HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 685
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 547/14, Urteil v. 20.05.2015, HRRS 2015 Nr. 685
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Mai 2014 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Urkundenfälschung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten D. hat es wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten B. hat der Senat durch Beschluss vom 27. Januar 2015 verworfen. Vom Vorwurf des Betruges in mehreren Fällen (B.: 28 Fälle; D.: 11 Fälle; P.: 9 Fälle), die teilweise in Tateinheit mit den zu den Verurteilungen führenden Urkundenfälschungen gestanden haben sollen, hat das Landgericht die Angeklagten jeweils aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihren auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen greift die Staatsanwaltschaft - beschränkt auf elf Fälle der Anklage - jeweils die Freisprüche an. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Im Sommer 2003 entschloss sich der Angeklagte B., Eigentumswohnungen „im Paket“ anzukaufen und später einzeln gewinnbringend weiterzuverkaufen. Soweit die Wohnungen renovierungsbedürftig waren, sollten sie in einen Zustand versetzt werden, der eine spätere Vermietung zu einer ortsüblichen Vergleichsmiete ermöglichte. Das mit der De. entwickelte Konzept zur Finanzierung der An- und späteren Weiterverkäufe sah vor, dass die Bank die Ankäufe gegen Abtretung der Auflassungsansprüche des Angeklagten B. finanzieren und dieser die Bank nach dem Weiterverkauf aus dem erzielten Kaufpreis befriedigen würde; die Bank bewertete die betreffenden Wohnungen und legte fest, bis zu welchem Preis sie bereit war, den Weiterverkauf zu finanzieren.
Nachdem der Angeklagte B. auf diese Weise den An- und Weiterverkauf von Wohnungen aus einem Objekt in Berlin abgewickelt hatte, entschied er sich wegen des Anstiegs der Zahl der Geschäfte, als Vertriebspartner für die Akquise von Kunden den Angeklagten D. sowie später unter anderem auch die Angeklagte P. einzuschalten. In seiner Kalkulation veranschlagte B. eine Vertriebsprovision in Höhe von insgesamt 30 % des Verkaufspreises der Wohnungen. Hintergrund dieser „vergleichsweise hoch angesetzten“ Provision war, dass B. auch Kunden gewinnen wollte, die kein Eigenkapital einsetzen konnten oder wollten (UA S. 12). Da die den Immobilienkauf finanzierenden Banken jedoch regelmäßig forderten, dass die Kunden zumindest die Erwerbsnebenkosten aus Eigenkapital trügen, übernahm B. für seine Kunden diese Zahlungen oder erstattete ihnen die gezahlten Beträge; die dafür erforderlichen Summen verrechnete er mit der veranschlagten Vertriebsprovision. Teilweise hatten die Kunden auch Altkredite zu bedienen, auf deren Ablösung die finanzierenden Banken bestanden. B. handhabte diese Fälle regelmäßig so, dass er den Kunden aus dem ausgezahlten Immobiliendarlehen die zur Ablösung des Altkredits jeweils erforderliche Summe zur Verfügung stellte. Anschließend zog er den Betrag von der von ihm zu zahlenden Vertriebsprovision ab. Wegen der Finanzierung der Weiterverkäufe der Wohnungen trat B. in Kontakt mit einem Finanzvermittler, der Immobilienkredite bei der Deu. K. (im Folgenden: DK.), später auch bei anderen Banken vermittelte. Wie bereits mit der De. kam der Angeklagte B. auch mit der DK. dahingehend überein, dass die Bank die angebotenen Wohnungen besichtigen und jeweils eine Marktwertanalyse erstellen ließ, auf deren Grundlage sie entschied, zu welchem Preis sie einen Weiterverkauf finanzieren würde. Die von der Bank so ermittelten Preise übernahm der Angeklagte B. und legte sie den Wohnungsverkäufen zugrunde. Der Finanzvermittler prüfte die Bonitätsunterlagen der vom Vertrieb akquirierten Kunden und teilte mit, in welcher Höhe diese jeweils einen Immobilienkredit von der Bank erhalten könnten (UA S. 13).
In dieser Weise wickelte der Angeklagte B. im Anklagezeitraum zwischen Oktober 2005 und August 2010 eine Vielzahl von Immobilienverkäufen ab. Die Zusammenarbeit mit der Angeklagten P. endete dabei bereits im November 2006. Nachdem es im Frühjahr 2009 auch zum Bruch zwischen den Angeklagten B. und D. gekommen war, übernahm B. den Vertrieb der Immobilien vielfach selbst. Als die Banken im Zuge der weltweiten Finanzkrise dazu übergingen, für Immobilienfinanzierungen wieder den Einsatz von Eigenkapital von ihren Kunden zu verlangen, wurde es für ihn zunehmend schwieriger, Käufer zu akquirieren. In der Folge geriet er in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten und konnte vielfach seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen (UA S. 14).
In den Verurteilungsfällen fälschte der Angeklagte B. im November 2006 sowie in fünf Fällen zwischen September 2009 und November 2010 Belege, die den Banken im Zusammenhang mit Anträgen seiner Kunden auf Gewährung von Immobilienkrediten vorgelegt wurden, um diese zur Kreditgewährung an die Käufer oder zur Auszahlung einbehaltener Beträge zu veranlassen; im März 2007 veranlasste er den Angeklagten D. zur Fälschung eines entsprechenden Beleges.
In den meisten der von der Revision der Staatsanwaltschaft umfassten Anklagefälle (mit Ausnahme von Fall 9) gerieten die Käufer der Wohnungen, teilweise wegen ausbleibender Mietzahlungen und/oder Erhöhung des Wohngeldes (Fälle 7, 11, 13), in wirtschaftliche Engpässe, die überwiegend dazu führten, dass sie die Immobiliendarlehen nicht mehr bedienen konnten (Fälle 3, 4, 10, 11, 13 bis 16, 22) und die Wohnungen durch die Banken zu deutlich unter den von den Kunden gezahlten Kaufpreisen verwertet wurden (Fälle 3, 4, 10, 11, 13 bis 15). Teilweise wurden durch den Angeklagten B. Renovierungszusagen nicht eingehalten oder begonnene Renovierungen nicht beendet (Fälle 3, 4, 10, 13) oder Altkredite der Kunden nicht - wie versprochen - abgelöst (Fälle 11, 22). Allerdings leistete B. in einigen der Fälle, teils über Jahre hinweg, Mietausgleichszahlungen (Fälle 3, 4, 10) und löste Altkredite meist entsprechend gegebenen Zusagen ab (Fälle 3, 4, 9, 14 bis 16).
2. Hinsichtlich der von der Anklage erhobenen Betrugsvorwürfe kam die Strafkammer beweiswürdigend zu dem Ergebnis, dass es in allen Fällen bereits an einer den Angeklagten vorzuwerfenden Täuschung „im Sinne einer bewusst wahrheitswidrigen Erklärung, die bei den Erwerbern der Wohnungen eine Fehlvorstellung über konkrete Tatsachen - und nicht etwa nur in Bezug auf deren Motive oder Wertungen - hervorgerufen hätte“ (UA S. 121), fehle. Soweit den Angeklagten zur Last gelegt werde, sie hätten Kunden bewusst wahrheitswidrig eine Renovierung der Wohnung versprochen, sei ihnen in keinem der Fälle nachzuweisen gewesen, dass eine Einhaltung entsprechender Zusagen von vornherein nicht beabsichtigt gewesen sei. Tatsächlich seien in zahlreichen Objekten in großem Umfang Bau- und Renovierungsarbeiten geplant, begonnen und vielfach auch abgeschlossen worden. Dass die Arbeiten verschiedentlich nicht oder nicht vollständig ausgeführt worden seien, spreche angesichts dessen nicht für einen fehlenden Renovierungswillen des Angeklagten B. ; diesem sei nicht zu widerlegen, dass die unterbliebene Fertigstellung mehrfach zwischenzeitlichen Zahlungsengpässen geschuldet gewesen sei, die im Zeitpunkt einer anderweitigen Verfügung der Kunden über die Wohnungen nicht behoben gewesen seien. Auch unter Berücksichtigung der zeitlichen Abläufe der Geschäfte lasse sich nicht feststellen, dass Zusagen ab einem bestimmten Zeitpunkt generell nicht mehr eingehalten worden seien (UA S. 207).
Es hätten sich keine Vertriebsstrukturen feststellen lassen, die auf einen überteuerten Verkauf minderwertiger Eigentumswohnungen an unerfahrene Privatpersonen gerichtet gewesen seien (UA S. 122). In keinem Fall habe festgestellt werden können, dass in den von den Angeklagten vorgenommenen Berechnungen der künftigen monatlichen Belastungen der Kunden Beträge unrichtig angegeben oder wesentliche Belastungen nicht berücksichtigt worden seien. Die bloße Vorstellung der Kunden, der Erwerb sei für sie „finanziell tragbar“ oder „wirtschaftlich vorteilhaft“, stelle für sich genommen keine betrugsrelevante (Fehl-)Vorstellung dar, weil damit keine Tatsachen, sondern bloße Wertungen angesprochen seien.
Es lasse sich ebenfalls in keinem der Fälle feststellen, dass die Käufer über wertbildende Faktoren getäuscht worden seien. Die Forderung und Vereinbarung eines bestimmten Kaufpreises umfasse nicht die (konkludente) Erklärung, die verkaufte Sache sei den geforderten Preis auch wert. Im Übrigen habe der Angeklagte B. die Kaufpreise für die einzelnen Wohnungen nicht frei festgelegt, sondern in allen Fällen den Betrag übernommen, den die jeweils finanzierende Bank im Rahmen einer Bewertung der Wohnung bestimmt hätte. Dass die Banken bei einer späteren Verwertung der Wohnungen diese oftmals wesentlich geringer eingestuft hätten, sei nicht den Angeklagten vorzuwerfen. Auch führe es nicht zur Annahme einer Täuschung, dass der Angeklagte B. aus den erzielten Kaufpreisen erhebliche Provisionszahlungen geleistet habe. Eine Pflicht zur Offenlegung bestehe insoweit nicht. Im Übrigen seien aus den Provisionsanteilen vielfach auch Zahlungen erfolgt, die den Käufern zugutegekommen seien (UA S. 124).
3. Mit ihren Revisionen macht die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen geltend: Das Landgericht habe sich zu Unrecht lediglich unter dem Gesichtspunkt einer Täuschung durch Unterlassen mit dem Aspekt auseinandergesetzt, dass die Angeklagten bei den Immobilienverkäufen die Höhe der von den verlangten Kaufpreisen umfassten Vermittlungsprovisionen nicht offengelegt hätten, und insoweit eine Aufklärungspflicht der Angeklagten abgelehnt. In diesem Verhalten sei jedoch eine konkludente (aktive) Täuschung über die Wirtschaftlichkeit des Geschäfts zu sehen, so dass es auf eine Aufklärungspflicht nicht ankomme. Die Immobilien seien als Anlageobjekte verkauft worden; aus der Höhe der gezahlten „Innenprovisionen“ ergäben sich Rückschlüsse auf die geringere Werthaltigkeit des Objekts und Rentabilität der Anlage. Im Übrigen beanstandet die Revision eine lückenhafte Beweiswürdigung, da das Landgericht die objektiven Verkehrswerte der verkauften Wohnungen nicht mitgeteilt habe und deshalb keine Überprüfung dahingehend möglich sei, ob der Tatvorwurf des Betruges durch Abschluss sittenwidriger oder wucherischer Verträge erfüllt sein könne.
Die Revisionen bleiben erfolglos.
1. Soweit den Angeklagten vorgeworfen worden ist, die Erwerber der Eigentumswohnungen durch bewusst unzutreffende Berechnungen über die von ihnen zu tragenden monatlichen Belastungen, das Verschweigen erforderlicher Wohngeldzahlungen und/oder das Versprechen tatsächlich nicht geplanter Renovierungen der Wohnungen getäuscht zu haben, hat das Landgericht entsprechende Täuschungshandlungen aufgrund umfassender rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung ausgeschlossen (UA S. 121 ff.). Dies wird auch durch die Staatsanwaltschaft nicht angegriffen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht eine Täuschung durch (schlüssiges) Handeln geprüft und ausdrücklich verneint (UA S. 124). Seine Ansicht, dass die Forderung und Vereinbarung eines bestimmten, gegebenenfalls auch überhöhten Preises nicht ohne weiteres die konkludente Erklärung umfasse, die verkaufte Sache sei ihren Preis auch wert (UA S. 123), ist zutreffend (vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 17c). Mit Rücksicht auf das Prinzip der Vertragsfreiheit ist grundsätzlich kein Raum für die Annahme konkludenter Erklärungen über die Angemessenheit oder Üblichkeit des Preises; es ist vielmehr Sache des Käufers, abzuwägen und sich zu entscheiden, ob er die geforderte Vergütung aufwenden will (Tiedemann in LK, 12. Aufl., § 263 Rn. 35 mwN). Für den Verkäufer besteht bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit und des Wuchers grundsätzlich auch keine Pflicht zur Offenlegung des Werts des Kaufobjektes, selbst wenn dieser erheblich unter dem geforderten Preis liegt (BGH, Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812 mwN). Im Regelfall muss der Verkäufer den Käufer auch nicht auf ein für diesen ungünstiges Geschäft hinweisen, sondern darf davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner im eigenen Interesse selbst über Art und Umfang seiner Vertragspflichten Klarheit verschafft hat (BGH aaO mwN).
a) Es führt nach den hier gegebenen Umständen zu keinem anderen Ergebnis, dass die hohen Provisionsanteile, aus denen überdies vielfach den Käufern zugutekommende Zahlungen geleistet wurden, nicht offengelegt wurden. Denn auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen erhöhten diese nicht die Kaufpreise der Wohnungen und hatten somit keine Auswirkungen auf die Rentabilität der Immobilien (vgl. zu den möglichen Auswirkungen überhöhter Innenprovisionen auf die Werthaltigkeit von Vermögensanlagen BGH, Urteile vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10; vom 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 118, 121, und vom 14. März 2003 - V ZR 308/02 aaO). Die für die Eigentumswohnungen geforderten Preise beruhten auf Bewertungen der Banken, auf deren Grundlage diese festlegten, bis zu welchem Kaufpreis sie jeweils zur Finanzierung des Weiterverkaufs bereit waren (UA S. 11). Diese Preise wurden vom Angeklagten B. übernommen und den jeweiligen Wohnungsverkäufen zugrunde gelegt (UA S. 13, 124). Der Angeklagte nahm beim Weiterverkauf der Wohnungen keine Provisionsaufschläge auf die von den Banken ermittelten Kaufpreise vor (vgl. auch sein Vorgehen im Fall 18 der Anklage, UA S. 188). Ein kollusives Zusammenwirken des Angeklagten mit den kreditgewährenden Banken ist nicht festgestellt; hierfür bietet der Sachverhalt auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte.
b) Dass die jeweils mehrere Jahre nach dem Verkauf erfolgten Neubewertungen der Wohnungen jedenfalls nach den Angaben in der Anklageschrift in vielen Fällen deutlich niedriger ausfielen, kann auf vielfältige die Wertbildung beeinflussende Faktoren zurückzuführen sein und sagt über die Angemessenheit des ursprünglichen Kaufpreises nichts aus. Angesichts der in die Kaufpreiskalkulation übernommenen Bewertungen der finanzierenden Banken liegt ein sittenwidriges oder wucherisches Verhalten der Angeklagten fern. Demgemäß begründet die fehlende Mitteilung der Verkehrswerte der Wohnungen im Zeitpunkt ihres Verkaufs keinen Erörterungsmangel. Eine Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) hat die Revisionsführerin nicht erhoben.
3. Soweit in den Verurteilungsfällen (I.1 bis 7 des Urteils, UA S. 11 ff.) jeweils auch ein Betrug zu Lasten der Bank zu prüfen gewesen wäre, ist durch die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt worden.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 685
Externe Fundstellen: NJW 2015, 2826; NStZ 2015, 461; NStZ-RR 2015, 245 ; StV 2016, 28
Bearbeiter: Christian Becker