HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 41
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 269/23, Beschluss v. 12.10.2023, HRRS 2024 Nr. 41
Die Revision des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 17. Januar 2023 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 843,50 Euro angeordnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 17. Januar 2023
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Anstiftung zum Diebstahl in vier Fällen und der Anstiftung zum schweren Bandendiebstahl in zwei Fällen schuldig ist,
im Strafausspruch betreffend die für die Taten 6 und 8 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben; sie entfallen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten T. hat es wegen schweren Bandendiebstahls und versuchten schweren Bandendiebstahls in jeweils zwei Fällen sowie wegen Diebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat das Landgericht gegen beide Angeklagte Einziehungsanordnungen getroffen. Die jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Angeklagte P. hat den Revisionsantrag und dessen Begründung fristgerecht angebracht (§ 345 Abs. 1 Satz 1 StPO). Sein Wiedereinsetzungsantrag ist mithin gegenstandslos.
2. Die gegen den Angeklagten P. angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen hat nur teilweise Bestand.
a) Das Landgericht hat die Einziehungsanordnung nach §§ 73, 73c StGB darauf gestützt, dass der Angeklagte durch die Entwendung und Überführung der Fahrzeuge in die Tschechische Republik die faktische Verfügungsgewalt und damit im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt habe. Es ist mithin danach zwar vom zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - 5 StR 149/20, wistra 2020, 467, 468 mwN). Eine faktische Verfügungsgewalt des Angeklagten über die entwendeten Fahrzeuge ist aber nicht von den Feststellungen gedeckt. Danach fuhr der Angeklagte den Mittäter B. zu den Tatorten. Nach der Entwendung des betreffenden Fahrzeugs wurde es zum Mitangeklagten T. überführt, von dem B. einen Lohn erhielt, den er mit dem Angeklagten teilte. Es ist mithin lediglich festgestellt, dass der Angeklagte den Mittäter B. zum Tatort fuhr, nicht aber, dass er die entwendeten Kfz eigenhändig überführte. Vielmehr ergibt sich aus den vom Landgericht als glaubhaft bewerteten Angaben des Mittäters B., dass dieser die Fahrzeuge zu T. fuhr. Die bloße mittäterschaftliche Beteiligung an der Wegnahme eines Fahrzeugs vor Ort vermittelt aber noch nicht die für eine Einziehung nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB erforderliche faktische (Mit-)Verfügungsgewalt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2020 - 5 StR 154/20; siehe zum Vorliegen der faktischen Verfügungsgewalt in vergleichbaren Fallkonstellationen BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - 5 StR 130/19).
b) Nach den auch insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen erhielt der Angeklagte aber die Hälfte des Tatlohns, den der Mitangeklagte T. dem Mittäter B. bezahlt hatte. Es handelte sich insgesamt um 22.500 tschechische Kronen, deren Wert zum jeweiligen Zeitpunkt des Erhalts des Tatlohns abgerundet 1.687 Euro entsprach. Der Angeklagte hat mithin 843,50 Euro für die Taten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt. In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO hat der Senat den Einziehungsausspruch geändert. Die Vorschrift des § 265 Abs. 2 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer hätte verteidigen können.
3. Der Schuldspruch wegen mittäterschaftlicher Beteiligung des Angeklagten T. an den Diebstahlstaten hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen beauftragte der Angeklagte den gesondert Verfolgten B. damit, gut ausgestattete Skoda Octavia Facelift oder Skoda Octavia RS gegen Vergütung zu stehlen. Er beabsichtigte, die Fahrzeuge in Einzelteile zu zerlegen und diese anschließend zu verkaufen. Was die Art und Weise der Tatbegehung und die Auswahl der konkreten Fahrzeuge anbetraf, ließ er B. „freie Hand“. Der Angeklagte wusste, dass B. bei den Diebstählen zumindest mit einer weiteren Person zusammenwirkte, die ihn zu den Tatorten fahren würde. Auch insofern ließ er ihm „freie Hand“. Er war in keinem Fall selbst am Tatort oder stand während der Taten mit B. oder dessen Mittätern in Kontakt. Den Lohn bezahlte er B. bei Übernahme der gestohlenen Fahrzeuge.
b) Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten ohne nähere Begründung als mittäterschaftliche Tatbeiträge im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB gewertet. Diese Wertung ist rechtsfehlerhaft.
Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB ist nach allgemeinen Grundsätzen, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst, ebenso wenig eine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach fremde Tatbeiträge gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen sind, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226, 242 f. mwN).
Danach beteiligte sich der Angeklagte nicht als Mittäter an den Diebstahlstaten. Sein Beitrag erschöpfte sich darin, B. mit dem Diebstahl eines Kfz eines bestimmten Fahrzeugtyps zu beauftragen. Er war weder in die konkrete Planung eingebunden noch hatte er Einfluss auf die Begehung der Taten in ihrer konkreten Gestalt. Vielmehr ließ er den gesondert Verfolgten B. insofern „freie Hand“. Er besaß mithin weder Tatherrschaft noch wenigstens den Willen hierzu. Sein Interesse am Taterfolg allein macht ihn nicht zum Mittäter.
c) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen hat er B. aber jeweils zu den Taten bestimmt im Sinne des § 26 StGB und sich daher jeweils der Anstiftung zu den Diebstählen strafbar gemacht. Die bandenmäßige Begehung der Taten 6 bis 9 wird dadurch nicht in Frage gestellt; auch Teilnehmer können Mitglieder einer Bande im Sinne des § 244a StGB sein (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216 ff.).
Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer hätte verteidigen können. Die verhängten Einzelstrafen werden hiervon nicht berührt, da der Anstifter nach § 26 StGB gleich einem Täter zu bestrafen ist.
4. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle 6 bis 8 als jeweils eigenständige Taten hält hinsichtlich des Angeklagten T. der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen erteilte der Angeklagte dem gesondert Verfolgten B. insoweit lediglich einen Auftrag, den dieser zusammen mit dem gesondert Verfolgten Pi. und dem nichtrevidierenden Mitangeklagten Bö. in der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober 2020 ausführte. Sie versuchten sich an drei Fahrzeugen, wobei ihrem Diebstahlsunternehmen nur in einem Fall (Tat 7) Erfolg beschieden war.
Danach stellen sich die beiden versuchten schweren Bandendiebstähle (Taten 6 und 8) und der vollendete schwere Bandendiebstahl (Tat 7) für den Angeklagten als eine Tat dar (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2017 - 4 StR 615/16). Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert und die vom Landgericht für die Tat 7 verhängte Strafe als Einzelstrafe festgesetzt; die für die Taten 6 und 8 bestimmten Strafen hat er entfallen lassen.
5. Der Gesamtstrafenausspruch kann bestehen bleiben. Angesichts der Einsatzstrafe von zwei Jahren sowie fünf weiterer Einzelfreiheitsstrafen von zehn Monaten bis zwei Jahren ist auszuschließen, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse und des Wegfalls der genannten Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2023 - 5 StR 481/22 Rn. 14).
6. Angesichts des jeweils nur geringfügigen Erfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten jeweils die gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 41
Bearbeiter: Christian Becker