HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 324
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 609/16, Beschluss v. 07.03.2017, HRRS 2017 Nr. 324
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 31. Oktober 2016 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Seine hiergegen mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte seit 2006 an einer inzwischen chronifizierten paranoiden Schizophrenie. Aufgrund seiner Erkrankung, die mit täglichem Konsum von Alkohol und Cannabis einherging, steigerte er sich in die Vorstellung, ein Zeichen gegen den ihn seit vielen Jahren peinigenden Verkehrslärm setzen zu müssen. Um gegen den Verkehrslärm vorzugehen, entschloss er sich, mit Grillanzündern eine Vielzahl von Autos anzuzünden und auch verbogene Nägel (sogenannte Krähenfüße) auf der Straße auszulegen. Ausgerüstet mit 32 Grillanzündern und 35 „Krähenfüßen“ begann er am frühen Morgen des 30. März 2016 mit der Umsetzung seines Plans bei einem am Fahrbahnrand geparkten Pkw. Er platzierte zwei Grillanzünder an einem der Reifen und entzündete sie in der Absicht, den Pkw in Brand zu setzen. Noch während der Beschuldigte am Fahrzeug kniete, wurden zwei Polizeibeamte auf ihn aufmerksam. Sie nahmen ihn fest und traten die brennenden Grillanzünder aus, bevor das Feuer auf andere Bestandteile des Pkw’s oder weitere geparkte Fahrzeuge übergreifen konnte. Durch das Feuer war die Substanz des Reifens bereits angegriffen und ein Teil des Profils weggeschmolzen. Die Kosten für den Austausch des Reifens an dem Pkw, der einen Wert von mindestens 4.000 Euro hatte, beliefen sich auf 75 Euro.
Das Landgericht hat das Verhalten des Beschuldigten rechtlich als versuchte Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung gewertet. Es hat - dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend - festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten zur Tatzeit aufgrund eines akut psychotischen Zustands aufgehoben war. Infolge seiner Erkrankung werde der Beschuldigte unbehandelt weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche zumindest schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet würde.
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Erörterung bedarf lediglich die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts, die es zutreffend nach der zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung des § 63 StGB getroffen hat. Dabei hat es allerdings im rechtlichen Ausgangspunkt zu Unrecht auf den Schaden abgestellt, der an dem betroffenen Pkw lediglich drohte, und angenommen, dass es sich schon bei der Anlasstat um eine im Sinne von § 63 Satz 1 StGB erhebliche Tat gehandelt habe. Eine solche setzt nach der Konkretisierung der „Erheblichkeit“ in der Neuregelung der Maßregelanforderungen voraus, dass durch die Tat „schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“. Hier ist bei der versuchten Brandstiftung der verursachte Sachschaden jedoch relativ gering geblieben.
Den somit gemäß § 63 Satz 2 StGB geltenden verschärften Darlegungsanforderungen an die Gefährlichkeitsprognose werden die Entscheidungsgründe indes noch gerecht. Insoweit ist zu berücksichtigen - was auch das Landgericht in den Blick genommen hat (UA S. 13 f.) -, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 63 StGB für die Beurteilung der Erheblichkeit von zu erwartenden „Vermögensdelikten im weitesten Sinne“ nicht allein eine bestimmte Schadenshöhe als „Richtschnur“ benannt hat. Vielmehr könne im Einzelfall maßgeblich sein, „ob bei einer drohenden Vielzahl von weniger schweren Taten, die für sich gesehen keinen schweren wirtschaftlichen Schaden begründen würden, auf den drohenden Gesamtschaden abzustellen ist, wobei auch hier genereller Maßstab das Ausmaß der Störung des Rechtsfriedens sein wird. So kann schon die Tendenz zur serienmäßigen Tatbegehung den friedensstörenden Charakter jeder einzelnen Tat so erhöhen, dass sie alle als erheblich empfunden werden“ (BT-Drucks. 18/7244, S. 21).
Danach bildet hier die einen Verbrechenstatbestand verwirklichende Anlasstat gleichsam als Evidenzfall die Grundlage für die nach § 63 Satz 2 StGB erforderliche Erwartung, dass der Täter infolge seines Zustandes erhebliche Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB begehen wird. Die (versuchte) Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB war auf einen erheblichen Schaden angelegt. Sie sollte nach dem Plan eines „Rachefeldzugs“ gegen den Verkehrslärm und damit nach einer andauernden Motivlage des Beschuldigten erst der Beginn einer Tatserie sein, von der er eingestandenermaßen nur durch seine Festnahme abgehalten wurde. Aufgrund dieser schon gewichtigen Umstände kam es auch nicht mehr auf die vom Landgericht noch ergänzend zur Begründung seiner Gefährlichkeitsprognose herangezogene Gewaltbereitschaft an, die der Beschuldigte in der Vergangenheit auch gegenüber Personen mehrfach gezeigt hatte.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 324
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 171
Bearbeiter: Christian Becker