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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 117

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 379/18, Beschluss v. 27.11.2018, HRRS 2019 Nr. 117


BGH 5 StR 379/18 - Beschluss vom 27. November 2018 (LG Berlin)

Zulässigkeit der Nebenklagerevision (beschränkte Anfechtungsbefugnis; unausgeführte allgemeine Sachrüge; ausdrücklich und eindeutig formuliertes Angriffsziel; zweifelsfreies Feststehen der Rechtsmittelbefugnis nach der Prozesslage).

§ 395 Abs. 1 StPO; § 400 Abs. 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Die Revision des Nebenklägers ist unzulässig, wenn aus ihr nicht hinreichend ausdrücklich und eindeutig ersichtlich wird, dass sie ein gemäß § 400 Abs. 1 i.V.m. § 395 Abs. 1 StPO zulässiges Ziel verfolgt. Die Erhebung der unausgeführten allgemeinen Sachrüge reicht deshalb grundsätzlich nicht, um eine zulässige Nebenklagerevision zu erheben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann anzuerkennen, wenn aufgrund der Prozesslage die konkrete Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers zweifelsfrei feststeht, etwa wenn er Revision gegen den Freispruch eines Angeklagten vom Vorwurf eines zur Nebenklage berechtigten Delikts einlegt.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Nebenkläger S. H., S. Z., D., F. und R. K. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. September 2017 werden als unzulässig verworfen.

Die Revision des Angeklagten N. gegen das vorbenannte Urteil wird als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Nebenkläger S. H., S. Z., D., F. und R. K. zudem die durch ihre Rechtsmittel den Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten N. unter Freispruch im Übrigen wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt (Geschehen vom 12./13. Dezember 2015), zudem den Angeklagten M. R. (geb. 1989) unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer ebensolchen Geldstrafe (Geschehen vom 25. Dezember 2015). Die Angeklagten F. R., M. R. (geb. 1993, genannt „Mu. “) und R. -B. hat die Strafkammer wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchtem Totschlag in drei Fällen, mit schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen jeweils zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt (Geschehen vom 26. Dezember 2015), wobei der Angeklagte M. „Mu.“ R. zusätzlich wegen eines weiteren Falls der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen worden ist (Geschehen vom 25. Dezember 2015). Die Angeklagten D. und M. R. hat das Landgericht freigesprochen (Geschehen vom 26. Dezember 2015). Die hiergegen gerichteten Revisionen der Nebenkläger S. H., S. Z., D., F. und R. K. sowie des Angeklagten N. bleiben ohne Erfolg.

1. Die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist jeweils nur mit der nicht näher ausgeführten allgemeinen Sachrüge begründeten Revisionen der Nebenkläger sind unzulässig.

Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt. Aufgrund der beschränkten Anfechtungsbefugnis muss der Nebenkläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist das Ziel seines Rechtsmittels ausdrücklich und eindeutig angeben (vgl. nur Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl., § 400 Rn. 6 mwN). Die Revision des Nebenklägers ist unzulässig, wenn aus ihr nicht ersichtlich wird, dass sie ein gemäß § 400 Abs. 1 i.V.m. § 395 Abs. 1 StPO zulässiges Ziel verfolgt. Die Erhebung der - wie hier - unausgeführten allgemeinen Sachrüge reicht deshalb grundsätzlich nicht, um eine zulässige Nebenklagerevision zu erheben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2018 - 3 StR 246/18 und vom 27. Februar 2018 - 4 StR 489/17, je mwN).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann anzuerkennen, wenn aufgrund der Prozesslage die konkrete Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers zweifelsfrei feststeht, etwa wenn er Revision gegen den Freispruch eines Angeklagten vom Vorwurf eines zur Nebenklage berechtigten Delikts einlegt (vgl. Senge in KK/StPO, 7. Aufl., § 400 Rn. 2). So verhält es sich hier aber nicht. Die Anklage umfasst drei Tatkomplexe, an denen sich verschiedene Angeklagte in unterschiedlicher Art und Weise beteiligt haben sollen. Hinsichtlich des schwersten Tatvorwurfs (Geschehen am 26. Dezember 2015) sind drei Angeklagte wegen Tötungs- und Körperverletzungsdelikten jeweils zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Bei dieser Prozesslage versteht sich das Angriffsziel der Nebenklagerevisionen nicht von selbst. Die Nebenkläger könnten in den Verurteilungsfällen auf der Grundlage der Schuldsprüche höhere Strafen erstreben, diese Schuldsprüche im Hinblick auf das Unterbleiben einer Verurteilung wegen Mordes oder die Freisprüche eines oder mehrerer Angeklagten insoweit angreifen. Da sich das Angriffsziel der Nebenklagerevisionen auch durch Auslegung nicht eindeutig ermitteln lässt und nicht nur statthafte Ziele in Betracht kommen, sind die Revisionen insgesamt unzulässig. Entgegen der Auffassung der Nebenkläger hat der Senat das Angriffsziel auch nicht selbst anhand der gesetzlichen Regelung zur Rechtsmittelbefugnis zu ermitteln.

2. Die Revision des Angeklagten N. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 117

Bearbeiter: Christian Becker