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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 325

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 615/16, Beschluss v. 23.02.2017, HRRS 2017 Nr. 325


BGH 5 StR 615/16 - Beschluss vom 23. Februar 2017 (LG Berlin)

Fehlende Berücksichtigung der Härtefallvorschrift bei Absehen vom Verfall aufgrund entgegenstehender Ansprüche; Keine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist zur Gegenerklärung im Revisionsverfahren.

§ 73c StGB; § 45 StPO; § 111i Abs. 2 StPO; § 349 Abs. 3 S. 2 StPO

Entscheidungstenor

Der Antrag des Angeklagten K., ihm wegen Versäumung der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird verworfen.

Auf die Revision dieses Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2016, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision dieses Angeklagten sowie diejenige des Angeklagten R. werden verworfen, da die Nachprüfung des genannten Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Der Angeklagte R. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Senat ergänzt die Antragsschrift des Generalbundesanwalts wie folgt:

1. Der Angeklagte K. hat beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er die in § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO vorgesehene Frist unverschuldet versäumt habe. Denn die Antragsschrift des Generalbundesanwalts sei nicht seinem gewählten, sondern dem notwendigen Verteidiger zugestellt worden.

Der Antrag ist abzulehnen, weil es sich bei der genannten Frist nicht um eine solche im Sinne von § 44 Satz 1 StPO handelt (BGH, Beschluss vom 3. März 2016 - 1 StR 518/15, NStZ 2016, 496; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 349 Rn. 29; jeweils mwN). Da sie keine absolute Ausschlussfrist darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 1 StR 530/09, wistra 2010, 312), hat der Senat jedoch - um einen Nachteil für den Angeklagten völlig auszuschließen - die Antragsschrift des Generalbundesanwalts dem Wahlverteidiger zur Stellungnahme übersandt; dieser hat die Gelegenheit wahrgenommen, sich ergänzend zu äußern.

2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 12.775,24 € gegen den Angeklagten K. nur deshalb abzusehen, weil dem Ansprüche Verletzter entgegenstünden (§ 111i Abs. 2 StPO), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn es hat die auch in diesem Zusammenhang belangvolle Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erkennbar bedacht (s. hierzu BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 5 StR 150/16, NStZ-RR 2016, 339). Dem Urteil kann schon nicht entnommen werden, ob das durch die Taten Erlangte im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden war (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Auch eine Ausübung des dem Landgericht durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessens ist nicht erkennbar. Gleiches gilt für die Frage, ob und gegebenenfalls inwiefern die Anordnung des Verfalls von Wertersatz für den Angeklagten eine unbillige Härte darstellt (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB).

Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Anwendung der genannten Vorschriften der Betrag des Wertersatzverfalls geringer ausgefallen oder dessen Anordnung unterblieben wäre. Er hebt auch die der Verfallsentscheidung zugrundeliegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu den für die Handhabung von § 73c Abs. 1 StGB maßgeblichen Umständen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 325

Bearbeiter: Christian Becker