HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 955
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 46/14, Urteil v. 29.07.2014, HRRS 2014 Nr. 955
Gemäß § 154 Abs. 2 StPO wird das Verfahren in den Fällen 1 bis 3 des angefochtenen Urteils eingestellt. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Gemäß § 154a Abs. 2 StPO wird die Verfolgung im Fall 55 des angefochtenen Urteils auf eine Schadenssumme von 13.000 Euro beschränkt. Gemäß §§ 430, 442 StPO wird die Feststellung nach § 111i StPO von der Verfolgung ausgenommen.
Demgemäß und auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10. September 2013 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Untreue in 87 Fällen schuldig ist und in den Aussprüchen über die Einzelstrafe im Fall 55 sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben. Die Einzelstrafen der Fälle 1 bis 3 und die Feststellung nach § 111i StPO entfallen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Einzelstrafe im Fall 55 und über die Gesamtstrafe sowie über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 90 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass hinsichtlich eines Betrages von 130.000 € die Ansprüche der Verletzten der Anordnung des Wertersatzverfalls entgegenstehen (§ 111i Abs. 2 StPO). Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nach Teileinstellungen und Verfahrensbeschränkungen, über die der Bundesgerichtshof einheitlich im Urteil mitentscheiden kann (vgl. nur BGH, Urteile vom 25. Juli 2012 - 2 StR 111/12 -, vom 16. Januar 2014 - 4 StR 496/13 - und vom 22. Mai 2014 - 4 StR 514/13), im Umfang der Urteilsformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte wuchs getrennt von seiner leiblichen Mutter im großmütterlichen Haushalt auf und wurde in seinen ersten zwölf Lebensjahren insbesondere von seiner Tante, der später geschädigten B., aufgezogen, zu der er eine "Mutter-Sohn-ähnliche Beziehung" hatte und auch im weiteren Lebensverlauf Kontakt hielt, ihr insbesondere nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 2008 beistand. Am 10. August 2008 erteilte die damals 77-jährige B. dem Angeklagten eine schriftliche Vorsorgevollmacht, die ihn berechtigte, im Außenverhältnis ihr gesamtes unbewegliches und bewegliches Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen. B. war bekannt, dass der Angeklagte erhebliche finanzielle Schwierigkeiten hatte, und äußerte im Zusammenhang mit den Gesprächen um die Erteilung der Vorsorgevollmacht, dass er sich mal "etwas gönnen" solle. Sie bekundete, dass sie ihm gern helfen wolle und er einen Teil ihres Vermögens kraft der ihm erteilten Vollmacht zu eigenen Zwecken, insbesondere zur Rettung seines Wohnhauses verwenden könne.
Am 26. August 2008 erlitt B. eine Hirnblutung, in deren Folge sie weitgehend immobil, desorientiert und kommunikationsunfähig wurde. Hinzu trat eine Demenz. Seit Anfang Oktober 2008 ist sie in einem Pflegeheim untergebracht, dessen Kosten sich auf einen monatlichen Betrag von ca. 3.100 € belaufen; sie erhält eine Rente in Höhe von 950 €.
Der Angeklagte löste im Jahr 2009 mehrere Geldanlagen B. s auf und verkaufte im Jahr 2010 - nachdem das Amtsgericht ihn hierfür zum Betreuer bestellt hatte - deren Wohnanwesen. Die jeweiligen Geldbeträge ließ er auf ihr Konto buchen und verfügte vom 26. September 2008 bis 5. September 2011 in 90 Fällen durch Barabhebungen und Überweisungen über 135.625 € ihres Geldvermögens, um es für private Zwecke seiner Lebensführung und zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten zu verbrauchen. Mit den Kosten für das Pflegeheim, die der Angeklagte nicht aus diesen Abhebungen bestritt, sondern direkt vom Konto der B. überwies, war er am 8. Juli 2011 mit einem Betrag von 21.854 € im Rückstand. Am 5. September 2011 wies das Konto der B. einen Stand von 28,44 € auf. Weitere wesentliche Vermögensgegenstände waren nicht mehr vorhanden.
2. Der vom Senat beigezogenen Betreuungsakte des Amtsgerichts Ottweiler ist zur Bestellung eines Betreuers für B. folgender Verfahrensgang zu entnehmen:
Mit Beschluss vom 5. September 2011 setzte das über die rückständigen Heimkosten am 7. Juli 2011 informierte Amtsgericht Ottweiler Rechtsanwalt S. zunächst als Kontrollbetreuer gemäß § 1896 Abs. 3 BGB zur Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen gegenüber dem Bevollmächtigten ein. Die für dieses Verfahren bereits zuvor bestellte Verfahrenspflegerin hatte das Amtsgericht mit Schreiben vom 29. August 2011 darauf hingewiesen, dass der Angeklagte eine Auflistung mit Nachweisen über die Verwendung des Kauferlöses aus dem Verkauf des Wohnanwesens schuldig geblieben sei und "begründeter Verdacht" bestehe, dass "die Gelder nicht zweckentsprechend verwendet worden" seien. Nachdem Rechtsanwalt S. am 14. September 2011 die dem Angeklagten erteilte Vorsorgevollmacht widerrufen hatte, wurde er vom Amtsgericht Ottweiler im Wege der einstweiligen Anordnung am 19. September 2011 mit sofortiger Wirkung zum vorläufigen Betreuer der B. mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Entgegennahme und Öffnen der Post bestellt. Mit an die Polizei gerichtetem Schriftsatz vom 20. September 2011 stellte Rechtsanwalt S. Strafantrag aus allen in Betracht kommenden Gründen wegen des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachts, die ihm erteilte Vollmacht missbraucht und Gelder für eigene Zwecke verwandt zu haben.
3. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Zwar hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund des zwischen dem Angeklagten und B. fortbestehenden Pflegeverhältnisses im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit.b StGB (vgl. LK/Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 15; MünchKomm-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 11 Rn. 14) nach §§ 247, 266 Abs. 2 StGB ein Strafantrag erforderlich war. Entgegen der vor Anberaumung der Hauptverhandlung vertretenen, in der Verhandlung indes nicht aufrecht erhaltenen Auffassung des Generalbundesanwalts ist der Strafantrag jedoch wirksam gestellt worden.
a) Der Betreuer war nach § 77 Abs. 3 StGB berechtigt, als derjenige, dem die Sorge für die Person B. s zusteht, einen Strafantrag gemäß §§ 247, 266 Abs. 2 StGB zu stellen. Einer ausdrücklichen Zuweisung der Strafantragsbefugnis bedurfte es angesichts der ihm übertragenen Aufgabenkreise im vorliegenden Fall nicht. Letztlich kann dahinstehen, ob bei Übertragung derart weitreichender Aufgabenkreise, die neben den Bereichen der Vermögenssorge und der Antragstellung gegenüber Behörden auch weitgehende persönliche Belange betreffen, die Strafantragsbefugnis nach § 247 StGB gesondert übertragen werden muss (so aber z.B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Dezember 2012 - 3 Ws 397/12, teilweise in NStZ-RR 2014, 143 abgedruckt; OLG Celle, NStZ 2012, 702; OLG Köln, wistra 2005, 392; aA LG Ravensburg, FamRZ 2001, 937). Denn im vorliegenden Fall ergab sich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung gerade aus der Aufdeckung möglicher Untreuevorwürfe. Die Klärung und Entscheidung der dringlich gewordenen Frage, welche Maßnahmen im Einzelnen zu ergreifen sind, so auch, ob im Namen der Betreuten ein Strafantrag zu stellen ist, war demgemäß Teil des objektiven Betreuungsbedarfs der B. .
aa) Der im Betreuungsrecht geltende Erforderlichkeitsgrundsatz (vgl. Regierungsentwurf eines Betreuungsgesetzes, BT-Drucks. 11/4528, S. 58, 120) steht hier der Annahme der Strafantragsbefugnis nicht entgegen. Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 80/11, NJW-RR 2011, 1506, 1507; MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl., § 1896 Rn. 39, 41; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1896 Rn. 10). Die Regelung verlangt nicht, dass bei der Bestimmung der jeweiligen Aufgabenkreise die einzelnen Besorgungen, die dem Betreuer zukommen, insbesondere die Rechtsgeschäfte, die er abzuschließen hat, gesondert bezeichnet werden müssen (vgl. Regierungsentwurf, aaO, S. 121). Daraus folgt, dass die Strafantragsbefugnis sich grundsätzlich aus bestimmten Aufgabenkreisen ergeben kann, die sich auch aus einem möglicherweise verletzten Rechtsgut ableiten lassen (vgl. auch MünchKomm-BGB/Schwab aaO, Rn. 100).
bb) Die Höchstpersönlichkeit des Strafantragsrechts gebietet eine ausdrückliche Übertragung der Befugnis nach § 77 Abs. 3 StGB auf den Betreuer nicht.
Der Strafantrag ist ein an ein Strafverfolgungsorgan gerichtetes förmliches Verlangen, eine bestimmte Straftat zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1956 - 5 StR 188/56, GA 1957, 17, 19; LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 77 Rn. 6; Meyer, Zur Rechtsnatur und Funktion des Strafantrags, 1984, S. 1). Die Entscheidung darüber, ob eine Tat im Hinblick auf den von § 247 StGB geschützten Familienfrieden vom Verletzten als nicht strafwürdig hingenommen (vgl. Meyer, aaO S. 45) werden soll, ist zwar höchstpersönlicher Natur, sie steht aber - anders als der Generalbundesanwalt ursprünglich gemeint hat - nicht mit den gänzlich betreuungsfeindlichen höchstpersönlichen Rechten wie den Rechten auf Eheschließung und auf Errichtung eines Testaments auf einer Stufe, bei denen weder eine Vertretung in der Erklärung und im Willen noch ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 2 BGB zulässig ist. Dies folgt schon daraus, dass die Strafantragsbefugnis bei nicht voll geschäftsfähigen Personen vom gesetzlichen Vertreter (§ 77 Abs. 3 StGB) wahrgenommen wird.
cc) Der sich in der konkreten Lebenssituation ergebende Betreuungsbedarf der B. umfasste auch die Geltendmachung und Durchsetzung ihrer sich aus den etwaigen Untreuehandlungen des Angeklagten ergebenden Rechte, einschließlich der Wahrnehmung ihrer Verletztenrechte nach § 77 Abs. 1, § 247 StGB.
Zum Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Betreuers stand der Angeklagte im Verdacht, Gelder vom Konto der B. veruntreut zu haben. Aus diesem Grund hat Rechtsanwalt S. in seiner Funktion als Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB die Vorsorgevollmacht widerrufen; er wurde im Wege der einstweiligen Anordnung als vorläufiger Betreuer eingesetzt. Die zum Zeitpunkt der Einrichtung der Betreuung dringlich gewordene Entscheidung, ob der Angeklagte wegen der aufgedeckten Vorwürfe strafrechtlich verfolgt werden solle, konnte nach § 77 Abs. 3 StGB nur durch einen Vertreter in persönlichen Angelegenheiten getroffen werden. Als solcher Vertreter wurde Rechtsanwalt S. eingesetzt und dabei mit umfassenden vermögensrechtlichen und persönlichen Befugnissen (u.a. Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Entgegennahme und Öffnen der Post) ausgestattet. Dies zielte ersichtlich auch darauf ab, ihm zu ermöglichen, auch das Strafantragsrecht gemäß § 77 Abs. 3, § 247 StGB wahrzunehmen und die Schadensersatzansprüche der B. (z.B. § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266 Abs. 1 StGB) umfassend, etwa durch Rückgriff auf strafrechtliche Ermittlungsergebnisse geltend zu machen oder vermögensrechtliche Interessen mit den Mitteln des Strafverfahrensrechts (etwa Sicherung der Ansprüche nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, § 111b Abs. 5 StPO oder Inanspruchnahme des Adhäsionsverfahrens nach §§ 403 ff. StPO) zu verfolgen.
b) Für die Wirksamkeit des Strafantrags kommt es nicht auf einen etwaigen entgegenstehenden natürlichen oder mutmaßlichen Willen der Betreuten an. Ob der Betreuer bei Antragstellung dem Wohl und den Wünschen der demenzkranken B., insbesondere im Hinblick auf die Wahrung des Familienfriedens gerecht geworden ist - wogegen nicht einmal Anhaltspunkte vorliegen -, war deshalb hier - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu entscheiden; dass ein potentieller Strafverfolgungswille des Betreuten nicht ermittelbar ist, führt nicht zu einem (dauerhaften) Verfahrenshindernis.
Zwar hat ein Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dem nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB maßgebenden Wohl des Betreuten nicht zuwiderläuft. Diese Bindung des Betreuers gilt aber nur im Innenverhältnis zum Betreuten; die Rechtsmacht des Betreuers, für den Betreuten zu handeln, wird durch sie nicht beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 - XII ZR 110/06, BGHZ 176, 262, 271; Palandt/ Götz, BGB, 73. Aufl., § 1901 Rn. 2 und § 1902 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Schwab aaO § 1901 Rn. 20; vgl. zur Ausnahme bei Missbrauch der Vertretungsmacht: MünchKomm-BGB/Schwab aaO, § 1902 Rn. 16). Mit der Stellung eines Strafantrags setzt der Betreuer - anders als bei Entscheidungen über ärztliche Heilmaßnahmen nach der spezielleren Pflichtenregelung des § 1901a Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205, 213; Staudinger/Bienwald, BGB, Neubearb. 2013, § 1901a Rn. 7) - keine im Voraus getroffene Entscheidung des Verletzten um, sondern nimmt nach § 77 Abs. 3 StGB die Befugnis des Betreuten wahr (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1993 - 2 StR 649/93, BGHR StGB § 77 Abs. 3 Antragsrecht 1; LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 77 Rn. 43). Er ist damit auch bei dieser höchstpersönlichen Entscheidung nach § 77 Abs. 3, § 247 StGB nicht nur Willensbote, sondern trifft als Vertreter im Willen (vgl. Rudolphi/Wolter in SK-StGB, 8. Aufl., § 77 Rn. 8 f.) eine eigene Entscheidung für den Betreuten.
4. Der Schuld- und Strafausspruch halten überwiegend sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Verbleibenden Bedenken wird zur Vereinfachung des Verfahrens durch Anwendung der §§ 154, 154a StPO Rechnung getragen.
a) Ein den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB ausschließendes Einverständnis der B. lag nicht vor. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass deren vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit abgegebenen Erklärungen, wonach der Angeklagte sich "mal was gönnen" solle (UA S. 6), keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt. Es liegt weder ein nach § 518 Abs. 1 BGB formwirksames Schenkungsversprechen vor, noch lässt sich der unbestimmten Äußerung der Wille entnehmen, der Angeklagte dürfe im Falle der Geschäftsunfähigkeit und/oder Pflegebedürftigkeit über wesentliche Teile ihres Vermögens für eigene Zwecke verfügen und dadurch ihren angemessenen Unterhalt gefährden. Sinn und Zweck der Vorsorgevollmacht ist vielmehr, die Anordnung einer Betreuung zu vermeiden (vgl. Palandt/Götz, aaO, Einf. vor § 1896 Rn. 5). Selbst wenn es zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung dem Wunsch der B. entsprochen haben sollte, dass der Angeklagte Teile ihres Vermögens für sich verwendet, würde jedoch der Zweck dieser Vollmacht verfehlt, wenn der Bevollmächtigte dem Rechtsgedanken der Betreuerpflichten nach § 1901 Abs. 2 und 3 BGB zuwider ihren Unterhalt bis zu ihrem Tod gefährdet und ihre gesamte Lebens- und Vermögenssituation erheblich verschlechtert (vgl. zu § 1901 BGB: BGH, Urteil vom 22. Juli 2009 - XII ZR 77/06, NJW 2009, 2814, 2816). Dem Angeklagten war auch bewusst, dass "die Geschädigte die Bestreitung ihrer Pflegekosten gesichert habe sehen wollen" (UA S. 17). Mit Eintritt der kostenintensiven Pflegebedürftigkeit hatte der Angeklagte sich deshalb letztlich jedweder Verfügungen zu seinen Gunsten zu enthalten. Dass B. bei ihren die Pflegekosten nicht deckenden Rentenbezügen naheliegend auch ohne jede Vermögensreserven aufgrund sozialstaatlicher Fürsorge faktisch kaum anders versorgt worden wäre, steht dem nicht entgegen. Es liegt nach dem Zusammenhang der Urteilsfeststellungen - und zwar auf der Grundlage vom Angeklagten selbst eingeräumter Tatsachen - auf der Hand, dass B. nicht ohne Not staatliche Fürsorge in Anspruch nehmen wollte. Darüber hinaus konnten ihr auch in ihrer hilflosen Situation aus Vermögensreserven ersichtlich wesentliche Annehmlichkeiten zugute gebracht werden, die über die Minimalversorgung staatlicher Fürsorge hinausgingen.
Dass der Angeklagte im Tatzeitraum aus den "nie ausschließlich für Zahlungen zugunsten der B." (UA S. 14) abgehobenen Beträgen insgesamt in einer Vielzahl von Einzelbeträgen Gelder in Höhe von 6.825 € zugunsten der B. verwendet hat (vgl. UA S. 13 f.), lässt die Tatbestandsmäßigkeit einzelner Geldabhebungen als Untreuehandlungen nach § 266 Abs. 1 StGB nicht entfallen. Das Landgericht hat sie zutreffend lediglich strafmildernd berücksichtigt.
b) Die Revision beanstandet indes mit Recht, dass das Landgericht im Zusammenhang mit der Erörterung der Bösgläubigkeit des Angeklagten mitbewertet habe, dieser habe lediglich rund 10 % der zum Nachteil seiner Tante getroffenen Verfügungen zur Tilgung seiner Schulden verwendet (UA S. 8, 17). Dies steht im Widerspruch zu der Feststellung, dass er im Fall 3 den gesamten Betrag von 15.000 € auf sein Darlehenskonto überwiesen hat, im Fall 55 einen Teilbetrag von 10.500 € der in diesem Fall insgesamt veruntreuten 23.500 €. Die danach naheliegende Verwendung von 25.500 € zur Schuldentilgung beträgt damit nicht 10 %, sondern nahezu 20 % der insgesamt veruntreuten Beträge. Der Senat schließt zwar aus, dass das Landgericht ohne den Fehler eine Bösgläubigkeit des prinzipiell geständigen Angeklagten bei sämtlichen Barabhebungen verneint hätte, hinsichtlich der möglicherweise zur Schuldentilgung eingesetzten Beträge lässt sich dies aber nicht ohne Weiteres annehmen. Der Senat trägt dem in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt dadurch Rechnung, dass er den Fall 3 einstellt und im Fall 55 die Verfolgung auf die nicht unmittelbar zur Schuldentilgung eingesetzten Beträge beschränkt; die Beschränkung entzieht der Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe im Fall 55 die Grundlage. Die übrigen mit einer fehlerfreien rechnerischen Überlegung begründeten Einzelstrafen sind von der Aufhebung der Einsatzstrafe nicht berührt. Der Senat stellt ferner die ersten beiden Fälle ein. Diese betreffen nur geringere Barauszahlungen und sind zudem - wie auch Fall 3 - noch vor einer früheren Verurteilung des Angeklagten begangen worden.
c) Im Übrigen lässt der Strafausspruch Rechtsfehler nicht erkennen. Dies gilt auch für die urteilsfremden Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift zu einem früheren Berufungsurteil, welche zudem inhaltlich einer berechtigten Anlastung der Missachtung einer Warnfunktion durch den Angeklagten nicht maßgeblich entgegenstehen. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
d) Das neue Tatgericht wird lediglich für Fall 55 eine neue Einzelstrafe zu finden und hieraus und aus den verbleibenden Einzelstrafen unter Berücksichtigung des engen sachlichen Zusammenhangs eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben.
Der Aufhebung von tatsächlichen Feststellungen bedarf es nicht; das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
5. Die vom Landgericht getroffene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO könnte keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB nicht erörtert (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 42; Beschlüsse vom 11. April 2013 - 4 StR 39/13, StV 2013, 610, und vom 17. Juli 2013 - 4 StR 208/13, wistra 2013, 386) und nach den Urteilsausführungen naheliegende Teiltilgungen des Schadens (UA S. 14, 16) unberücksichtigt gelassen hat. Der Senat macht insoweit in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt von §§ 430, 442 StPO Gebrauch (vgl. zu deren Anwendbarkeit BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - 4 StR 263/12), zumal eine Beeinträchtigung der Vermögenslage der Geschädigten hierdurch nicht ersichtlich ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 955
Externe Fundstellen: BGHSt 59, 278; NJW 2014, 2968; NStZ 2014, 637
Bearbeiter: Christian Becker