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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 875

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 173/20, Beschluss v. 27.05.2020, HRRS 2020 Nr. 875


BGH 5 StR 173/20 - Beschluss vom 27. Mai 2020 (LG Hamburg)

Unmittelbares Ansetzen zum (besonders schweren) Raub (Versuchsbeginn; Zwischenakt; Tatplan).

§ 22 StGB; § 249 StGB; § 250 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Ein unmittelbares Ansetzen zum versuchten besonders schweren Raub liegt aufgrund eines beachtlichen Zwischenakts regelmäßig noch nicht vor, wenn der Täter unmaskiert in ein Gebäude eindringt und zunächst plant, sich dort in einer im Erdgeschoss gelegenen Räumlichkeit zu maskieren, bevor er dann in einer im Obergeschoss gelegenen Räumlichkeit die Tat ausführen will. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Zeitraum zwischen dem Eindringen in das Gebäude und der Durchführung der Tat gemäß dem Tatplan mehrere Minuten beträgt.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. Dezember 2019 im Fall 2 der Urteilsgründe, im Gesamtstrafenausspruch und - soweit die Einziehung eines Baseballschlägers angeordnet worden ist - im Einziehungsausspruch aufgehoben; der Angeklagte wird vom Vorwurf des versuchten besonders schweren Raubes freigesprochen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines vollendeten und eines versuchten besonders schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Verurteilung wegen versuchten besonders schweren Raubes im Fall 2 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Nachdem der Angeklagte Ende Juni 2019 bei einem Raubüberfall auf eine Spielhalle 1.900 Euro erbeutet hatte (Fall 1), entschloss er sich wenige Tage später, diese erneut und nach dem gleichen Muster zu überfallen. Im Fall 1 hatte er das Gebäude um 23.50 Uhr durch den Hintereingang betreten und sich zunächst - noch unmaskiert - zur Herrentoilette begeben. Anschließend war er über die Treppe in die im Obergeschoss gelegene Spielhalle gelangt, wo er - mit einem hochgezogenen Halstuch maskiert - um 23.54 Uhr eine Spielhallenmitarbeiterin zur Öffnung des Tresors nötigte und das darin aufbewahrte Geld entwendete. Im Fall 2 scheiterte sein Tatplan, weil die Tür zum Hintereingang verschlossen war und der Angeklagte sich daher keinen Zugang zum Gebäude verschaffen konnte.

Das Landgericht hat die Tat als fehlgeschlagenen Versuch eines besonders schweren Raubes gewertet. Der Angeklagte habe mit dem Versuch, die Tür zum Hintereingang des Gebäudes zu öffnen, unmittelbar zur Tat angesetzt. Denn die Tatbestandsausführung hätte bei ungestörtem Fortgang in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Tür gestanden.

2. Diese Annahme begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der Täter setzt dann im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes an, wenn er aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreitet. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1975 - 1 StR 264/75; BGHSt 26, 201, 203 f.; Beschluss vom 28. April 2020 - 5 StR 15/20 mwN).

Gemessen daran hat der Angeklagte mit dem (vergeblichen) Versuch, die Hintertür zu öffnen, die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ noch nicht überschritten. Denn ausweislich seiner vom Landgericht als glaubhaft bewerteten Einlassung hätte er sich nach dem Betreten des Gebäudes - „genauso wie bei der ersten Tat“ - noch in den Toilettenbereich begeben und maskieren müssen. Unter Berücksichtigung der im Fall 1 festgestellten Zeitspanne bis zum Beginn der tatbestandlichen Handlungen von mehreren Minuten stellt der Aufenthalt im Toilettenbereich einen beachtlichen Zwischenakt dar. Dass das Öffnen der Tür zum Hintereingang - nach der Vorstellung des Angeklagten - unmittelbar in die Verwirklichung des Tatbestandes einmünden sollte, wird mithin nicht von den Urteilsfeststellungen getragen.

3. Der Senat schließt aus, dass weitere, das unmittelbare Ansetzen tragende Feststellungen getroffen werden können. Es hat den Angeklagten daher aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des versuchten besonders schweren Raubes insoweit freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO). Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der Anordnung der Einziehung des als Tatmittel im Fall 2 eingezogenen Baseballschlägers nach sich. Der Angeklagte ist somit wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 und § 473 Abs. 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 875

Externe Fundstellen: NStZ 2020, 598

Bearbeiter: Christian Becker