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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 15

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 189/15, Beschluss v. 28.10.2015, HRRS 2016 Nr. 15


BGH 5 StR 189/15 - Beschluss vom 28. Oktober 2015 (LG Leipzig)

Strafbarkeit wegen ohne Erlaubnis durchgeführter Zahlungsdienste (Unternehmen als Normadressat des Zahlungsdienstegesetzes; Handeln für Unternehmen; Einbindung in die Abwicklung der Zahlungsdienste).

§ 31 Abs. 1 Nr. 2 ZAG; § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG; § 8 Abs. 1 S. 1 ZAG; § 14 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Strafvorschrift des § 31 Abs. 1 Nr. 2 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG), die die Erbringung von Zahlungsdiensten ohne die erforderliche Erlaubnis unter Strafe stellt, führt mit Blick auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG nur dann zur Strafbarkeit einer natürlichen Person, wenn diese i.S.v. § 14 StGB für ein Unternehmen handelt, das in die Abwicklung der Zahlungsdienste eingebunden ist.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. Dezember 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz von 140.000 Euro angeordnet. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte seit Ende 2006 als Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der H. GmbH ein Reisebüro in Leipzig. Neben Reiseleistungen war auch der Import und Export von Konsumgütern Unternehmensgegenstand. Ab Anfang 2008 diente dem Angeklagten der Betrieb der GmbH auch „als eigene Plattform zum schattenwirtschaftlichen Transfer von Geldern vietnamesischer Kunden aus Deutschland nach Vietnam, um sich durch anfallende Vergütungen für dieses ‚Hawala-Banking‘ eine dauerhafte Einkommensquelle von erheblichem Umfang zu verschaffen.“ Bis zum 20. Januar 2014 nahm der Angeklagte in rund 800 Einzelaufträgen von seinen Kunden drei- bis sechsstellige Bargeldbeträge entgegen, die er entweder persönlich als Flugzeugpassagier, durch betraute Reisende oder durch Crewmitglieder ohne zollrechtliche Deklaration nach Vietnam transportierte. Insgesamt transferierte er auf diese Weise mindestens 14 Mio. Euro Bargeld und erhielt hierfür eine Provision von mindestens 140.000 Euro. Beim Großteil der Geschäfte wurde der Angeklagte von seinen Geschwistern in Hanoi unterstützt, die sich um die in Vietnam „anfallenden Ein- und Auszahlungsgeschäfte sowie die Betreuung der dort ansässigen Kunden kümmerten“.

2. Das Landgericht hat sämtliche Einzelakte des Bargeldtransfers als „eine Tat im Sinne der Bewertungseinheit“ angesehen, weil der Tatbestand des unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 2 Nr. 6 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) erst die gewerbsmäßige Erbringung von Zahlungsdiensten erfasse, also von vornherein auf eine unbenannte Mehrzahl natürlicher Handlungen des Täters abstelle. Daher habe die Verfolgungsverjährung aller unselbständigen Teilakte erst mit der Beendigung der Geschäftstätigkeit des Angeklagten im Januar 2014 zu laufen begonnen. Nach § 2 Abs. 1 StGB sei allein die seit 31. Oktober 2009 gültige Strafbestimmung des § 31 ZAG und nicht mehr § 54 KWG anzuwenden. Davon, dass die entgegengenommenen Bargeldbeträge aus geldwäscherelevanten Katalogtaten stammten, hat sich das Landgericht nicht zu überzeugen vermocht.

3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) § 31 Abs. 1 Nr. 2 ZAG setzt tatbestandlich voraus, dass der Täter ohne Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ZAG Zahlungsdienste erbringt. § 8 Abs. 1 Satz 1 ZAG bestimmt, dass derjenige, der im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Zahlungsdienste als Zahlungsinstitut erbringen will, einer schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bedarf. In § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG werden Zahlungsinstitute definiert als Unternehmen, die gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Zahlungsdienste erbringen. Normadressaten sind daher nur Unternehmen, nicht aber natürliche Personen (vgl. Walter in Casper/Terlau, ZAG, § 8 Rn. 6, 10 f., § 31 Rn. 3, 9 ff.).

aa) Mit der Einführung des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes zum 31. Oktober 2009 hat der Gesetzgeber die Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 (ABl. EU L 319 vom 5. Dezember 2007, S. 1; im Folgenden: „Zahlungsdiensterichtlinie“) zur Schaffung eines harmonisierten Rechtsrahmens für unbare Zahlungen im europäischen Binnenmarkt in deutsches Recht umgesetzt. Hiermit sollte für Zahlungsinstitute ein Spezialgesetz geschaffen werden, das im Interesse der Normenklarheit das neue Regelwerk für seine Adressaten so einfach wie der Sache nach möglich hält (BT-Drucks. 16/11613, S. 26). Entsprechend der Zahlungsdiensterichtlinie in Art. 4 Nr. 4, Art. 10 Abs. 1 Satz 2, nach der eine Zulassung für die gemeinschaftsweite Erbringung und Ausführung von Zahlungsdiensten lediglich juristischen Personen erteilt werden sollte, sah der Gesetzgeber als Normadressaten ausschließlich Unternehmen an, die der Kategorie der Zahlungsinstitute zuzuordnen sind, unabhängig davon, ob ihnen eine Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 ZAG erteilt worden ist oder nicht (BT-Drucks. 16/11613, S. 32).

Bei diesen Unternehmen muss es sich um juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften handeln (BT-Drucks. 16/11613, S. 46).

bb) Das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz erfasst gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 auch bar durchgeführte Finanztransfergeschäfte (vgl. Art. 4 Nr. 13 Zahlungsdiensterichtlinie). Mit dieser Regelung sollte das Finanztransfergeschäft, das weitgehend der Finanzdienstleistung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG (in der damaligen gültigen Fassung vom 19. Dezember 2008) entspreche und der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG unterliege, aus dem KWG abgelöst werden (BT-Drucks. 16/11613, S. 35). Dementsprechend wurde § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG zum 31. Oktober 2009 aufgehoben mit der Folge, dass eine Strafbewehrung gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, die sich auch gegen natürliche Personen richtete (vgl. zum „Hawala-Banking“ BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 1 StR 73/02, NStZ-RR 2003, 55), für Finanztransaktionen vorliegender Art auch für zurückliegende Tatzeiträume (§ 2 Abs. 3 StGB) entfallen ist.

b) Eine Strafbarkeit des Angeklagten wäre danach für den gesamten abgeurteilten Tatzeitraum nur dann gegeben, wenn er die Finanztransfergeschäfte als Geschäftsführer der H. GmbH unter deren Einbindung begangen hätte (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Im Urteil fehlt es hierzu jedoch an hinreichenden Feststellungen.

Die Wirtschaftsstrafkammer stellt bei der strafrechtlichen Beurteilung ausschließlich auf die Handlungen des Angeklagten selbst ab, ohne die Einbindung seiner Finanztransferaktivitäten in seine Geschäftsführertätigkeit für die H. GmbH darzulegen. Die Wertung des Landgerichts, dass die H. GmbH dem Angeklagten als „eigene Plattform“ zum schattenwirtschaftlichen Transfer von Geldern diente, lässt nicht erkennen, ob die Gesellschaft lediglich den Hintergrund der Geldtransfergeschäfte bildete oder ob sie in deren Abläufe organisatorisch eingebunden war.

Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.

4. Der Senat weist darauf hin, dass § 1 Abs. 10 Nr. 3 ZAG, ungeachtet seiner im Einzelnen unklaren inhaltlichen Abgrenzung zu § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG (vgl. Casper in Casper/Terlau, aaO, § 1 Rn. 72 einerseits, Rn. 85 andererseits) einer Verurteilung bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht entgegenstehen dürfte. Nach dieser Vorschrift ist der „gewerbsmäßige Transport von Banknoten und Münzen“ kein Zahlungsdienst im Sinne des Gesetzes (vgl. Art. 3 Buchst. c der Zahlungsdiensterichtlinie). Diese Ausschlussnorm ist demgemäß auf den rein physischen Transport von Bargeld (und ggf. dessen Bearbeitung im Sinne einer bankmäßigen Aufarbeitung) beschränkt, weswegen beispielsweise schon die Zwischenschaltung von Konten schadet (vgl. BT-Drucks. 16/11613, S. 38; Casper, aaO Rn. 85 f.). Den - insoweit allerdings spärlichen - Feststellungen des Urteils entnimmt der Senat, dass der Angeklagte in ein Geldtransfersystem eingebunden war, in dem zunächst die gesondert verfolgten Verantwortlichen der Firmengruppe T. S. GmbH das zu transferierende Bargeld entgegennahmen, zu Tranchen zusammenstellten und diese dem Angeklagten übergaben, der für die Durchführung des Transports der Bargeldtranchen nach Vietnam sorgte; dort wurde er von seinen Geschwistern bei der Organisation der Übermittlung und Auszahlung der jeweiligen einzelnen Geldbeträge an ihre Empfänger unterstützt. Die gesamten für die jeweiligen Auftraggeber erbrachten Dienstleistungen von der Übernahme des Geldes bis zu seiner Übergabe an die Empfänger in Vietnam gingen mithin wohl über den von § 1 Abs. 10 Nr. 3 ZAG erfassten reinen Transport des Geldes hinaus.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 15

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 15; StV 2017, 114

Bearbeiter: Christian Becker