HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 526
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 555/18, Beschluss v. 23.01.2019, HRRS 2019 Nr. 526
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. Juni 2018 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Nötigung in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit Sachbeschädigung schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, mit Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach dem Waffengesetz und mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger zu einer körperlichen Auseinandersetzung auf einem Bahnhofsvorplatz. Der dabei unterlegene Angeklagte wandte sich wütend ab und ließ sich von einem seiner Begleiter eine scharfe Schusswaffe aushändigen, um dem Nebenkläger durch die Abgabe von Schüssen Angst einzujagen und auf diese Weise für die erlittene Niederlage Vergeltung zu üben. Er setzte dem Nebenkläger nach und schoss mehrfach in dessen Richtung. Zwei der insgesamt sieben Schüsse trafen die Fensterscheibe eines Schnellrestaurants und ein geparktes Fahrzeug. Im Jahr 2011 war dem bereits vielfach wegen Gewaltdelikten jugendgerichtlich geahndeten Angeklagten durch die zuständige Behörde die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Geschosse mit pyrotechnischer Wirkung, Munition und Waffen untersagt worden.
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach dem Waffengesetz gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 8 i.V.m. § 41 WaffG nicht.
a) Die von der Schwurgerichtskammer ihrer rechtlichen Bewertung zugrundegelegte Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG bezieht sich nur auf Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf. Der Angeklagte hat jedoch bei der Tat eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition eingesetzt. Wie das Landgericht zur Begründung der weiteren tateinheitlichen Verurteilung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG zutreffend näher ausgeführt hat, bedarf der Umgang mit einer solchen Schusswaffe und der dafür bestimmten Munition einer Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG. Deshalb ist bereits der Tatbestand des § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG nicht erfüllt.
b) Auch ein vom Generalbundesanwalt in Erwägung gezogener Schuldspruch gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG unter Einordnung des gegen den Angeklagten 2011 ausgesprochenen Verbots unter die Bestimmung des § 41 Abs. 2 WaffG kommt hier nicht in Betracht. Ungeachtet des Umstands, dass sich den Feststellungen nicht entnehmen lässt, ob die Verbotsanordnung aus dem Jahr 2011 überhaupt (auch) auf die Regelung in § 41 Abs. 2 WaffG gestützt worden ist, umfasst diese Vorschrift die Fälle der erlaubnispflichtigen und der verbotenen Waffen, die aufgrund einer Ausnahmebewilligung für den Einzelfall besessen werden dürfen, während bei einem Nichtberechtigten der illegale Waffenbesitz ohnehin strafrechtlich bewehrt ist (vgl. BT-Drucks. 14/7758, S. 77). § 41 Abs. 2 WaffG regelt mithin die Fälle, in denen eine Person Waffen und Munition aufgrund einer erteilten Erlaubnis zulässigerweise besitzt oder künftig besitzen könnte (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2013, 34, 36), es aber zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen erforderlich ist, eine Untersagungsverfügung im Einzelfall zu treffen (vgl. MüKoStGB/Heinrich, 3. Aufl., WaffG § 52 Rn. 103). Ein derartiger Fall des Waffenbesitzes, der allerdings ohnehin hinter den Tatbestand des unerlaubten Führens einer Waffe zurückträte (vgl. zum Konkurrenzverhältnis von unerlaubtem Besitz und unerlaubtem Führen einer Waffe BGH, Beschlüsse vom 13. August 2009 - 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2; vom 15. Juni 2015 - 5 StR 197/15, NStZ 2015, 529; vom 20. Oktober 2015 - 4 StR 343/15, NStZ 2016, 159), liegt hier nicht vor.
c) Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen des Zuwiderhandelns gegen eine vollziehbare Anordnung nach dem Waffengesetz hat danach zu entfallen. Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst ab.
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung einen minder schweren Fall nach § 52 Abs. 6 WaffG angenommen und auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Denn der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat wird durch die Änderung der rechtlichen Bewertung nicht verringert. Das Landgericht hat die Verwirklichung auch des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG überdies nicht gesondert strafschärfend gewichtet.
4. Der nur geringfügige Erfolg der Revision macht es nicht unbillig, den Angeklagten mit der Gebühr für das Revisionsverfahren, seinen entstandenen Auslagen und den notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 526
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 160
Bearbeiter: Christian Becker