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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 454

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 383/17, Beschluss v. 20.02.2018, HRRS 2018 Nr. 454


BGH 5 StR 383/17 - Beschluss vom 20. Februar 2018 (LG Potsdam)

Fehlen einer hinreichend konkreten Bezeichnung des Einziehungsgegenstands; Auffangrechtserwerb und Härtefallprüfung nach altem Verfallsrecht.

§ 73 StGB a. F.; § 73c StGB a. F.; § 74 StGB; § 111i StPO a. F.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12. Januar 2017 im Ausspruch über die Einziehung der unter Nr. 5 Buchst. c bis g des Urteilstenors genannten Gegenstände aufgehoben.

Auf die Revision des Angeklagten T. wird das oben genannte Urteil aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 30.012,36 Euro die Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten sowie die sofortige Beschwerde des Angeklagten W. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden verworfen.

Der Angeklagte W. hat die Kosten seiner sofortigen Beschwerde zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen jeweils tateinheitlich begangener Straftaten gegen das Arzneimittel- und das Markengesetz zu Freiheitsstrafen verurteilt, von denen es jeweils drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Darüber hinaus hat es Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO sowie Einziehungsanordnungen getroffen. Die jeweils auf verfahrens- und materiellrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten haben lediglich die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge.

1. Nach den Feststellungen vertrieben die Angeklagten, der Nichtrevident und weitere gesondert Verfolgte im Internet Fälschungen von marken- und patentrechtlich geschützten Medikamenten, insbesondere Potenzmittel, die zur Tatzeit verschreibungs- und apothekenpflichtig waren. Darüber hinaus verkauften sie wegen ihrer Gefährlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassene Schlankheitsmittel. Der Angeklagte W. gehörte zu den „Köpfen des Unternehmens“, während der Angeklagte T. als sogenannter Webmaster die betreffenden Internetseiten bewarb und dafür Provisionen im Umfang von insgesamt 30.012,36 Euro erhielt. Der Vertrieb der illegalen Arzneimittel war wirtschaftlich äußerst erfolgreich; im Tatzeitraum von Juni 2008 bis März 2011 erzielten die Betreiber der Internetseiten Einnahmen von rund 21 Millionen Euro.

2. Die Revision des Angeklagten W. ist hinsichtlich des Schuld- und des Strafausspruchs sowie der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aF aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

Insoweit bedarf es lediglich folgender ergänzender Hinweise:

a) Soweit der Angeklagte nach § 338 Nr. 1, § 337 StPO Gesetzesverletzungen bei der Bestimmung der beiden Ergänzungsrichter geltend macht, ist die Rüge unbegründet. Die Heranziehung der Ergänzungsrichter durch den Vorsitzenden folgte der im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts geregelten Reihenfolge. Einer förmlichen Feststellung der Verhinderung der vorrangig zu Berufenden bedurfte es angesichts jeweiliger Offensichtlichkeit nicht. Ebenso war der Vorsitzende im vorliegenden Fall nicht gehalten, die Terminierung auf deren Verfügbarkeit abzustimmen.

b) Die Rüge nach § 261 StPO ist ebenfalls erfolglos. Die im Urteil hinsichtlich der Vorspiegelung eines inländischen Unternehmens getroffenen Feststellungen sind naheliegend aufgrund anderer Beweismittel als den in die Hauptverhandlung eingeführten Kundenrechnungen gewonnen worden; hierzu trägt die Revision nichts vor. Insoweit kommen namentlich die Einlassung des Angeklagten selbst sowie die Aussagen der Zeugen M., B. und vor allem L. in Frage.

c) Die Nichtvornahme einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB hält sich jedenfalls im Rahmen des der Strafkammer zustehenden und von ihr in Anspruch genommenen Ermessens (UA S. 77).

3. Allerdings ist der Ausspruch über die Einziehung teilweise aufzuheben. Die Strafkammer hat die insoweit unter Nr. 5 Buchst. c bis g genannten Gegenstände nicht hinreichend konkret bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung müssen eingezogene Gegenstände so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - 1 StR 474/14, StraFo 2015, 22). Dies kann in einer besonderen Anlage zum Urteilstenor erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1956 - 6 StR 92/55, BGHSt 9, 88, 90; Beschluss vom 7. Mai 2008 - 2 StR 144/08, StraFo 2008, 302).

4. Auch die Revision des Angeklagten T. ist hinsichtlich des Schuld- und des Strafausspruchs aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

Demgegenüber hält die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aF sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kam - wovon die Strafkammer zutreffend ausgeht - gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB, § 14 EGStPO das bis 30. Juni 2017 geltende Recht zur Anwendung.

b) Im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO aF zu treffenden Feststellung, welcher Vermögenswert dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegt, ist - was das Landgericht nicht verkennt - § 73c StGB aF anwendbar (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 50; Beschluss vom 3. November 2015 - 4 StR 403/15, wistra 2016, 152 mwN). Es hat indes versäumt, zur Vermeidung einer Doppelbelastung die von dem Angeklagten T auf die vereinnahmten Provisionsbeträge gezahlten Steuern im Rahmen der Entscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Variante StGB aF vorteilsmindernd zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 264 ff.; Beschlüsse vom 23. September 1988 - 2 StR 460/88, und vom 18. Februar 2004 - 1 StR 296/03, BGHR StGB § 73c Härte 1 und 9).

5. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten W. gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist unbegründet; diese entspricht den gesetzlichen Vorschriften (§ 465 Abs. 1 Satz 1, § 472 Abs. 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 454

Bearbeiter: Christian Becker