gesellschaften bürgerlichen Rechts für therapeutische Leistungen gezahlten Beträge zugrunde gelegt und hiervon mit Blick auf einen von dem Angeklagten und der M. GmbH mit den geschädigten Krankenkassen geschlossenen Vergleich über die Zahlung von 850.000 Euro gemäß § 73e Abs. 1 StGB einen Betrag in Höhe von 116.675,60 Euro in Abzug gebracht. In dieser Höhe hatten die Krankenkassen die Vergleichsforderung gegenüber der M. GmbH durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen zum Erlöschen gebracht. Die Anordnung der Wertersatzeinziehung gegen die Rechtsvorgängerin der Einziehungsbeteiligten hat das Landgericht auf § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a StGB gestützt.

II.

Die Revision des Angeklagten zu 1. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die Verfahrensrügen versagen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen.

2. Der Schuld- und Strafausspruch halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Mit Recht hat das Landgericht hinsichtlich der durch Abrechnung ärztlicher Leistungen begangenen Betrugstaten (Fälle 1 bis 21) abrechnungsrelevante Mängel darin erblickt, dass der Angeklagte zu 1. Leistungen bewusst unter der LANR von Ärzten abrechnete, die die Leistungen nicht erbracht hatten (aa), und über den Tag der erbrachten Leistung täuschte (bb); auch die Strafzumessungserwägungen in diesen Fällen begegnen keinen Bedenken (cc).

aa) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass in jedem Fall, in dem Leistungen, die von einem bei der N. GbR angestellten Arzt erbracht worden waren, unter der LANR eines anderen Arztes abgerechnet wurden, eine Täuschung über einen abrechnungsrelevanten Umstand vorliegt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht eine arztbezogene Kennzeichnungspflicht mit der LANR grundsätzlich auch in fachgebietsgleichen Berufsausübungsgemeinschaften (vgl. BSG, Beschluss vom 1. März 2023 - B 6 KA 10/22 B Rn. 14 mwN). Die LANR ermöglicht eine Zuordnung jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme zu einem bestimmten Arzt. So soll den Kassenärztlichen Vereinigungen unter anderem auch die Überprüfung von Plausibilitätsgrenzen ermöglicht werden.

bb) Gleiches gilt für Datumsangaben: Ohne eine wahrheitsgemäße Angabe des Datums der Leistungserbringung konnte die Kassenärztliche Vereinigung eine arztbezogene Plausibilitätsprüfung des Umfangs der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand nach § 106a Abs. 2 Satz 2 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 ebenfalls nicht durchführen.

cc) Die Strafzumessung des Landgerichts zu diesen Fällen ist rechtsfehlerfrei. Es hat zutreffend strafmildernd gewichtet, dass die abgerechneten Leistungen zum Teil fachgerecht erbracht wurden und bei Angabe zutreffender Daten grundsätzlich abrechnungsfähig gewesen wären (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200; Beschluss vom 20. Oktober 2021 - 1 StR 375/21 Rn. 11, NStZ-RR 2022, 115). Dass sie hierzu solche Leistungen nicht gezählt hat, die von Therapeuten ohne die erforderliche Qualifikation erbracht wurden, ist nicht zu beanstanden. Derartige Behandlungen sind für den Kostenträger wertlos (vgl. BGH, Urteil vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19, BGHSt 65, 110 Rn. 87).

b) Jedoch hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der im Zusammenhang mit der Abrechnung von therapeutischen Leistungen begangenen Betrugstaten (Fälle 22 bis 429) sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie ist die Frage, ob Tateinheit oder -mehrheit gegeben ist, für jeden der Tatbeteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Erbringt ein Täter einer solchen Serie lediglich in deren Vorfeld oder in deren weiteren Verlauf einen einheitlichen, mehrere der Einzeltaten fördernden Beitrag, ohne sich im Weiteren an der Ausführung dieser Einzeltaten zu beteiligen, so sind ihm die gleichzeitig geförderten Einzeltaten nicht als jeweils rechtlich selbständig, sondern als in gleichartiger Tateinheit begangen zuzurechnen. Denn sie werden in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19, NJW 2021, 90 Rn. 52 mwN).

So liegt es hier. Der Angeklagte zu 1. erbrachte seinen Tatbeitrag einheitlich für sämtliche Taten. Er leitete die Gesellschaften und organisierte ihre Abrechnungsvorgänge, wobei er die drei Gesellschaften als eine einheitliche Einrichtung behandelte. In die Abrechnung der einzelnen Heilmittelverordnungen war er darüber hinaus nicht involviert.

bb) Der Senat schließt aus, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, welche die Annahme einer realkonkurrierenden Tatbegehung tragen würden. Er ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO, wobei zur Klarstellung nach § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO ausnahmsweise die gleichartige Idealkonkurrenz in der Urteilsformel zum Ausdruck gebracht worden ist. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte zu 1. nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

cc) Die Änderung des Schuldspruchs entzieht den in den Fällen 22 bis 429 verhängten Einzelstrafen die Grundlage. Für die zu einer Betrugstat zusammengefassten Fälle hat das neue Tatgericht unter Berücksichtigung des sich nunmehr in einer Tat kumulierten Schuldumfangs eine neue Einzelstrafe festzusetzen. Das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht dabei der Verhängung einer höheren Einzelstrafe nicht entgegen; es gebietet vielmehr nur, dass die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Außerdem darf die neue Gesamtstrafe nicht höher als bisher ausfallen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2022 - 2 StR 319/21 Rn. 15 mwN).

dd) Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

3. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerhaft.

a) Die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte zu 1. in Höhe der an die als Gesellschaften bürgerlichen Rechts verfassten Versorgungszentren gezahlten Beträge selbst tatsächlich etwas erlangt hat. Dies ist - wie die Strafkammer hinsichtlich der M. GmbH nicht verkannt hat - angesichts ihrer Rechtsfähigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) auch bei Personengesellschaften nicht ohne Weiteres bereits durch die Mehrung des Gesellschaftsvermögens der Fall (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Urteil vom 28. November 2019 - 3 StR 294/19, BGHSt 64, 234 Rn. 20 ff.).

b) Da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass noch ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die eine Einziehungsanordnung gegen den Angeklagten zu 1. zulassen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 5 StR 443/19, NZWiSt 2022, 326 Rn. 86 ff.), verweist der Senat die Sache auch insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen, hat der Senat auch die zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

c) Das neu mit der Sache befasste Gericht wird Gelegenheit haben, die Notwendigkeit eines Abzugs nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für von dem Angeklagten zu 1. durchgeführte psychiatrische Leistungen sorgfältiger als bisher geschehen zu prüfen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 2021 - 5 StR 443/19, NZWiSt 2022, 326 Rn. 86 ff.; vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19 Rn. 85, BGHSt 65, 110).

III.

Die Revision der Angeklagten zu 2. führt - ebenfalls aus konkurrenzrechtlichen Gründen - zur Aufhebung des Schuldspruchs und aus denselben Gründen wie bei dem Angeklagten zu 1. zur Aufhebung der sie betreffenden Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1. Das von der Angeklagten zu 2. geltend gemachte Verfahrenshindernis der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Urteil vom 6. September 2016 - 1 StR 104/15 Rn. 30 f. mwN) besteht nicht. Die vom Landgericht festgestellte Verzögerung kann im Rahmen der Sachentscheidung angemessen berücksichtigt werden. Dem ist das Landgericht nachgekommen.

Entgegen der Auffassung der Revision kann für die Frage einer Verfahrensverzögerung ihr gegenüber nicht darauf abgestellt werden, dass gegen den Angeklagten zu 1. bereits im Sommer 2008 Strafanzeige wegen Abrechnungsbetrugs gestellt worden war und die Angeklagte zu 2. davon Kenntnis hatte. Denn dieser Umstand begründete gerade nicht den Beginn des Verfahrens ihr gegenüber, zumal sie die ihr zur Last gelegten Taten zu dieser Zeit noch gar nicht begangen hatte. Dass die Strafverfolgungsbehörden ihre Straftaten nicht im Vorfeld verhindert haben, entlastet sie ebenfalls nicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2022 - 5 StR 542/20 Rn. 134; NStZ 2023, 247).

2. Die konkurrenzrechtliche Bewertung als tatmehrheitlich begangene Betrugstaten erweist sich auch im Hinblick auf die Angeklagte zu 2. als rechtsfehlerhaft.

Denn das Landgericht hat hinsichtlich der Abrechnung therapeutischer Leistungen durch die Angeklagte zu 2. in mittelbarer Täterschaft für die Bestimmung der Zahl der zur Verurteilung gelangten Fälle allein auf die Abrechnungsmodalitäten des Abrechnungszentrums gegenüber den Kostenträgern abgestellt und ist so zu insgesamt 408 zueinander in Tatmehrheit stehenden Fällen des Betruges gelangt. Die Beurteilung der Konkurrenzen richtet sich für den mittelbaren Täter indes nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Bewertung des Handelns des Tatmittlers, das ihm zuzurechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2020 - 1 StR 275/20, NZWiSt 2021, 110, 112).

Zwar lässt sich den Urteilsfeststellungen noch hinreichend entnehmen, dass sie zu mehreren Taten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 - 5 StR 100/23 Rn. 7 mwN) erbrachte. Denn sie nahm eine zentrale Rolle bei der Abrechnung der therapeutischen Leistungen aller drei Versorgungszentren ein. Sämtliche zur Abrechnung weitergeleiteten Heilmittelverordnungen, die später in die jeweils eine Tat bildenden Sammelabrechnungen eingingen, waren - nach von der Strafkammer als glaubhaft bewerteten und ihren Feststellungen zugrundeliegenden Zeugenaussagen - zuvor in ihrem Büro von ihr und den unter ihrer Anleitung weisungsgebunden arbeitenden Assistentinnen erstellt, ausgedruckt und an die angestellten Therapeuten verteilt worden. Schon zu diesem Zeitpunkt wusste die insoweit geständige Angeklagte zu 2., dass die Therapeuten zur Vornahme der verordneten Therapie nicht qualifiziert waren oder eine andere als die in der Verordnung ausgewiesene Therapie erbringen würden und beabsichtigte gleichwohl, die jeweilige Verordnung nach Abschluss der Therapie zur Abrechnung weiterzuleiten.

Eine Schuldspruchänderung hinsichtlich der Konkurrenzen durch den Senat kommt aber auch auf der Grundlage dieser Feststellungen nicht in Betracht, denn sie betreffen lediglich die „meist“ monatlich bei dem Abrechnungszentrum gesammelt eingereichten Heilmittelverordnungen. Auf diese Einreichungen beziehen sich mithin die fördernden Tatbeiträge der Angeklagten zu 2., so dass darauf grundsätzlich auch für die Anzahl der von ihr tatmehrheitlich begangenen Taten abzustellen ist. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, in wie vielen Fällen tatsächlich solche Abrechnungen an das Abrechnungszentrum übermittelt worden sind.

3. Die deshalb notwendige Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage.

4. Aus den gleichen Gründen wie bei dem Angeklagten zu 1. hat auch die gegenüber der Angeklagten zu 2. ausgesprochene Einziehungsanordnung keinen Bestand. Insoweit hebt der Senat wiederum auch die zugehörigen Feststellungen auf.

5. Der Aufhebung von Feststellungen zum Schuld- und Strafausspruch bedarf es hingegen nicht; sie sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

6. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte das neue Tatgericht im Rahmen der Strafzumessung ebenfalls darauf abstellen wollen, dass die Angeklagte zu 2. unter Einsatz eines Leuchtkastens systematisch Unterschriften von Patienten auf Heilmittelverordnungen aufbrachte, die diese tatsächlich nicht unterschrieben hatten, wird es in den Blick zu nehmen haben, dass die strafschärfende Berücksichtigung weiterer Straftaten erfordert, dass diese prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abgeschätzt werden können und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2017 - 4 StR 351/17 Rn. 4; vom 7. August 2014 - 3 StR 438/13 Rn. 4 jeweils mwN).

IV.

Die Revision der Einziehungsbeteiligten hat mit der Sachrüge umfassend Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.

1. Einer Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass die vom Landgericht nach § 424 StPO am Verfahren beteiligte Kommanditgesellschaft nach Einlegung der Revision vollbeendet worden ist, indem ihr vorletzter verbleibender Gesellschafter - der Angeklagte zu 1. - ausschied, so dass das Gesellschaftsvermögen bei der allein verbliebenen Komplementärin - der L. AG - anwuchs (vgl. zur „erbgangsgleichen Gesamtrechtsnachfolge“ durch Anwachsung etwa BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 - V ZB 10/18 Rn. 8 ff.). Denn die Gesamtrechtsnachfolge der ehemaligen Komplementärin führt hier dazu, dass diese an Stelle der beendeten Gesellschaft in das Verfahren eintrat (so für den Erben BGH, Urteil vom 16. Dezember 1958 - 1 StR 431/58, BGHSt 12, 273, 277; krit. dazu Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 427 Rn. 8; SSWStPO/Heine, 5. Aufl., § 427 Rn. 5; SKStPO/Paeffgen, 5. Aufl., § 427 Rn. 6; differenzierend LR/Gaede, StPO, 27. Aufl., § 427 Rn. 29). Eine solche Fortsetzung des Revisionsverfahrens mit dem Rechtsnachfolger ist jedenfalls dann sachgerecht, wenn - wie hier - die Rechtsnachfolge durch Anwachsung bei einem persönlich haftenden Gesellschafter herbeigeführt wird, nachdem das Tatgericht bereits eine Wertersatzeinziehung angeordnet hat. Eine eigenständige Beteiligung des Rechtsnachfolgers kommt im Revisionsverfahren nicht mehr in Betracht (§ 424 Abs. 3 StPO). Die Anordnung des Landgerichts ist hingegen durch die Rechtsnachfolge nicht bedeutungslos geworden, weil sie im Falle ihrer Rechtskraft gemäß § 459g Abs. 2, § 459 StPO iVm § 4 Satz 1 JBeitrG aufgrund ihrer persönlichen Haftung (§ 161 Abs. 2 iVm §§ 126, 127 HGB) unmittelbar bei der Rechtsnachfolgerin beigetrieben werden könnte (vgl. BeckOK KostR/Berendt, 45. Ed., § 4 JBeitrG Rn. 18).

2. Die Einziehungsentscheidung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die seine Anordnung tragende Feststellung, dass das zum Kauf der auf die Kommanditgesellschaft übertragenen Immobilien eingesetzte Vermögen jedenfalls teilweise aus den durch die festgestellten Betrugstaten erlangten Mitteln stammt, nicht beweiswürdigend belegt.

3. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung mit den zugrundeliegenden Feststellungen. Im zweiten Rechtsgang wird das nunmehr mit der Sache befasste Tatgericht bei seiner Entscheidung nach 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a StGB den durch die zwischenzeitlich eingetretene Rechtsnachfolge bewirkten Vermögensübergang zu berücksichtigen haben (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 140 ff.).

V.

Die wirksam auf die Einziehungsentscheidungen beschränkten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben jeweils bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf ihre Verfahrensbeanstandungen ebenfalls nicht ankommt.

1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht von der Einziehung des Wertes von Taterträgen in der Höhe abgesehen hat, in der von den Geschädigten Zahlungen an die M. GmbH geleistet wurden, sind zugunsten der Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten rechtsfehlerhaft.

Zwar hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass unabhängig von einer Zurechnung der bei der Gesellschaft eingetretenen Vermögensmehrung der Täter auch dann etwas durch die Tat erlangen kann, wenn die Gesellschaft den Taterlös tatsächlich - ganz oder teilweise - an ihn weiterleitet (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2019 - 3 StR 294/19, BGHSt 64, 234 Rn. 26). Seine pauschale Würdigung, dass derartige Auszahlungen an die Angeklagten zwar nahelägen, sich allerdings von rechtmäßigen Honorarzahlungen nicht abgrenzen ließen, ist indes nicht tragfähig belegt. Sie ist ohne nähere Angaben zu der Höhe etwaiger rechtmäßiger Honorarzahlungen und zu den Auszahlungen an die Angeklagten einer Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich. Die rudimentären Ausführungen lassen zudem nicht erkennen, warum die Strafkammer die Höhe der weitergeleiteten Zahlungen nicht nach § 73d Abs. 2 StGB geschätzt hat.

2. Die Bemessung der durch die betrügerische Abrechnung therapeutischer Leistungen seitens der N. GbR und der NM. GbR erlangten Taterträge weist ebenfalls Rechtsfehler auf, welche die Angeklagten und die Einziehungsbeteiligte begünstigen. Neben einem von der Strafkammer selbst erkannten Rechenfehler hat sie auch den auf § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten Abzug zu Unrecht vorgenommen.

Sie ist dabei davon ausgegangen, dass der zwischen den Geschädigten, dem Angeklagten zu 1. und der M. GmbH geschlossene Vergleich auch Ansprüche der Geschädigten gegen die als Gesellschaften bürgerlichen Rechts verfassten Versorgungszentren einbezog, die inzwischen mit der GmbH verschmolzen waren. Selbst dann belegen die Feststellungen die Voraussetzungen des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB jedoch nicht. Ob der Abschluss des Vergleichs, auf ihn geleistete Teilzahlungen oder erst die vollständige Erfüllung der Vergleichsforderung zum Erlass der einbezogenen Forderungen führen sollten, hängt von der dahingehenden Vereinbarung der Parteien ab. Hierzu teilen die Urteilsgründe indes nichts mit. Es ist deshalb auch nicht nachzuvollziehen, warum das teilweise Erlöschen der Vergleichsforderung gerade zum Erlöschen der Ansprüche der Verletzten gegen die Gesellschaften bürgerlichen Rechts geführt haben soll, obwohl die Vergleichsforderung noch in einer Höhe offen ist, die den von diesen Gesellschaften erlangten Betrag deutlich übersteigt.

3. Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung der gegen die Angeklagten und die Einziehungsbeteiligte getroffenen Einziehungsentscheidungen mit den zugrundeliegenden Feststellungen.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 349

Bearbeiter: Christian Becker