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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 931

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 153/22, Beschluss v. 30.08.2022, HRRS 2022 Nr. 931


BGH 5 StR 153/22 - Beschluss vom 30. August 2022 (LG Berlin)

Besitz von Dopingmitteln in nicht geringer Menge zum Eigendoping.

§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG; § 2 Abs. 3 AntiDopG

Entscheidungstenor

Die Revision der Angeklagten W. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 2021 wird mit der Maßgabe verworfen, dass gegen sie im Fall 11 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe von einem Monat verhängt wird.

Auf die Revision des Angeklagten R. wird das vorbenannte Urteil

aufgehoben,

soweit er im Fall 16 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels verurteilt worden ist und der Angeklagte insoweit freigesprochen; im Umfang des Freispruchs fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe;

dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und gegen ihn die Einziehung

des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.000 Euro angeordnet ist. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Die Angeklagte W. hat die Kosten ihres Rechtsmittels, der Angeklagte R. die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte W. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten R. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat erkannt. Gegen beide Angeklagte hat es jeweils eine Einziehungsentscheidung getroffen.

1. Das mit der allgemeinen Sachrüge geführte Rechtsmittel der Angeklagten W. zeigt einen Rechtsfehler lediglich im Fall 11 der Urteilsgründe auf, in dem das Landgericht es versehentlich unterlassen hat, eine Einzelstrafe festzusetzen. Der Senat holt dies gemäß § 354 Abs. 1 StPO nach und setzt aus dem von der Strafkammer rechtsfehlerfrei vorgesehenen, nach § 31 BtMG, § 27 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG unter Beachtung des § 47 StGB die Mindeststrafe fest (vgl. § 38 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 Variante 4 StGB). Den Gesamtstrafenausspruch lässt dies unberührt.

2. Die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten R. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg. Zur Rüge einer Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO durch eine fehlerhafte Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen bemerkt der Senat ergänzend:

Es begegnet zwar Bedenken, dass das Landgericht dem Angeklagten am letzten Tag der Frist einen rechtlichen Hinweis erteilt hat, ohne die Frist zu verlängern. Dies wirkt sich vorliegend indes nicht aus, weil es sich bei den nach Fristablauf gestellten Anträgen des Beschwerdeführers, deren Bescheidung erst im Urteil er bemängelt, mangels bestimmter Behauptung einer die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffenden Beweistatsache schon nicht um Beweisanträge im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gehandelt hat; sie waren deshalb ohnehin nicht nach § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO durch Beschluss zu bescheiden. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) hat der Angeklagte insoweit nicht in zulässiger Weise gerügt; ebensowenig hat er eine Verfahrensbeanstandung mit der Stoßrichtung erhoben, die Verteidigung sei in unzulässiger Weise beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil er wegen der Fristsetzung keine weiteren Anträge gestellt habe.

Die Rüge ist insoweit zudem wegen Verstoßes gegen die Vortragspflicht aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO auch deswegen unzulässig, weil in den Anträgen auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Bezug genommen, dieses aber nicht vorgelegt wird.

b) Die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels hält der auf die Sachrüge veranlassten umfassenden revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat einen Rechtsfehler insoweit zu Tage gefördert, als der Angeklagte wegen Besitzes von Dopingmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde. Die Urteilsfeststellungen rechtfertigen einen solchen Vorwurf indessen nicht. Danach enthielt die im Kühlschrank des Angeklagten aufgefundene Ampulle insgesamt 92 +/- 5,5 mg/ml also insgesamt mindestens 711,03 mg (86,5 mg/ml * 8,22 ml) Testosteronpropionat. Die nicht geringe Menge Testosteron ist in der Anlage zur DmMV in der Fassung vom 8. Juli 2016 (BGBl. 2016 I 1624) für sonstige Darreichungsformen mit 632 mg festgesetzt. Allerdings hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass in der DmMV jeweils die nicht geringe Menge für die freie Verbindung der betreffenden Stoffe ausgewiesen ist (vgl. LG München I vom 21. Februar 2020 - 9 KLs 384 Js 165441/18, BeckRS 2020, 31978 Rdnr. 217; dazu Patzak/Volkmer/Fabricius, 10. Aufl. 2022, § 4 AntiDopG Rdnr. 53). Ausgehend hiervon ist der Anteil an freien Steroiden vorliegend unter Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors von 0,837 (vgl. https://www.dshskoeln.de/institutfuerbiochemie/dopingsubstanzen/ dopinglexikon/d/dopingmittelmengenverordnungumrechnungstabelle/) mit 595,13 mg zu veranschlagen.

Dem schließt sich der Senat an. Da der Besitz von Dopingmitteln, die - wie hier - zum Eigendoping angewendet werden sollen, nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 2 Abs. 3 AntiDopG nur dann strafbar ist, wenn der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten ist, war der Angeklagte insoweit freizusprechen.

c) Im Übrigen halten Schuld- und Rechtsfolgenausspruch auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens rechtlicher Nachprüfung stand. Nach Wegfall der für Fall 11 der Urteilsgründe ausgeurteilten Geldstrafe war allerdings der Gesamtstrafenausspruch aufzuheben, und es hatte bei der im Fall 4 der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei verhängten Einzelstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe sowie bei der ebenfalls nur diesen Fall betreffenden Einziehungsentscheidung zu verbleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 931

Bearbeiter: Christian Becker