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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 790

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 102/22, Beschluss v. 19.07.2022, HRRS 2022 Nr. 790


BGH 5 StR 102/22 - Beschluss vom 19. Juli 2022 (LG Lübeck)

Unzulässigkeit der Aufklärungsrüge.

§ 244 Abs. 2 StPO; § 344 Abs. 2 S. 2 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 15. November 2021 - auch soweit es den Mitangeklagten R. betrifft - im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000 Euro aufgehoben; dieser entfällt.

Im Übrigen wird bei der Angeklagten T. von der Anordnung der Einziehung von Taterträgen abgesehen.

Die weitergehende Revision der Angeklagten T. wird mit der Maßgabe verworfen, dass die in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.

Die Revision der Angeklagten A. gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen.

Die Beschwerdeführerinnen haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte T. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung „eines Betrages“ von 1.300 Euro gegen sie und den Mitangeklagten R. als Gesamtschuldner angeordnet. Die Angeklagte A. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Lediglich die Revision der Angeklagten T. hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweisen sich die Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrügen der Angeklagten T. dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Ergänzend hierzu sieht sich der Senat lediglich zu folgender Anmerkung veranlasst:

Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der die Angeklagte geltend macht, die Strafkammer hätte ergänzend zu ihren in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen Beweis über ihre Bemühungen zur Schadenswiedergutmachung durch (erneute) Vernehmung der Geschädigten erheben müssen, erweist sich als unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Ungeachtet dessen, dass die in der zur Begründung der Rüge vorgelegten Verteidigererklärung vom 15. November 2021 in Bezug genommene Instagram-Korrespondenz nicht vollständig mitgeteilt worden ist, fehlt es an der Angabe einer bestimmten Beweistatsache, welche das Landgericht zu ermitteln unterlassen habe (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2019 - 5 StR 649/18; Beschluss vom 17. Januar 2019 - 4 StR 370/18). Denn dass sich die Geschädigte gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.000 Euro mit der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs einverstanden erklärte und insoweit eine Übereinkunft erzielt wurde, hat das Landgericht seinen Strafzumessungserwägungen ohnehin zugrunde gelegt. Welche Angaben darüber hinaus zur Frage des vom Landgericht vermissten kommunikativen Prozesses und einer Verantwortungsübernahme durch die Angeklagte unter Anerkennung der Opferrolle der Geschädigten durch deren erneute Vernehmung zu erwarten gewesen wären, ist dem Rügevorbringen hingegen nicht zu entnehmen.

2. Die von der Angeklagten T. erhobene Sachrüge führt aus den bereits im angefochtenen Urteil genannten Gründen zu einer Aufhebung der Einziehungsentscheidung in Höhe von 1.000 Euro. Im Übrigen wird von einer Einziehungsentscheidung nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen.

a) Die Angeklagte T. erlangte gemeinsam mit dem Mitangeklagten R. durch die Tat von der Geschädigten F. Bargeld und Mobiltelefone im Gesamtwert von 1.000 Euro. Zur Schadenswiedergutmachung zahlte die Angeklagte im Verlauf der Hauptverhandlung einen den genannten Wert übersteigenden Betrag an die Geschädigte, so dass deren Anspruch insoweit erloschen ist (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB). Die aus der Beschlussformel ersichtliche Änderung der Einziehungsentscheidung kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen.

b) Die Aufhebung des Ausspruchs über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000 Euro ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten R. zu erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2020 - 2 StR 582/18).

c) Von der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Angeklagte T. in Höhe von weiteren 300 Euro, die dem Wert des dem Geschädigten N. weggenommenen Mobiltelefons und Bargeldes entsprechen, hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen.

3. Wie vom Generalbundesanwalts beantragt, war bezüglich der Angeklagten T. die von dem Landgericht versäumte Entscheidung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB über den Anrechnungsmaßstab für die in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nachzuholen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 2 StR 464/17 mwN). Anhaltspunkte für einen anderen Anrechnungsmaßstab als das Verhältnis 1:1 sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision der Angeklagten T. ist es nicht unbillig, auch sie mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (zur Kostenentscheidung bei teilweisem oder vollständigem Absehen von der Einziehungsentscheidung vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2021 - 5 StR 458/20 Rn. 4 f.).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 790

Bearbeiter: Christian Becker