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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1098

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 190/21, Beschluss v. 17.08.2021, HRRS 2021 Nr. 1098


BGH 5 StR 190/21 - Beschluss vom 17. August 2021 (LG Berlin)

Konkurrenzrechtliche Bewertung bei Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (einheitliche Betäubungsmittelmenge; Bewertungseinheit).

§ 29 BtMG; § 52 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. März 2021

im Schuldspruch in den Fällen II.1 sowie II.3a und 3b der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig ist,

aufgehoben

im Strafausspruch in den Fällen II.3a und 3b; die Einzelstrafen entfallen,

im Schuld- und Strafausspruch in den Fällen II.5 bis 11,

im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ sowie wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 13 Fällen unter Einbeziehung einer anderweitigen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Schuldsprüche wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind in den Fällen II.1 sowie II.3a und 3b der Urteilsgründe abzuändern und in den Fällen II.5 bis 11 aufzuheben, weil die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten rechtsfehlerhaft ist.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte der Angeklagte im Januar und Februar 2020 gewinnbringend und zur Finanzierung seines Eigenkonsums Betäubungsmittel. Soweit er Cannabis und/oder Ecstasy verkaufte, entnahm er diese Drogen aus zwei zu unterschiedlichen Zeitpunkten angeschafften und nicht vermischten Vorräten. Andere Betäubungsmittel erwarb er von seinem unbekannt gebliebenen Lieferanten. So veräußerte der Angeklagte aus dem Ecstasy-Vorrat am 25. Januar (Fall II.3a), am 1. Februar (Fall II.1d) und am 8. Februar 2020 jeweils Tabletten (Fall II.3b).

aa) Die Verurteilung im Fall II.3b hat keinen Bestand. Das Landgericht hat die Fälle II.3a und II.3b als selbständige Taten bewertet, dabei aber rechtsfehlerhaft übersehen, dass die veräußerten Tabletten aus einem Vorrat stammten und sich der Vertrieb daher auf eine einheitliche Betäubungsmittelmenge bezog, mit der Folge, dass die beiden Verkaufsgeschäfte zu einer Bewertungseinheit und zu einer Tat des Handeltreibens (Fall II.3a) verbunden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712).

bb) Aber auch die Verurteilung im Fall II.3a hat zu entfallen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

Während das Marihuana und das Haschisch dem erst im Jahr 2020 erworbenen Vorrat entstammten, rührten die Tabletten aus dem davon verschiedenen, bereits im Jahr 2018 erworbenen Vorrat her, aus dem heraus auch die beiden Umsatzgeschäfte im Fall II.3 der Urteilsgründe getätigt worden waren. Der Angeklagte hat daher bei einem Umsatzgeschäft (Fall II.1d) gleichzeitig Teilmengen von Betäubungmitteln aus zwei unterschiedlichen Vorräten veräußert. Das hat zur Folge, dass die beiden Bewertungseinheiten in den Fällen II.1 und II.3 der Urteilsgründe wegen der teilweisen Identität ihrer tatbestandlichen Ausführungshandlungen nicht mehr im Verhältnis der Tatmehrheit, sondern in demjenigen der Tateinheit zueinander stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712).

cc) Der Berichtigung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung bringt die in den Fällen II.3a und 3b verhängten Einzelstrafen in Wegfall.

b) Der jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen II.5 bis 11 ergangene Schuldspruch ist mit den Einzelstrafen aufzuheben, da die konkurrenzrechtliche Beurteilung einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhält.

Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte am 1. Februar 2020 in drei Fällen (17.27 Uhr; 18.21 Uhr; 18.59 Uhr) und ferner bei vier Gelegenheiten am 8. Februar 2020 (18.53 Uhr; 19.42 Uhr; 21.04 Uhr; 22.17 Uhr) jeweils Speed. Das Urteil teilt noch mit, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel bei seinem Lieferanten bezog. Unklar bleibt hingegen, ob der Angeklagte die an den beiden Tagen verkauften Einzelmengen jeweils unmittelbar zuvor beim Lieferanten erworben hatte oder er die Geschäfte aus einem einheitlichen Vorrat heraus abwickelte; im letztgenannten Fall stünden diese Umsatzgeschäfte nicht - wie vom Landgericht angenommen - im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, sondern würden zu einer Bewertungseinheit verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 1 StR 309/20 mwN). Angesichts des Zeitraums zwischen den Einzelverkäufen hätte es daher einer näheren Erörterung bedurft.

2. Der Wegfall der Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen II.3a und II.3b sowie die Aufhebung der Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen II.5 bis 11 zieht den Gesamtstrafenausspruch nach sich.

3. Die Feststellungen zu den einzelnen Verkaufsvorgängen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen des neuen Tatgerichts dürfen mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Zudem weist der Senat darauf hin, dass die ausdrückliche Bezeichnung als „unerlaubt“ im Betäubungsmittelstrafrecht entbehrlich ist, da Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2020 - 3 StR 55/20). Ebenso kann der Zusatz „in nicht geringer Menge“ zur rechtlichen Bezeichnung eines Verbrechens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entfallen, da der Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (BGH, aaO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1098

Bearbeiter: Christian Becker