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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 168

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 518/17, Beschluss v. 15.11.2017, HRRS 2018 Nr. 168


BGH 5 StR 518/17 - Beschluss vom 15. November 2017 (LG Berlin)

Sexuelle Belästigung (Vorstellungsbild des Angeklagten hinsichtlich des belästigenden Charakters seiner Handlungen; ursprünglich konsentierte sexuelle Handlungen; nicht erkennbare Willensänderung).

§ 184i StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Werden sexuelle Handlungen zwischen dem Angeklagten und einer weiteren Person zunächst einvernehmlich vereinbart, kann nicht ohne Weiteres auf eine Kenntnis des Angeklagten von einem belästigenden (vgl. § 184i Abs. 1 StGB) Charakter dieser Handlungen geschlossen werden, wenn ein zwischenzeitlich eingetretener Unwillen der anderen Person nicht geäußert und auch nicht anderweitig erkennbar wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juli 2017 im Fall 2 der Urteilsgründe aufgehoben; der Angeklagte wird insoweit auf Kosten der Staatskasse, die auch die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, sexueller Belästigung, Raubes, Unterschlagung und Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg; ansonsten ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Das Urteil hat hinsichtlich des Schuldspruches wegen sexueller Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB (Fall 2 der Urteilsgründe) keinen Bestand.

Nach den Feststellungen traf der Angeklagte M., mit der er über Facebook vereinbart hatte, dass sie ihn „entjungfern“ werde. Zu dem Treffen hatte sie vorsorglich ein Kondom mitgenommen. Beide suchten nun einen hierfür geeigneten Ort. Der Angeklagte ging davon aus, die Zeugin M. habe weiterhin sexuelles Interesse an ihm. Auf einem Sportplatz schob er, sie von hinten umfassend, seine Hand unter die Hose und Unterhose der Zeugin M. kurz vor deren Scheide. Sie fühlte sich hierdurch sexuell belästigt.

Angesichts dieser Feststellungen hätte das Landgericht näher erörtern müssen, weshalb der Angeklagte eine sexuelle Belästigung der Zeugin M. in sein Vorstellungsbild mit aufgenommen haben sollte. Ein Beleg hierfür ergibt sich auch nicht aus seiner Einlassung zu diesem Fall oder den Bekundungen der Zeugin M., die „aufgrund mangelnden Selbstbewusstseins“ (UA S. 8) nach den anfangs vereinbarten sexuellen Handlungen mit dem Angeklagten ihren zwischenzeitlich eingetretenen Unwillen nicht zu äußern vermochte. Wieso sich der Angeklagte bewusst gewesen sein sollte, „dass die Zeugin sein Verhalten ... als belästigend empfinden könnte“ (UA S. 14), erschließt sich dem Senat nicht. Der Angeklagte hat die sexuellen Handlungen beendet, als die Zeugin ihrer Aussage nach seine Hand aus der Hose gezogen (UA S. 14) und damit erstmalig erkennbar ihre Abneigung bezüglich des Verhaltens des Angeklagten zum Ausdruck gebracht hat.

Der Senat schließt aus, dass ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die einen Vorsatz des Angeklagten belegen könnten.

Die verhängte Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten hat gleichwohl Bestand. Die von dem Angeklagten weiter begangenen vier Straftaten, insbesondere die massive Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin K. (Fall 1 der Urteilsgründe), offenbaren schädliche Neigungen des Angeklagten und belegen eine Schuldschwere, die den in der verhängten Höhe der Jugendstrafe zutreffend zum Ausdruck kommenden Erziehungsbedarf auslöst.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 168

Bearbeiter: Christian Becker