HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1095
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 204/19, Beschluss v. 15.08.2019, HRRS 2019 Nr. 1095
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23. Februar 2018 wird 1. das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall C.I.1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last; 2. das vorbezeichnete Urteil
mitsamt den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben in den Fällen C.I.2.a und C.I.3.a der Urteilsgründe,
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen C.II.1 bis 8 der Urteilsgründe des Betruges in sechs Fällen schuldig ist,
in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen C.II.1 bis 8 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, unrichtiger Darstellung in zwei Fällen, Kreditbetruges in zwei Fällen und Betruges in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, hiervon zwei Monate als vollstreckt erklärt und die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall C.I.1 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt worden ist. Den bislang getroffenen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die F. AG, deren Vorstand der Angeklagte vom 19. Dezember 2001 bis 30. Juni 2010 war, spätestens ab dem 15. Mai 2009 zahlungsunfähig oder überschuldet war. Das Landgericht hat weder eine aussagekräftige stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig zu beschaffenden Mittel vorgenommen (vgl. zur sogenannten betriebswirtschaftlichen Methode: BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2018 - 4 StR 319/18, NZI 2019, 247, 248; vom 12. April 2018 - 5 StR 538/17, NStZ-RR 2018, 216), noch hat es wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen festgestellt, die den Schluss eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft tragen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass das Vermögen der Gesellschaft ihre Schulden bis zum Ende der Stellung des Angeklagten als deren vertretungsberechtigter Organwalter nicht mehr gedeckt hat.
2. Die Schuldsprüche in den Fällen C.I.2.a, C.I.3.a sowie die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen C.II.3 und 4 und C.II.5 und 6 unterliegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In den Fällen C.II.1 bis 8 halten zudem die Aussprüche über die Einzelstrafen rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
aa) Zur unrichtigen Darstellung und zum Kreditbetrug: Als Vorstand der F. AG gab der Angeklagte in der „Bilanz 2007“ deren Verhältnisse unrichtig wieder. Im Einzelnen waren im „Lagebericht zum 31.12.2007“ unter dem Konto #1511 „GIB-Aktien“ mit einem Wert von 123.598,49 Euro eingestellt. Die Erläuterungen führten hierzu aus, „dass die für die Ausgabe der Aktien verantwortliche A. AG einen Tausch dieser Aktien in börsennotierte Aktien zu einem Wert von ca. 140.000 Euro angeboten habe. Ein Tausch sei nicht vorgenommen worden. Eine Wertberichtigung sei unterblieben“ (Fall C.I.2.a).
Unter Vorlage des „Jahresabschlusses 2007“ beantragte der Angeklagte am 26. März 2009 bei der AG einen Kredit für die F. AG. Er „wollte unter Zuhilfenahme des unrichtigen Jahresabschlusses 2007 eine positive Kreditentscheidung der AG erreichen.“ Der Kreditantrag wurde abgelehnt, da die Bonität der F. AG seitens der Bank als unzureichend eingestuft wurde (Fall C.I.3.a).
bb) Zum Betrug: Bis 24. März 2009 schloss der Angeklagte für die F. AG insgesamt acht jeweils längerfristige Leasingverträge, wobei er bei Vertragsschluss beabsichtigte, keine oder nur einzelne Leasingraten zu entrichten. Die Leasinggegenstände wurden durch die Leasinggeber von einem Lieferanten erworben und in allen Fällen an die F. AG ausgeliefert; mit einer Ausnahme (Fall C.II.5) gelangten sie auch an den jeweiligen Leasinggeber zurück. Die Leasingraten hätten über die Laufzeit jeweils zur Vollamortisation des durch die Leasinggeber aufgebrachten Kaufpreises geführt oder wären einer solchen nahegekommen (Fälle C.II.).
b) Die Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen unrichtiger Darstellung und Kreditbetrug in den Fällen C.I.2.a und C.I.3.a nicht.
aa) Die Verhältnisse in einem Jahresabschluss sind im Sinne des § 331 HGB unrichtig wiedergegeben, wenn die Darstellung mit den objektiven Gegebenheiten am Maßstab konkreter Rechnungslegungsnormen und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung nicht übereinstimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 - 1 StR 306/16, NStZ 2018, 540, 541). Unabhängig davon, ob die Feststellungen vorliegend ein taugliches Tatobjekt im Sinne des § 331 HGB belegen, setzt eine sich aus § 253 Abs. 3 HGB (in der bis 28. Mai 2009 geltenden Fassung) ergebende Pflicht zur Wertabschreibung bei Gegenständen des Umlaufvermögens jedenfalls voraus, dass der Teilwert am Abschlussstichtag unter dem Buchwert liegt. Dies hat das Landgericht nicht festgestellt. Es hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, seine eigene Wertung und diejenige des Angeklagten mitzuteilen. Der Senat vermag daher nicht zu beurteilen, ob eine Wertberichtung objektiv erforderlich war.
bb) Da die Unrichtigkeit des bei der Kreditantragstellung vorgelegten Jahresabschlusses damit nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, kann auch die hieran anknüpfende Verurteilung wegen Kreditbetrugs keinen Bestand haben.
c) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in acht Fällen (C.II.) hält rechtlicher Überprüfung nur eingeschränkt stand. Zudem unterliegen die jeweiligen Einzelstrafaussprüche der Aufhebung.
aa) Das Landgericht hat in sämtlichen Fällen als Vermögensschaden die durch die F. AG nicht gezahlten Leasingraten zugrunde gelegt. Es hat damit nicht bedacht, dass für die zur Schadensbestimmung erforderliche Gesamtsaldierung bei dem Abschluss eines Leasingvertrags der Geldwert des vom Leasinggeber erworbenen Anspruchs auf die vom Leasingnehmer zu leistenden vertraglich vereinbarten Leasingraten unter Berücksichtigung des jeweiligen Ausfallrisikos zu bewerten und mit dem Geldwert der eingegangenen Verpflichtung durch den Leasinggeber zu vergleichen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 2 StR 291/18). Das verbleibende Eigentum an einem Leasingfahrzeug darf bei der Berechnung des Vermögensschadens nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Leasingnehmer von Anfang an beabsichtigt, dem Leasinggeber das Fahrzeug gänzlich zu entziehen und das Eigentum dadurch aus dessen Vermögen herauszunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2017 - 4 StR 66/17, NStZ-RR 2018, 109, 110). Letzteres ist nicht festgestellt.
Da aufgrund des Tatplans des Angeklagten, die Leasingraten allenfalls anfänglich zu entrichten, sowie der bei natürlicher Betrachtung eingetretenen Abnutzung der Fahrzeuge ausgeschlossen werden kann, dass den einzelnen Leasinggebern kein Schaden entstanden ist, haben die Schuldsprüche Bestand (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 4 StR 346/11, NStZ 2012, 276).
bb) Sie sind allerdings entsprechend der Beschlussformel zu ändern, da die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen C.II.3 und 4 sowie C.II.6 und 7 nicht frei von Rechtsfehlern ist. Der Angeklagte hatte am 26. Februar 2009 und am 23. März 2009 jeweils zwei Leasingverträge mit demselben Leasinggeber geschlossen, wobei die Verträge über denselben Vermittler der Leasinggesellschaft zugeleitet oder zeitgleich abgeschlossen wurden. Die an demselben Tag in der Absicht der Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils eingereichten Anträge sind damit derart eng miteinander verknüpft, dass insoweit eine Tat im Rechtssinne vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2016 - 4 StR 75/16, NStZ-RR 2016, 281).
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen; es ist ausgeschlossen, dass der geständige Angeklagte sich wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
cc) Die Einzelstrafen in den Fällen C.II.1 bis 8 unterliegen bereits aufgrund der fehlerhaften Bestimmung des jeweils eingetretenen Vermögensschadens als wesentlichem Strafzumessungsaspekt der Aufhebung. Die Feststellungen können bestehen bleiben und dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
3. Die Aufhebung der vorgenannten Einzelstrafen und der Schuldsprüche in den Fällen C.I.2.a und C.I.3.a entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1095
Externe Fundstellen: StV 2020, 776
Bearbeiter: Christian Becker